Das Paradies der Damen. Emile Zola

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Das Paradies der Damen - Emile Zola


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In ihrer Überheblichkeit war sie nur gegen jene Angestellten freundlich, die ihr schmeichelten und in Bewunderung vor ihr erstarben. Sie hatte schwer kämpfen müssen, bis sie es zu ihrer jetzigen Stellung im »Paradies der Damen« gebracht hatte, wo sie jährlich zwölftausend Franken verdiente, und sie zeigte sich nun allen Anfängerinnen gegenüber genauso hart, wie das Leben ihr selbst mitgespielt hatte.

      »Genug!« sagte sie endlich trocken. »Sie sind nicht vernünftiger als alle anderen, Frau Frédéric ... Die Änderungen müssen sofort gemacht werden!«

      Während dieser Auseinandersetzung hatte Denise sich vom Fenster abgewandt. Sie merkte wohl, daß dies Frau Aurélie war; allein erschreckt durch ihre schroffe Stimme, blieb sie stehen und wartete. Die Mädchen, die sich freuten, daß sie die Direktrice und die Zweite in einen Streit miteinander verwickelt sahen, waren mit gleichgültiger Miene zur ihrer Arbeit zurückgekehrt. Es vergingen einige Minuten, und keine von ihnen war barmherzig genug, das junge Mädchen aus seiner Verlegenheit zu reißen. Endlich war es Frau Aurélie selbst, die Denise unbeweglich dastehen sah und fragte, was sie wünsche.

      »Ich suche Frau Aurélie.«

      »Die bin ich.«

      Denises Lippen waren trocken, ihre Hände zitterten. Sie stotterte ihre Bitte hervor und mußte noch einmal von vorn anfangen, um sich verständlich zu machen. Frau Aurélie schaute sie mit ihren großen, starren Augen an, ohne daß sich auf ihrem majestätischen Antlitz auch nur eine Spur von Milde gezeigt hätte.

      »Wie alt sind Sie?«

      »Zwanzig Jahre.«

      »Wie, zwanzig Jahre? Sie sehen aus, als wären Sie kaum sechzehn!«

      Die Verkäuferinnen hoben die Köpfe, um diesem Verhör zu folgen. Denise beeilte sich hinzuzufügen:

      »Aber ich bin sehr kräftig.«

      Frau Aurélie zuckte die breiten Schultern, dann erklärte sie kühl:

      »Mein Gott, ich werde Sie vormerken. Wir schreiben jede auf, die sich vorstellt. Fräulein Marguerite, geben Sie mir die Liste.« Man fand sie nicht sogleich; sie müsse wohl noch beim Inspektor Jouve sein, hieß es. Während Marguerite fortging, die Liste zu holen, erschien Mouret und hinter ihm Bourdoncle. Sie hatten auch im Zwischenstock ihren Rundgang gemacht und schlössen nun mit der Konfektionsabteilung ab. Frau Aurélie trat mit ihnen beiseite und erwähnte eine Mantelbestellung, die sie bei einem Pariser Großunternehmer aufzugeben gedachte. Gewöhnlich kaufte sie auf eigene Verantwortung ein; bei bedeutenderen Posten dagegen zog sie es vor, sich mit der Geschäftsleitung zu besprechen. Bourdoncle benützte die Gelegenheit, um ihr vom neuesten Schnitzer ihres Sohnes Albert zu berichten. Sie schien ganz verzweifelt: dieses Kind werde noch ihr Tod sein. Mouret hatte mittlerweile die Anwesenheit Denises bemerkt und beugte sich zu Frau Aurélie, um sie zu fragen, was das Mädchen hier wolle. Als die Direktrice erwiderte, sie habe sich als Verkäuferin beworben, war Bourdoncle in seiner gewohnten Geringschätzung für alles Weibliche höchst erstaunt über diese Anmaßung.

      »Das kann doch nur ein Scherz sein!« flüsterte er. »Sie ist ja viel zu häßlich.«

      »Schön ist sie nicht, das stimmt«, sagte Mouret. Er wagte nicht, sie in Schutz zu nehmen, obgleich er durch ihr Staunen vor seiner Dekoration unten für sie eingenommen war.

      Man brachte jetzt die Liste, und Frau Aurélie kam zu Denise zurück. Diese machte in der Tat keinen günstigen Eindruck. Sie wirkte zwar sehr sauber in ihrem dünnen schwarzen Wollkleid, und man nahm an der Ärmlichkeit ihres Aufzugs auch keinen Anstoß, denn das übliche Seidenkleid der Verkäuferinnen wurde von der Firma gestellt; allein sie sah zu zart aus, und ihr Gesicht war gar zu traurig. Die Verkäuferinnen mußten nicht gerade hübsch sein, aber es war doch wünschenswert, daß sie eine angenehme Figur machten. Unter den Blicken der Damen und Herren, die sie musterten und mit den Augen abschätzten wie eine Stute, um welche die Bauern auf dem Jahrmarkt feilschen, verlor Denise vollends die Fassung.

      »Wie heißen Sie?« fragte die Direktrice.

      »Denise Baudu.«

      »Ihr Alter?«

      »Zwanzig Jahre und vier Monate.«

      Sie wagte es, die Augen zu Mouret zu erheben, den sie in allen Abteilungen mit der gleichen Autorität hatte auftreten sehen und dessen Anwesenheit sie in Verlegenheit setzte; unbeholfen fügte sie hinzu:

      »Ich bin recht kräftig, wenn ich auch nicht danach aussehe.«

      Alles lächelte.

      »In welchem Haus haben Sie in Paris gearbeitet?« fragte die Direktrice.

      »Ich bin eben erst aus Valognes angekommen.«

      Das war ein neues Mißgeschick. Gewöhnlich verlangte man beim »Paradies der Damen«, daß die Verkäuferinnen mindestens ein Jahr in einer Pariser Firma gearbeitet hatten. Denise glaubte, nun sei alles verloren; und wären die beiden Brüder nicht gewesen, für die sie Geld verdienen mußte, sie wäre sicherlich davongelaufen, um diesem nutzlosen Verhör ein Ende zu machen.

      »Wo waren Sie in Valognes?«

      »Bei Cornaille.«

      »Den kenne ich, das ist eine gute Firma«, bemerkte Mouret. Gewöhnlich enthielt er sich bei der Einstellung von Verkäufern oder Verkäuferinnen jeder Einmischung, denn die Abteilungsleiter waren für ihr Personal verantwortlich. Aber mit seinem feinen Sinn für Frauen spürte er bei diesem Mädchen einen verborgenen Reiz heraus, dessen sie sich selbst nicht bewußt war.

      Der gute Ruf des Hauses, aus dem ein Anfänger kam, war von großer Bedeutung und oft entscheidend für die Aufnahme. Frau Aurélie fuhr mit milderer Stimme fort:

      »Warum sind Sie von Cornaille weggegangen?«

      »Aus Familienrücksichten«, erwiderte Denise errötend. »Wir haben unsere Eltern verloren, ich mußte mich meiner Brüder annehmen. Übrigens habe ich hier ein Zeugnis.«

      Das Zeugnis war ausgezeichnet. Schon begann sie zu hoffen, als eine letzte Frage sie in Verlegenheit setzte.

      »Können Sie uns in Paris irgendwelche Empfehlungen nennen? Wo wohnen Sie?«

      »Bei meinem Onkel«, flüsterte sie, zunächst ohne den Namen zu nennen, denn sie fürchtete, daß man die Nichte eines Konkurrenten niemals einstellen werde. »Bei meinem Onkel Baudu gegenüber«, sagte sie endlich.

      Da konnte sich Mouret nicht länger enthalten dreinzureden.

      »Wie, Sie sind die Nichte Baudus? Hat Baudu Sie geschickt?«

      »Oh nein!«

      Sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, so seltsam erschien ihr die Frage. Im gleichen Augenblick war sie wie umgewandelt, ihr Gesicht bekam Farbe, und das Lächeln auf ihren Lippen schien ihr ganzes Wesen erschlossen zu haben. Ihre grauen Augen gewannen einen zarten Schimmer, allerliebste Grübchen erschienen auf ihren Wangen, selbst ihre schweren blonden Haare wirkten heiter und duftig.

      »Sie ist ja sogar hübsch!« bemerkte Mouret leise zu Bourdoncle.

      Dieser machte eine ablehnende Geste. Claire schürzte die Lippen, während Marguerite sich abwandte. Frau Aurélie allein schien gewonnen und stimmte mit einem Kopfnicken Mouret zu, als dieser fortfuhr:

      »Es ist nicht recht


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