Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman - Christine von Bergen


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werden immer einsam sein, sie jagen nur sich selbst. Glücklich sein und einen anderen glücklich machen, das gibt die innere Zufriedenheit, nach der eigentlich alle suchen.«

      *

      Das Gespräch der beiden fiel wieder in eine leichtere Gangart, nachdem die Kellnerin den Schwarzwälderkirsch gebracht hatte.

      Daniel konnte wieder etwas zur Entstehungsgeschichte dieser weltberühmten Torte erzählen. Sie lachten, ja, sie alberten herum und ließen es sich schmecken. Auch Nicole, was Daniel unkommentiert, aber erfreut feststellte. Beide fühlten sich wohl in der Gegenwart des anderen. Sie waren sich ein Stück nähergekommen, nicht ihre Körper, aber ihre Herzen.

      Weit nach Mitternacht, der Biergarten hatte sich bis auf eine lustige Gruppe schon geleert, verabschiedeten sie sich auf dem Parkplatz. Sie reichten sich die Hände, gleichzeitig. Lange ließen sie sie ineinander liegen, als wollten sie sich gegenseitig etwas versprechen.

      »Morgen ist Sonntag. Hast du Lust auf einen Ausflug mit mir?«, fragte Daniel schließlich.

      »Ja, sehr gern. Wohin soll es denn gehen?«

      »Da du deine Füße schonen musst, dachte ich an eine Bootsfahrt. Was hältst du davon, wenn wir uns den Schwarzwald vom Wasser aus ansehen?«

      »Einverstanden.«

      »Ich hole dich ab. Okay?«

      Sie nickte.

      »Elf Uhr am Vormittag?«

      Wieder konnte sie nur nicken. Ihre Stimme hätte in diesem Augenblick bestimmt verraten, dass ihr vor Freude die Tränen kamen.

      Sie traten ein paar Schritte zurück. Aus der Gefahrenzone. Beide mussten all ihre Willenskraft aufbringen, um nicht einfach wieder aufeinander zuzugehen und sich zu berühren. Und auf dem Rückweg flammte in Nicole zum ersten Mal die Sehnsucht nach einem normalen Leben auf. Nach einer Beziehung, nach Zärtlichkeit, Abenden zu Zweit, nach einem Leben mit Mann und Kindern. Und dieser Mann sollte die gleiche Stärke, Lebenslust und Sinnlichkeit ausstrahlen wie Daniel.

      Als sie schließlich im Bett lag, die laue würzige Nachluft ihr Gesicht streichelte, ahnte sie, dass sie sich verliebt hatte. Sie wollte es sich nur noch nicht eingestehen. Denn wie sollte sie dieses Gefühl mit ihrem bisherigen Leben vereinbaren?

      *

      Wie jeden Morgen begann Nicole den Tag mit Kaffee und einem Vitamindrink. Doch schon eine halbe Stunde später verspürte sie Hunger. Das kannte sie nicht. Natürlich nicht, denn in ihrem normalen Leben stand sie zu dieser Zeit schon im Studio und probte. Jetzt jedoch betrachtete sie sich im Spiegel. Sie hatte Farbe bekommen. Ihr Haar war durch die Sonne noch heller geworden. Ja, sie gefiel sich in der beigefarbenen Hose und der weißen Bluse. Sie fühlte sich jetzt sogar schon ein bisschen erholt. Wie konnte das sein? Natürlich schmerzte ihr Körper noch, an der Hüfte, dem Rücken, den Knien, den Füßen, aber in ihrem Innern war ein Licht, das ihre Seele erhellte.

      Sie lächelte sich zu.

      Merkwürdig. Gleich würde Daniel sie abholen. Bei dem Gedanken an den vergangenen Abend begann ihr Herz sofort, schneller zu schlagen. Vor Aufregung bekam sie feuchte Hände. Hatte dieses Licht in ihr vielleicht einen Namen? Vielleicht Daniel?

      Sie packte ihren kleinen Rucksack und setzte sich auf die Bank vors Haus. Mit geschlossenen Lidern hielt sie ihr Gesicht der Sonne entgegen. Sie atmete die klare Luft tief ein, spürte den lauen Wind wie ein zärtliches Streicheln auf ihren Wangen. Und plötzlich stellte sie sich vor, wie es wäre, hier zu leben. Inmitten der beschaulichen Ruhe dieser wunderschönen Gegend, inmitten der Natur mit all ihren betörenden Düften.

      Verwirrt über diese Vorstellung, öffnete sie ganz schnell die Augen.

      Was sollte sie hier tun? Daniel hatte durch einen glücklichen Zufall das Sportgeschäft übernehmen können. Viele ehemalige Tänzerinnen eröffneten ein Ballettstudio. Nein, niemals, sagte sie sich. Falls sie jemals ihren Beruf aufgeben würde, wollte sie nichts mehr mit dem Ballett zu tun haben – und schon einmal gar nicht dazu beitragen, Mädchen an diesen harten Sport heranzuführen.

      Daniels Geländewagen lenkte sie von diesen Gedanken ab, die ihr Unbehagen verursachten, weil sie so neu, so ungewohnt waren. Und obendrein völlig unrealistisch. In drei Wochen würde sie wieder auf der Bühne stehen müssen.

      Sie erkannte sein Auto auf den ersten Blick, als es durch die blühenden Wiesen auf das kleine Haus zufuhr. Daniel sprang heraus. In Jeans, hellblauem Sporthemd und mit noch feuchtem Haar. Gut schaute er aus. Mit kraftvollen Schritten kam er auf sie zu. Wieder mit dem durchdringenden Blick aus seinen braunen Augen. Und wieder mit diesem besonderen Lächeln. Sie hielt den Atem an und dachte, dass dieser Mann niemals zu lächeln aufhören dürfte.

      »Grüß dich.«

      »Grüß dich«, erwiderte sie.

      Während sie sich ansahen, durchströmte sie das Gefühl von Verbundenheit und Nähe zu ihm wie eine warme Welle.

      »Geht es dir gut?«

      »Ja, es geht mir gut«, sagte sie mit einer Stimme, die leise bebte.

      Wer hatte in den vergangenen Jahren danach gefragt, ob es ihr gut ging?

      »Dann geht es mir auch gut«, meinte er. »Wollen wir fahren?«

      »Ja.« Sie spürte einen Kloß im Hals.

      Daniel hatte gerade ihr Herz berührt.

      *

      Nicole stieg in den Jeep, und Daniel ließ das Verdeck zurück, sodass ihnen der warme Fahrtwind um die Nase wehen konnte.

      »Ist es dir zu kühl?« Er sah sie von der Seite an.

      »Überhaupt nicht.« Sie lehnte den Kopf an die Stütze und schloss die Augen.

      Wie rücksichtsvoll er war!

      Sie verließen das Ruhweiler Tal in Richtung Norden. Nicht ein Wölkchen war am Himmel zu sehen. Felder, Wälder und Bauernhäuser schoben sich in gemächlichem Tempo an ihnen vorbei. Am Wegesrand wuchsen Klatschmohn und Fingerhut. Ringelblumen und Löwenzahn zauberten Farbtupfer in die Wiesen. Der laue Wind strich über das schillernde Gras. Vögel zwitscherten hell und vergnügt, als würden sie sich für die beiden jungen Leute freuen.

      Dann ging die Fahrt bergauf, durch einen kühlen Tannenwald. Die kurvenreiche Straße führte sie auf eine Hochebene, auf der Daniel anhielt. Sie stiegen aus.

      »Im Herbst wird das Plateau durch das Heidekraut zu einem lilafarbenen dichten Teppich«, erzählte er ihr.

      Dabei stand er so dicht neben ihr, dass sie seinen Duft riechen konnte. Der Duft von Zedernholz und frischer Luft. Er passte zu ihm, dem Waldarbeiter.

      Die Sicht war einzigartig. Unter ihnen lag ein lang gezogenes Tal, ihnen gegenüber erhoben sich die majestätischen Schwarzwaldberge. Und über ihnen erstreckte sich der unendlich weite, wolkenlose Himmel, zum Greifen nah.

      »Nach dem Tod meines Sportkollegen bin ich häufig hier gewesen«, sagte Daniel in ihr Schweigen hinein. »Hier ist mir klar geworden, wie klein und nichtig wir Menschen doch angesichts dieses großartigen Werkes der Natur sind. Die Berge, die Wälder, sie überdauerten Jahrhunderte und wirken in die Ewigkeit fort. Diese Einsicht hat mir auch den Mut gegeben, Schluss zu machen mit dem Sport, etwas anderes zu beginnen. Mut ist ganz wichtig, um etwas Neues anzufangen. Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber.«

      Nicole sah ihn von der Seite an. Er blickte hinüber zu den ehrwürdigen Tannen.

      Obwohl er nur vier Jahre älter als sie war, verfügte er über eine Weisheit, um die sie ihn beneidete. In diesem Augenblick wusste sie, dass die Frau, mit der Daniel einmal gemeinsam durchs Leben ging, niemals in Situationen kommen würde, in denen sie nicht mehr weiter wissen würde. Tief berührt von dieser Erkenntnis sowie gleichermaßen traurig, dass sie diese Frau nicht sein konnte, sagte sie mit belegter Stimme: »Wo liegt denn der See, den du mir zeigen willst?«

      »Dort unten.«

      Ihr Blick


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