"Gott gebe, daß das Glück andauere.". Gabriele Praschl-Bichler

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lebte während der dritten Ehe seine Männlichkeit bei ›losen Frauenzimmern‹ aus, da er die kränkelnde Ehefrau, Kaiserin Maria Ludovika, nicht schwängern durfte. Seine Tochter Marie Louise gestaltete ihr Liebesleben noch freizügiger als der Vater: Sie gebar – noch mit dem in Verbannung lebenden Kaiser der Franzosen, Napoleon I., verheiratet – ihrem Ehrenkavalier Graf Adam Neipperg sehr unkonventionell außereheliche Kinder.

      Auch einige Brüder Kaiser Franz II./I. und viele der Nachkommen seines Bruders Ferdinand III., des Großherzogs von Toskana, produzierten etliche Familienskandale. Während unter den einen Erzherzog Johann durch seine Heirat mit der bürgerlichen Anna Plochl die kaiserlichen Gemüter erhitzte oder der wegen seiner Ordenszugehörigkeit zu Keuschheit und Ehelosigkeit verpflichtete Erzherzog Wilhelm seine Gefühle im mehr oder minder Verborgenen aufarbeitete, liebten und heirateten auf der anderen – Toskana – Seite die Mitglieder von kunterbunt bis weniger als bürgerlich. Die Hauptdarsteller hießen Marie Luise von Toskana, spätere Kronprinzessin von Sachsen, noch spätere Frau Toselli, Ludwig Salvator, der gelehrte Bisexuelle, Johann Orth, der Familienrevolutionär, Leopold Wölfling, der Freund und Ehemann von Dirnen usf.

      Auch unter den Nachkommen Kaiser Franz II./I. fanden sich etliche Anhänger der freien Liebe, wobei seine Kinder (mit Ausnahme der Tochter Marie Louise) ausnahmslos gute und biedere Ehen führten und das heißblütige Element erst eine Generation später wieder zum Durchbruch kam. So versorgte Kaiser Franz Joseph die Nachwelt mit Hintertreppenromanzen, und auch seine Brüder Ferdinand Maximilian und Ludwig Victor gaben sich den verschiedenartigsten Genüssen hin. Kronprinz Rudolf zog Prostituierte jeder feinen Damengesellschaft vor, und auch seine Tochter Elisabeth brachte es auf eine satte Zahl von skandalösen Heirats-, Liebes- und Scheidungsgeschichten. Die Liste der freizügigen Habsburger ist bis zum Jahr 1918 (dem Todesjahr der österreichisch-ungarischen Monarchie) beliebig fortzusetzen. An Spannung hat das Liebesleben der kaiserlichen Familie bis heute nichts eingebüßt. Das Buch ist diesem ›außergeschichtlichen‹ Kapitel des österreichischen Kaiserhauses gewidmet.

      Der Serie über das Privatleben der Habsburger entsprechend wurde für den Titel des Buchs abermals ein authentischer Ausspruch eines Familienmitglieds gewählt. Er entstammt dem Mund Kaiser Franz Josephs und bezieht sich auf eine der vielen skandalösen Liebesgeschichten, die die kaiserliche Familie im 19. Jahrhundert erschütterten.

      Die Person, die den Kaiser in Aufregung versetzte, hieß Elisabeth und war eine Enkelin von seiner (mit Prinz Leopold von Bayern verheirateten) Tochter Gisela. Durch die Heirat ihrer Schwester Auguste auf den Geschmack des Ehelebens gekommen, wollte auch sie sich ehestbaldig verheiratet wissen. Allerdings hatte sie wesentlich origineller als ihre Schwester gewählt, die eine Familientradition fortsetzte und sich als geborene Wittelsbacherin zum x-ten Mal in der Geschichte der beiden Dynastien mit einem Habsburger verband. Elisabeth liebte Otto Baron von Seefried auf Buttenheim, gegen den als Ehemann die meisten Heiratsregeln südeuropäischer Fürstenhäuser sprachen: er war nicht katholisch und schon gar nicht ebenbürtig. Da sie wußte, daß weder ihr Vater geschweige denn ihr Großvater der Legalisierung des Verhältnisses zustimmen würde, verließ sie heimlich das Elternhaus und floh mit dem Geliebten nach Italien. Als das Geheimnis von der Familie aufgedeckt wurde, entspann sich eine eifrige Korrespondenz zwischen Bayern, Italien und Wien, an der auch Kaiser Franz Joseph mit regem Interesse teilnahm. Er leitete alle Neuigkeiten an seine auf Reisen weilende Ehefrau weiter. Die Geschichte zieht sich – im Dezember 1893 beginnend – wie ein roter Faden durch die Briefe der folgenden Monate: »Vorgestern bekam ich ein Telegramm Giselas aus Mailand folgenden Inhalts: ›Bitte Inhalt des anliegenden Briefes vorerst womöglich geheim zu halten, neuer Brief unterwegs.‹ Ich konnte mir nicht vorstellen, was das zu bedeuten habe, und war sehr gespannt auf die angekündigten Briefe. Der erste aus Genua kam Gestern, und ich lege ihn hier bei, den zweiten erwarte ich Heute und ich habe noch eine schwache Hoffnung, daß er eine Milderung der Situation bringt. Ich war niedergeschmettert, um so mehr, als ich keine Ahnung von Elisabeths Liebe hatte, ich bin sehr betrübt und schäme mich. Ich muß immer an die arme Gisela denken, die doch so eine brave, sorgsame Mutter ist und wie schön und klar und mit welcher festen Schrift ist ihr Brief geschrieben. In meinem Schmerze fand ich aber doch, daß Elisabeth einen Karakter und einen Muth bewiesen hat, welcher einer bessern Sache würdig wäre. Natürlich werde ich Giselas, in ihrem Briefe ausgesprochenen Wünsche erfüllen und überhaupt Alles thun, was etwa helfen kann. Wir haben doch viel Unglück!« (Sammelbrief Kaiser Franz Josephs, 5.–7. Dezember 1893, aus Wien an Kaiserin Elisabeth in Gibraltar) Das zuletzt angesprochene »viele Unglück« bezieht sich vor allem auf den vier Jahre zuvor verstorbenen Sohn Rudolf, der gemeinsam mit einer Geliebten in den Freitod gegangen war, und auf eine Menge Ärger, die dem Kaiser im Laufe der Zeit als Familienoberhaupt erwachsen war: wie die zahlreichen unstandesgemäßen habsburgischen Mesalliancen, in deren Folge er etliche Verwandte aus dem Familienverband ausschließen mußte. Und er hatte sich bei ihnen wenig geneigt gezeigt, ihre ›Wünsche (zu) erfüllen und überhaupt Alles thun, was etwa helfen kann‹. Aber diesmal handelte es sich um eine seiner Enkelinnen, die er als Großvater natürlich milder beurteilte als Vettern dritten Grades, die zufällig auch Habsburg hießen. Wenn Kaiser Franz Joseph zu diesem Zeitpunkt geahnt hätte, welche Skandale durch die Tochter seines Sohnes Rudolf, eine andere Enkelin mit Namen Elisabeth, auf ihn zukommen würden, wäre seine Aufregung sicherlich noch geringer ausgefallen.

      Trotz aller Versuche, die Ausreißergeschichte Prinzessin Elisabeths von Bayern geheimzuhalten, ist sie schon bald an die Presse gelangt, durch deren Vermittlung die Affäre öffentlich bekannt wurde. Der witzigste Nebeneffekt war, daß in diesen Artikeln die Rolle Kaiser Franz Josephs eine Note erhielt, die ihn selbst viel weniger unterhielt als die Leser: »… alle Zeitungen (stellen) die traurige Angelegenheit (zwar) im gewünschten Sinne dar … (schreiben) eine Menge Romantik dazu und (überschütten) mich als vermeintlichen Protektor des Herzensbundes mit Lobeshymnen. Wie ich zu dieser Rolle kam, weis (sic) ich nicht, aber ich wiederrufe (sic) sie auch nicht, da alle diese Lügen zur nothwendigen und erwünschten Comödie passen. Heute schrieb ich an Gisela und rieth ihr, nachdem sie öffentlich ihre Zustimmung zur Heirath gegeben haben, nun die Sache auch ganz in Ordnung zu bringen und Elisabeth nach ihrer Hochzeitsreise in Gnaden aufzunehmen, aber freilich muß man sie vor Allem finden und darüber weis ich noch nichts. Hoffentlich ist sie nicht gar zu weit weg.« (ebenda)

      In der Zwischenzeit war es den Eltern gelungen, Näheres über den Aufenthalt der Tochter zu erfahren. Sie reisten nach Wien, um dem besorgten Großvater genauere Meldung zu erstatten. »… vor dem Essen waren beide (seine Tochter und ihr Ehemann, Prinz Leopold von Bayern) und nach demselben Gisela allein bei mir. Ich fand Gisela weniger angegriffen und heiterer, als ich erwartet hatte, es that ihr sichtlich wohl, mit mir sprechen zu können und sie fand, daß ich auch auf Leopold besänftigend eingewirkt hätte, der die Sache sehr ernst nimmt und sehr aufgebracht ist, was eigentlich begreiflich ist. Am bösesten soll der alte Pfui (Leopolds Vater, Prinzregent Luitpold von Bayern) sein, und der soll Leopold, der früher ruhiger war, erst mehr aufgeregt haben … Das junge Paar soll jetzt nach Mailand kommen … wo beim deutschen Consul die Civiltrauung stattfinden soll. Wenn etwas Gras über die Geschichte gewachsen sein wird und wenn der junge Mann will, so bin ich bereit, ihn in unsere Armee zu nehmen. Er soll ein ordentlicher, anständiger Mensch und guter Offizier sein.« (ders., 11. Dezember 1893) Elisabeths Eltern hatten erfolgreich Kontakt mit der Ausreißerin aufgenommen, und langsam beruhigten sich die Gemüter. Kaiser Franz Joseph, der zunächst nicht gewußt hatte, wie er auf den Streich reagieren sollte, erwies sich mehr als besänftigender Großvater denn als patriarchalischer Richter, den er bei den meisten Mesalliancen innerhalb der Familie markierte. Als Otto Seefried zuletzt akzeptierte, daß künftige gemeinsame Kinder im katholischen Glauben erzogen würden, wuchs die Sympathie des Kaisers für ihn: »Dieser neue Schwiegerenkel scheint wirklich ein charmanter Mensch zu sein.« (ders., 15. Dezember 1893) Kaiser Franz Joseph ging an die Planung der Zukunft seiner Enkelin, wenn ihn auch Zweifel bezüglich des neuen Standes, den sie künftighin einnehmen würde, überfielen: »Ich werde nun den jungen Mann in die Armee nehmen und hoffe, daß sich Elisabeth in die für sie nicht ganz leichte Stellung einer einfachen Offiziersfrau finden wird.« (ders., 29. Dezember 1893) In der Zwischenzeit war die Stimmung Prinz Leopolds von Bayern, des Vaters von Elisabeth, abermals auf ein Tief gesunken, und er begann, sich über den Vorfall schrecklich zu ärgern. Wieder war es der Kaiser, der die Rolle des beschwichtigenden


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