Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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sicher geworden,373 am 29. Oktober 1741, erklärte er »aus souveräner oberlandesherrlicher Macht und Autorität«, er werde in Zukunft die Steuern, Akzisen und sonstigen Einkünfte in Niederschlesien von eigenen, in dem Lande einzurichtenden Kollegien verwalten lassen und entbinde hiermit die dazu beauftragt gewesenen ständischen Abgeordneten von dieser Arbeit sowie von der damit verknüpften Verantwortung. Am 7. November geschah die Erblandeshuldigung im Fürstensaale des Rathauses zu Breslau. Das Merkwürdige dabei war, daß die Edelleute und Rittermäßigen auch aus den nicht inkorporierten Fürstentümern und freien Standesherrschaften einberufen wurden, während sonst Fürsten und Standesherren allein ihre Gebiete repräsentiert hatten. Die Versammlung war bei 400 Personen stark. Nach der amtlichen Erzählung huldigten die Deputierten der Bischöfe und der Fürsten knieend, wobei der König bedeckten Hauptes auf seinem Throne sitzen blieb; die Standesherrschaften, die städtischen und alle übrigen Deputierten leisteten ihren Eid stehend; auch der König hatte sich dann erhoben und den Hut abgenommen. Ein freies Donativ von 100 000 Gulden, welches ihm die Stände antrugen, lehnte er hier so gut ab wie in Preußen.374 Man wird begierig zu erfahren, ob nun nicht bei dieser Gelegenheit von der ständischen Verfassung die Rede gewesen sei. Die Stände haben dem König darüber bereits am 24. Oktober geschrieben; in dieser Eingabe legen sie ihm alle seit Jahrhunderten erworbenen Freiheiten und Rechte zu Füßen und bitten ihn um eine neue Verleihung derselben. Der König antwortete, er beharre bei seinem Vorsatz, sie bei ihren Freiheiten und Rechten zu schützen; allein die Bedingung, die einst Kurfürst Friedrich Wilhelm in Magdeburg aufgestellt, fügte auch er in unumwundenen Worten hinzu; nur insoweit versprach er es, »als dieselben ihnen selbst und der allgemeinen Wohlfahrt zuträglich seien«. In demselben Augenblick, wo die aristokratisch-ständische Verfassung von Ungarn sich auf immer festsetzte, ward hier einem zwar nicht gleichen, aber doch verwandten Bestreben auf immer ein Ende gemacht. Dort erhielt sich die wie nach oben so auch nach unten gerichtete ständische Eigengewalt; hier ward sie von den Ideen des monarchischen Staates und einer auf gleichmäßigeren Rechten und Pflichten beruhenden Verwaltung zurückgedrängt. Weder das eine noch das andre erregte bei der damaligen Welt großes Aufsehen; sie war noch zu lebhaft mit der Auseinandersetzung der großen Territorialverhältnisse beschäftigt.

      Den Tag nach der Huldigung ließ der König einige der angesehensten Mitglieder der Stände zu sich einladen und eröffnete sich ihnen in seinem Kabinett über die Art und Weise der Veränderung, die er in Schlesien eintreten zu lassen denke. Vor allem solle der Unterschied zwischen den beiden Religionen, der bisher obgewaltet, aufhören; kein Katholischer solle deshalb, weil er das sei, sein Recht verlieren, noch ein Evangelischer dadurch gewinnen. Er selbst sei »durchaus ein Liebhaber der Toleranz«, er wünsche ein gutes Verständnis zwischen den beiden Parteien statt der bisherigen Verfolgung hervorzubringen. Er beabsichtige zwei Justizkollegien einzurichten, das eine in Breslau, das andre in Glogau, und sie mit Schlesiern zu besetzen, weil sich bei diesen eine größere Kunde ihrer Landesgewohnheiten vermuten lasse, doch solle bei jedem ein Brandenburger angestellt werden. Bei dem Finanzwesen könne er keine Schlesier anstellen, bevor sich nicht die, welche dabei zu dienen geneigt seien, in den alten Landen dazu geschickt gemacht haben würden, denn in diesem Zweige habe er eine große Veränderung vor. Binnen Jahr und Tag denke er eine neue Klassifikation aller Güter und alles Einkommens zustande zu bringen und danach die Kontribution zu bestimmen, so daß jeder Ort wisse, was und wieviel er jedesmal zu entrichten habe. Außerordentliche Abgaben werde er auch dann nicht fordern, wenn er in Krieg verwickelt werde. Die Akzise auf dem Lande wolle er abschaffen und durch eine Nahrungssteuer ersetzen. In der Mitte des Krieges hatten sich mannigfaltige und sehr begründete Klagen über die gewaltsamen Werbungen erhoben; der König sagte, er werde die Regimenter bestimmen, welche zur Werbung befugt sein sollten; jeder Beschwerde müsse dann der Oberst des Regiments abhelfen; sollte dieser es versäumen, so solle man sich nur an ihn, den König, wenden. Zu diesen wichtigen Einrichtungen, fügte Friedrich hinzu, werde es einiger Zeit bedürfen, doch möge man ihm glauben, daß seine Absicht nur auf das Wohl von Schlesien gerichtet ist; den Erfolg davon werde man in Zukunft sehen, wenn auch der Anfang schwer sei. So bestimmt, einfach und umfassend ward der Provinz eine neue Zukunft angekündigt, und unverzüglich schritt man zu den Vorbereitungen der neuen Einrichtung.

      Am 19. Dezember 1741 versammelten sich die bisherigen Landesältesten und eine Anzahl von Deputierten der Ritterschaft, um eine nähere Eröffnung darüber zu empfangen. Die Proposition, die ihnen vorgetragen wurde, geht von den drei Hauptgrundsätzen aus, daß die öffentlichen Abgaben zu der wahren Landesnotdurft, zu nichts anderm verwendet, daß sie mit gleichen Schultern getragen, und vornehmlich daß sie fest bestimmt sein müßten. Von dem allem habe in Schlesien bisher nichts stattgefunden; um es aber dahin zu bringen, sei nach der Erfahrung der übrigen königlichen Länder nichts nützlicher als in den geschlossenen Städten eine wohlbestellte Akzise, auf dem platten Lande eine gut eingerichtete Steueranlage, und für die Verwaltung herrschaftliche Finanzkollegien mit wohlunterrichteten, in königlichen Pflichten stehenden Dienern. Die Akzise, welche in Schlesien auch das offene Land umfaßte, verursache daselbst lauter Unterschleife, Plackereien, falsche Eide, sie solle da schon vom 1. Januar ab wegfallen; in den Städten wolle man ihr eine Einrichtung geben, daß deren Emporkommen dadurch gefördert werde. Die Einbringung der Kontribution auf dem Lande, bei der zwar zunächst die alte Schätzung oder Indiktion stattfinden, aber sofort eine Änderung von Grund aus eintreten solle, werde angestrengte Tätigkeit nötig machen. Der König würde kein Bedenken tragen, sie den Landesältesten zu überlassen, aber er wisse, sie seien unbesoldet, zum Teil hoch in Jahren; keiner werde seine Geschäfte versäumen wollen; er ziehe vor, sie der Landesverrichtungen zu entlassen und statt ihrer besoldete königliche Landräte zu ernennen, um diese den Kreisen und deren Kassen vorzusetzen; so großes Zutrauen aber hege er zu den niederschlesischen Ständen, daß er hiebei alle Fremden ausschließen und nur in dem Kreise selbst angesessene Ritterbürtige von Adel dazu ernennen wolle. Die Ernannten, 19 in dem Breslauer, 16 in dem Glogauer Bezirk, waren anwesend und erklärten sich bis auf einen bereit, in die Dienste des Königs zu treten. In dessen Namen ward die Überzeugung ausgesprochen, daß die Einrichtungen, bei denen sich die alten Provinzen so wohl befunden, auch zum Gedeihen der neuen gereichen würden; dem Kontribuenten komme die Ordnung und Gleichheit zugute, mit der er seine Lasten abzuführen habe; dadurch aber werde auch der Fürst in den Stand gesetzt, das Land gegen Mangel und Elend, hauptsächlich aber gegen feindliche Anfälle zu schützen. Schon waren die beiden Kriegs- und Domänenkammern eingerichtet, unter Leitung der bisherigen Vorsteher des Feldkriegskommissariats, Reinhard in Breslau, Münchow in Glogau. Von diesen gingen die Ernennungen aus; sie haben den König erinnert, daß der Zustand von Schlesien es besonders notwendig mache, die Beamten gut zu besolden. Der König sprach die Hoffnung aus, daß diese Kammern ein rechtes Muster guter Ordnung, richtiger und genauer Pflichterfüllung werden, unter anderm auch die erforderliche Verschwiegenheit beobachten würden.

      Was sich in den alten Provinzen nicht ohne ein gewisses Gegeneinanderwirken von mancherlei Kräften gebildet, aber alsdann als nützlich bewährt hatte, nahm man in die neue, welche im ganzen dieselben Volkszustände darbot, herüber. Doch hatte man auch das Gefühl, daß man hier von vorn anfange, und wollte zugleich das System verbessern. Die Provinz ward nicht der allgemeinen Leitung des Generaldirektoriums unterworfen; schon im März 1742 ward Münchow zum Präsidenten wie der Glogauer so auch der Breslauer Kammer, also zum Vorstand der gesamten schlesischen Verwaltung und zugleich zum Staatsminister ernannt; kein andrer Wille als der des Königs und des Ministers hatte in die neue Organisation einzugreifen. Ludwig Wilhelm v. Münchow war der Sohn jenes Kammerpräsidenten von Küstrin, dem Friedrich bei seinem dortigen Aufenthalt mancherlei Erkenntlichkeiten schuldig geworden war, den er wohl als seinen Wohltäter bezeichnet hat; es machte ihm Vergnügen den Sohn desselben zu befördern, aber dieser selber zeigte sich dessen auch vollkommen würdig. Er hatte mit dem König die nämlichen nationalökonomischen Grundsätze, wie sie dort in jener Küstriner Schule sich ausgebildet, verstand seine Absichten und ging mit voller Hingebung darauf ein. Für die praktische Verwaltung zeigte er zwei gleich unentbehrliche Eigenschaften: Umsicht und Energie.

      Man begann mit einer Bestimmung des zunächst von Niederschlesien allein zu Leistenden.


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