"Gott gebe, daß das Glück andauere.". Gabriele Praschl-Bichler
Читать онлайн книгу.nicht auf die Idee kam, sie durch sein Verhalten zu kränken. »Ich (Maria Ludovika) würde Dich doppelt und dreifach voll Zärtlichkeit küssen, wenn ich es könnte, doch ich darf den Trost, Dich zu sehen, nicht so bald erhoffen; einerseits ist es ganz gut so, denn wenn Du sehen könntest, wie ich jetzt aussehe, würdest Du Dich vielleicht dazu entschließen, mich auf dem Tandelmarkt zu verkaufen, und statt meiner die Spintin (eine der Nebenbuhlerinnen) in Deine Gunst aufzunehmen (…) Ich werde versuchen, Dir zuliebe sehr dick zu werden, um die Reize der Spintin zu verdunkeln. Hast Du sie wieder aufsuchen müssen, Du Lump?« (undatierter Brief, zitiert in: Holler, Ferdinand, S. 82)
Das rücksichtslose Verhalten Kaiser Franz’ seiner dritten Frau gegenüber war damit aber nicht abgetan. Denn sogar der sich ständig verschlechternde Gesundheitszustand Maria Ludovikas veranlaßte ihn nur zu spöttischen Bemerkungen. Die ›sogenannte‹ Krankheit, die er nicht als solche anerkannte, schrieb er der weiblichen Hysterie zu. Anläßlich einer gemeinsamen Reise nach Italien kam sie endgültig zum Durchbruch. Maria Ludovika kollabierte, ihre Kräfte ließen nach. Die mitgereiste Hofgesellschaft ahnte, daß es mit der Kaiserin zu Ende ging. Nicht so der Kaiser, der von Verona aus, wo seine Ehefrau sterbend im Bett lag, Inspektionsreisen durch die Region machte. Marie Louise, die älteste Tochter des Kaisers, die zu dieser Zeit schon als Herzogin in Parma regierte, eilte ans Krankenbett der geliebten Stiefmutter. Dem Vater berichtete sie in täglichen Briefen vom Zustand seiner Frau. »… Heute ist unsere geliebte Kranke um etwas beßer, obwohl sie mir aufträgt, Ihnen zu sagen, daß sie heute gar nicht gut ist. Obwohl sie die ganze Nacht ohne Schlaf war, so konnte sie immer fort liegen, der Auswurf und der Husten sowie das Fieber sind geblieben, auch finde ich ihre Laune heiterer. Sie hat noch nichts zu sich genommen als die Hälfte von einem gekochten Apfel, welchen sie schien mit Appetit zu eßen. Sie trägt mir auf Ihnen zu sagen daß sie kaum den morgigen Tag erwarten kann, um Sie zu sehen …« (Brief Marie Louises an ihren Vater, 5. April 1816) Ob Marie Louise den Vater nicht beunruhigen wollte oder ob sie den Zustand der Stiefmutter tatsächlich nicht richtig einschätzen konnte, bleibe dahingestellt. Denn zwei Tage nach diesem Brief starb Maria Ludovika. Die Kranke hatte um den Fortschritt ihrer Krankheit besser Bescheid gewußt und den Ehemann zum letzten Abschied ans Sterbebett herbeigesehnt.
Nach einer kurzen Trauerzeit um die verstorbene dritte Gemahlin heiratete Kaiser Franz II./I. im November 1816, sieben Monate nach dem Tod Maria Ludovikas, Prinzessin Charlotte von Bayern. Sie war zum Zeitpunkt der Heirat mit dem Kaiser von Österreich 24 Jahre alt – für damalige Verhältnisse als Braut sehr alt –, aber sie hatte auch schon eine äußerst unglückliche Ehe mit dem Kronprinzen von Württemberg, dem späteren König Wilhelm I., hinter sich. Der damalige Thronfolger betrog und demütigte seine junge Frau vor den Augen der Hofgesellschaft, die traurig und einsam vor sich hinlebte. Die nachfolgende Ehescheidung bedeutete für Charlotte die Befreiung von einem Mann, der sie nie geliebt hatte. All diese Voraussetzungen und der Umstand, daß Kaiser Franz mittlerweile ein Alter von 48 Jahren erreicht hatte, begünstigten die neue Verbindung, die für beide Partner zu einer glücklichen Ehe werden sollte. Die neue Kaiserin, die man in Österreich Caroline Auguste nannte, übernahm wie ihre Vorgängerin die zahlreichen Kinder des Kaisers – soweit sie noch im Hause lebten – in liebevolle Pflege. Von den dreizehn Töchtern und Söhnen waren zum Zeitpunkt der vierten Eheschließung Kaiser Franz’ sechs verstorben. Das älteste erwachsen gewordene Kind, die Tochter Marie Louise, war rechtlich noch mit dem in Verbannung lebenden Kaiser der Franzosen, Napoleon I., verheiratet. Sie lebte aber – von ihm getrennt – als selbständige Regentin im Herzogtum Parma. Unter allen ihren Geschwistern, die ausnahmslos gute und biedere Ehen führten, sollte sie die einzige sein, die unzählige Affären und Skandale produzierte, weshalb ihrem Leben – dem Thema des Buches entsprechend – ein eigenes, das nächste Kapitel gewidmet wird.
Der älteste Sohn Kaiser Franz II./I., Ferdinand, sein Amtsnachfolger, galt lange Zeit als zu krank, als daß man daran dachte, ihn zu verheiraten. Durch den günstigen Einfluß seiner ersten Stiefmutter, Maria Ludovika, erfuhren seine geistigen und körperlichen Schwächen eine derart positive Entwicklung, daß aus ihm nicht nur ein normal lebender Mensch, sondern auch eine zufriedene Persönlichkeit wurde, die man mit ruhigem Gewissen verheiraten konnte. An Krankheiten, unter denen er tatsächlich litt, waren nur der Wasserkopf und eine in der Familie stark verbreitete Epilepsie verblieben. Ersteres wirkte sich auf die Physiognomie unvorteilhaft aus, weshalb der Volksmund den großen Schädel mit einer Geisteskrankheit in Zusammenhang brachte.
Doch Ferdinand war alles andere als geistesschwach. Er war ein sprachlich, musisch und wirtschaftlich hochbegabter Mann, der außerdem über eine große Seele verfügte. Als er 1831 gegen die Erwartungen vieler Menschen Prinzessin Maria Anna von Sardinien heiratete, wurde er seiner Frau ein liebevoller Ehemann, der zunächst gar nicht wagte, sie körperlich zu begehren. Erzherzogin Sophie, die Schwägerin Ferdinands und Mutter des späteren Kaisers Franz Joseph, meinte dazu in einem Brief an ihre Mutter. »Ich glaube, wenn man Ferdinand nicht sagte, er solle von seinem Gattenrecht Gebrauch machen, er niemals daran denken würde, es zu tun.« (Schreiben vom 8. März 1831) Daß er die Ehe eines Tages doch vollzog, verdankte er nicht zuletzt dem einfühlsamen Wesen seiner Frau, die ihm sein Leben in jeder Beziehung erleichterte und verschönte. Die Achtung und der Respekt der beiden Eheleute voreinander führten zu einer der glücklichsten Verbindungen im Hause Habsburg. Maria Anna stand dem Ehemann in seinen Leiden bei und blieb ihm bis ins hohe Alter eine liebevolle Pflegerin.
Als Ferdinand 1848 zugunsten seines Neffen Franz Joseph die Regentschaft zurücklegte, zog sich das Paar nach Prag zurück, wo es bis an sein Lebensende den Hradschin bewohnte. Hier verbrachten beide die ruhigste und glücklichste Zeit ihres Lebens. Für Ferdinand begann eine fruchtbare Epoche, die er mit Studien der Botanik, mit wissenschaftlichen Zirkeln und vor allem mit der Aufwirtschaftung der heruntergekommenen Besitzung Reichstadt in Böhmen verbrachte. Sie war nach der Verbannung Napoleons seinem nach Österreich verbrachten Sohn aus der Ehe mit Marie Louise zugesprochen worden. Obwohl er den Titel eines Herzogs von Reichstadt trug, kam er nie in den Genuß der Wirtschaftserträge, da er als junger Mann in Wien starb. Das Herzogtum fiel nach seinem Tod seiner Mutter zu, die inzwischen als Herzogin in Parma regierte. Sie vermachte es ihrem Bruder, Kaiser Ferdinand, der nach seiner Abdankung die Verwaltung der Güter selbst übernahm. Und der von der Geschichte so verkannte Mann erreichte in kürzester Zeit eine Ertragssteigerung von einem kaum nennenswerten Gewinn auf zwei Millionen Gulden.
1856 feierten Kaiser Ferdinand und seine Ehefrau in Prag Silberne Hochzeit. Sie hatten zu dem Zeitpunkt ein Alter von 63 bzw. 53 Jahren erreicht, und die Liebe und Achtung hatte sich mit jedem Jahr ihrer Ehe gesteigert. Erst 1875 fand diese reiche Beziehung, die insgesamt 44 Jahre gewährt hatte, mit dem Tod Ferdinands ihr Ende.
Mit Ausnahme von Marie Louise zählte die Gattenliebe zu den hervorstechendsten Eigenschaften aller Kinder Kaiser Franz II./I. Die mit zwanzig Jahren nach Brasilien an den dortigen Thronprätendenten Pedro verheiratete Erzherzogin Leopoldine verliebte sich schon in Wien in das Porträt, das man ihr von ihrem künftigen Ehemann geschickt hatte, und sie konnte sich nichts sehnlicher vorstellen, als so schnell wie möglich mit ihm zu leben und gemeinsam mit ihm einer eigenen Familie vorzustehen.
Wenn dieser Ehe auch nur geringe Zeit gemeinsamen Glücks beschieden war, da Pedro sich nur an der Seite mehrerer Frauen gleichzeitig entfalten konnte, so blieb Leopoldine in der Zeit ihres kurzen Lebens dem Ehemann nicht nur eine treue Geliebte, sondern wurde ihm auch eine mutige Mitstreiterin im von politischen Wirrnissen geplagten Brasilien. Als Ehefrau mußte sie die schlimmsten Demütigungen hinnehmen, die von der steten Launenhaftigkeit des Ehemanns geprägt waren. Zunächst wurden alle ihr lieben und vertrauten Personen vom Hof verbannt. Das hinderte Dom Pedro aber nicht, den gemeinsamen Haushalt immer häufiger zu verlassen und seinen zahlreichen Liebesabenteuern nachzugehen. Er gab sich nicht nur keine Mühe, seine Romanzen zu verheimlichen, sondern fand es auch ganz natürlich, eine seiner Langzeitgeliebten, Domitila de Castro Canto e Melo, zur »Ersten Hofdame der Kaiserin« zu machen, die daraufhin im Familienpalast ständig mit seiner Frau und seinen Kindern verkehrte. Leopoldine ertrug die Gegenwart der Rivalin mit aller erdenklichen Würde, sodaß die Höflinge glauben mochten, sie wüßte nichts von der Affäre. Im stillen hoffte sie, Dom Pedro würde sich nach einer gewissen Zeit wieder der eigenen Familie zuwenden. Doch stattdessen verschlimmerte sich die Lage sogar. Den tiefsten Einriß in ihrem Gefühlsleben hinterließ