Der Kaiser. Geoffrey Parker
Читать онлайн книгу.weigerte –, lieferte er seinem Enkel doch eine Blaupause dafür, wie er selbst mit der widerspenstigen Königin in Tordesillas fertigwerden konnte. Doch was sollte mit Aragón geschehen? Im Jahr 1509 brachte Königin Germaine Ferdinand einen Sohn zur Welt, der Johanna augenblicklich aus der Erbfolge in allen Königreichen ihres Vaters verdrängte, auch in Aragón. Jedoch starb dieser Erbe noch als Säugling. Das Paar bemühte sich um weitere Nachkommen, und Ferdinand griff sogar (wie manche Quellen berichten) auf einen »Trank« zurück, der »seine Potenz stärken« sollte. Aber ihre Ehe blieb – zu Karls großem Glück – kinderlos, und die Gefahr einer erneuten Trennung der beiden Kronen von Kastilien und Aragón war damit fürs Erste aus der Welt.22 Dennoch unterschrieb Ferdinand 1512 ein Testament, in dem er verfügte, dass nach seinem Tod »in Abwesenheit des Prinzen Karl sein Bruder Ferdinand sämtliche Vorgänge, die die Regierung [Kastiliens] betreffen, unterzeichnen und vorantreiben« solle, während sein unehelicher Sohn Alfonso, der Erzbischof von Saragossa, ähnliche Befugnisse über Aragón erhalten sollte (wie es auch schon während Ferdinands längerer Abwesenheiten geschehen war). Im Jahr darauf ging der König sogar noch weiter, indem er eine Aufteilung der Territorien vorschlug, die er selbst und Maximilian bei ihrem Tod hinterlassen würden; dabei sollte der junge Ferdinand das Herzogtum Mailand sowie die Hälfte Österreichs erhalten.23
Diese Entwicklungen beunruhigten Karls niederländische Regenten. Im Juli 1515 versicherte Chièvres König Ferdinand, Karl werde alles tun, »wozu ein guter und gehorsamer [Enkel-]Sohn verpflichtet ist«; jedoch, fügte er mit kaum verhohlener Drohgebärde hinzu, »bitte ich Euch untertänigst, Sire, dass Ihr unsere Gefälligkeit gnädigst erwidert und ihm [d. i. Karl] keine Gelegenheit bietet, sich anders zu verhalten, was ihn auch zutiefst unglücklich machen würde«. Drei Monate später alarmierte eine neuerliche Entwicklung die Regenten: Ihnen kam zu Ohren, dass die Gesundheit des Königs »nachließ, sodass man schon fürchtete, er werde nicht mehr lange leben«. Chièvres beschloss, Karls Lehrer und Berater Adrian von Utrecht loszuschicken, um »mit dem König von Aragón einige wichtige und geheime Angelegenheiten, die hier nicht genauer erläutert werden müssen«, zu besprechen – nämlich dass, sollte Ferdinand sterben, Adrian die Cortes in Karls Namen einberufen und »unser Anrecht auf die Nachfolge in den beiden Königreichen erklären« werde.24
Es gelang Adrian schließlich, eine Abmachung mit Ferdinand zu treffen: Der König willigte ein, Karl als seinen Alleinerben einzusetzen und die Cortes der einzelnen Königreiche zum Treueeid auf ihn zu verpflichten; er versprach weiterhin, seinen Enkel Ferdinand in die Niederlande zu schicken, sobald Karl diese verlassen würde; und er stimmte zu, zumindest einen Teil der Ländereien und Einkünfte zurückzugeben, die man den nach Brüssel geflohenen Anhängern König Philipps abgenommen hatte. Im Gegenzug bekräftigte Adrian, dass Karl zu gegebener Zeit umgehend nach Spanien kommen und (anders als sein Vater vor ihm) keine ausländischen Truppen mitbringen werde; dass Karl aber, bis es so weit sein würde, »dem König gestatten werde, die Regierung von Kastilien in seinen Händen zu behalten«, und zudem anbot, all jene von seinem Hof zu verstoßen, die Ferdinand zu seinen Feinden zählte.25 Im Dezember 1515 konnte Adrian einem Freund gegenüber prahlen, er habe Karl »besser, als es den meisten von meinem Stand und Status wohl gelungen wäre«, gedient, und zog sich dann unverzüglich in das Kloster Santa María de Guadelupe zurück, um dort Weihnachten zu feiern, wobei er den jungen Ferdinand mit sich nahm. Der König brach unterdessen nach Sevilla auf, um dort ein Landungsheer aufzustellen, mit dem er zu einem weiteren Kreuzzug nach Nordafrika aufbrechen wollte.26
Dann jedoch verschlechterte sich Ferdinands Gesundheitszustand schlagartig. Das verschaffte ihm »triftige und dringende Gründe, für die gute Regierung [seiner Reiche] zu sorgen«, und er diktierte und unterzeichnete am 22. Januar 1516 ein neues Testament. Obwohl er darin Johanna als seine Alleinerbin einsetzte (mit Karl als ihrem Nachfolger), hielt er zugleich fest, dass Johanna »nach allem, was wir haben herausfinden können, vollkommen außerstande ist, Verständnis aufzubringen für die Regierung von Königreichen, wozu ihr auch die nötige Veranlagung fehlt«. Deshalb »benennen wir den überaus erlauchten Prinzen Karl, unseren innig geliebten Enkelsohn, zum alleinigen Regenten aller unserer Königreiche und Herrschaften, die er im Namen der durchlauchtigsten Königin, seiner Mutter, regieren und erhalten, leiten und verwalten soll«. Für die Zeit bis zu Karls Ankunft ernannte Ferdinand außerdem seinen Sohn, den Erzbischof von Saragossa, zum Statthalter in Aragón und Kardinal Cisneros zum Statthalter in Kastilien. Beide wurden ermächtigt, »zu tun, was wir während der Zeit unserer Regierung getan haben und hätten tun sollen«. Am Tag darauf starb der König.27
Ferdinand brach also die Abmachung, die er einen Monat zuvor mit Adrian getroffen hatte. Anstatt Karl zu seinem Nachfolger als König zu bestimmen, hatte er ihn lediglich zum Regenten (wenn auch zum alleinigen Regenten) in Johannas Namen ernannt; außerdem sollten bis zu Karls Ankunft in Spanien Männer das Zepter übernehmen, die Karl nicht kannte. Um diese verfahrene Situation noch komplizierter zu gestalten, berief der junge Ferdinand, sobald er vom Tod seines Großvaters erfuhr und »weil er von der Änderung in dem Testament [von 1512] des Katholischen Königs nichts wusste und deshalb glaubte, er sein nun Regent«, den Kronrat nach Guadelupe ein und begann, in seinem eigenen Namen Befehle zu erteilen. Adrian setzte Ferdinand schleunigst von dem Gesinnungswandel seines Großvaters in Kenntnis und teilte ihm mit, Karl habe ihn, nicht Cisneros, für den Fall von Ferdinands Tod zum Regenten von Kastilien bestellt; aber dann traf Cisneros selbst in Guadelupe ein und die Situation wurde noch einmal komplizierter. Der Kardinal protestierte sofort, die Gesetze von Kastilien (und auch jene von Aragón) sähen für die Regierungsfähigkeit ein Mindestalter von zwanzig Jahren vor, das die Prinzen erst noch zu erreichen hätten; und ohnehin seien ja Karl die einschränkenden Änderungen am Testament seines Großvaters noch überhaupt nicht bekannt. »Über diese Unstimmigkeiten gab es zahlreiche Diskussionen«, bis »man sich schließlich darauf einigte, den Prinzen selbst nach seiner Meinung zu fragen, damit er anordnen konnte, was seinem Willen entsprach«. Cisneros und Adrian sollten »gemeinsam regieren und Dokumente unterzeichnen, was sie dann fürs Erste auch taten«. Wie José Martínez Millán angemerkt hat, lief das Vorgehen des Kardinals in Guadelupe »auf einen lupenreinen Coup d’État hinaus«. Anschließend brach Cisneros, begleitet von Adrian, dem jungen Ferdinand und den Mitgliedern des Rates von Kastilien, nach Madrid auf, von wo aus das Königreich während der nächsten zwanzig Monate administriert werden sollte.28
Das Interregnum
Die Nachricht von König Ferdinands Tod und eine Abschrift seines Testaments erreichten Brüssel am 8. Februar 1516. Karl ordnete unverzüglich eine »ununterbrochene Trauer von sechs Wochen an«, die in allen Kirchen der Niederlande gehalten werden sollte, »genau wie es nach dem Tod des verstorbenen Königs, meines Vaters, war«. Außerdem schrieb er einen Brief an seinen Bruder Ferdinand – den er ja noch nie persönlich getroffen hatte – und sprach ihm sein Beileid aus angesichts der »Einsamkeit und Trauer«, die er nun empfinden müsse, und versicherte ihm, er habe »in uns nicht nur Euren einzigen Bruder gewonnen, sondern auch (wie Ihr sehen werdet) einen treu sorgenden Vater«.29 Dies war der leichte Teil gewesen: Die wahre Herausforderung stellte sich Karl mit der Frage, wie er mit Cisneros’ Staatsstreich umgehen sollte. Immerhin entband die Täuschungsabsicht seines Großvaters Karl davon, sich an sein eigenes Versprechen zu halten und alle spanischen Flüchtlinge (die wegen ihrer Unterstützung für Karls Vater Philipp als »Felipistas« bekannt waren) von seinem Hof zu entfernen. Zu diesem Zeitpunkt gab es knapp fünfzig davon, und fast alle von ihnen waren junge Abkömmlinge spanischer Patrizier- oder Adelsgeschlechter (wie etwa Juan de Zúñiga, in dessen Hände Karl später die Erziehung seines Sohns und Erben Philipp legen sollte). Keiner von ihnen führte jedoch einen Adelstitel, und nur einer trug eine Bischofsmütze: Alonso Manrique, der Bischof von Badajoz, ein ausgesprochener Unterstützer König Philipps, den Ferdinand von Aragón drei Jahre hatte einkerkern lassen, bevor ihm die Flucht in die Niederlande gelang und er sich Karl als dessen Hofkaplan anschloss. Die Felipistas, die spürten, dass nun die Zeit der Rache gekommen war, drängten Karl, den Titel »König von Kastilien« anzunehmen – ein Vorschlag, über den (wie Manrique festhielt) »der Prinz, obgleich er ja stets als ›Prinz‹ unterschreibt, nur lacht und immerfort schmunzeln muss, wenn sie ihn ›König‹ nennen«.30
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