Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare

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Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare


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O betrübter Tag!

      GRÄFIN CAPULET

       O weh, o weh! Mein Kind, mein einzig Leben!

       Erwach, leb auf, ich sterbe sonst mit dir!

       O Hülfe, Hülfe! Ruft doch Hülfe!

       Capulet kommt.

      CAPULET

       Schämt euch! Bringt Julien her! Der Graf ist da.

      WÄRTERIN

       Ach sie ist tot, verblichen, tot! O wehe!

      GRÄFIN CAPULET

       O wehe, wehe, sie ist tot, tot, tot!

      CAPULET

       Laßt mich sie sehn! - Gott helf uns! Sie ist kalt,

       Ihr Blut steht still, die Glieder sind ganz starr,

       Von diesen Lippen schied das Leben längst,

       Der Tod liegt auf ihr, wie ein Maienfrost

       Auf des Gefildes schönster Blume liegt.

       Fluch dieser Stund! Ich armer alter Mann!

      WÄRTERIN

       O Unglückstag!

      GRÄFIN CAPULET

       O jammervolle Stunde!

      CAPULET

       Der Tod, der mir sie nahm, mir Klagen auszupressen,

       Er bindet meine Zung und macht sie stumm.

       Bruder Lorenzo, Graf Paris und Musikanten treten auf.

      LORENZO

       Kommt! Ist die Braut bereit zur Kirch zu gehn?

      CAPULET

       Bereit zu gehn, um nie zurückzukehren. -

       O Sohn, die Nacht vor deiner Hochzeit buhlte

       Der Tod mit deiner Braut. Sieh, wie sie liegt,

       Die Blume, die in seinem Arm verblühte.

       Mein Eidam ist der Tod, der Tod mein Erbe;

       Er freite meine Tochter. Ich will sterben,

       Ihm alles lassen; wer das Leben läßt,

       Der läßt dem Tode alles.

      PARIS

       Hab ich nach dieses Morgens Licht geschmachtet,

       Und bietet es mir solchen Anblick dar?

      GRÄFIN CAPULET

       Unseliger, verhaßter, schwarzer Tag!

       Der Stunden jammervollste, so die Zeit

       Seit ihrer langen Pilgerschaft gesehn.

       Nur eins, ein einzig armes, liebes Kind,

       Ein Wesen nur, mich dran zu freun, zu laben -

       Und grausam riß es nun der Tod mir weg!

      WÄRTERIN

       O Weh! O Jammer - Jammer - Jammertag!

       Höchst unglückselger Tag, betrübter Tag!

       Wie ich noch nimmer, nimmer einen sah,

       O Tag, o Tag, o Tag, verhaßter Tag!

       Solch schwarzen Tag wie diesen gab es nie.

       O Jammertag, o Jammertag!

      PARIS

       Berückt, geschieden, schwer gekränkt, erschlagen!

       Fluchwürdger, arger Tod, durch dich berückt!

       Durch dich so grausam, grausam hingestürzt!

       O Lieb, o Leben! Nein, nur Lieb im Tode!

      CAPULET

       Verhöhnt, bedrängt, gehaßt, zermalmt, getötet!

       Trostlose Zeit, deswegen kamst du jetzt,

       Zu morden, morden unser Freudenfest! -

       O Kind, Kind! Meine Seel und nicht mein Kind!

       Tot bist du? Wehe mir, mein Kind ist tot,

       Und mit dem Kinde starben meine Freuden.

      LORENZO

       Still! Hegt doch Scham! Solch Stürmen stillet nicht

       Des Leidens Sturm. Ihr teiltet mit dem Himmel

       Dies schöne Mädchen, nun hat er sie ganz,

       Und um so besser ist es für das Mädchen.

       Ihr konntet euer Teil nicht vor dem Tod

       Bewahren; seins bewahrt im ewgen Leben

       Der Himmel. Sie erhöhn war euer Ziel,

       Eur Himmel wars, wenn sie erhoben würde;

       Und weint ihr nun, erhoben sie zu sehn

       Hoch über Wolken, wie der Himmel hoch?

       O wie verkehrt doch euer Lieben ist!

       Verzweifelt ihr, weil ihr sie glücklich wißt?

       Die lang vermählt lebt, ist nicht wohl vermählt;

       Wohl ist vermählt, die früh der Himmel wählt.

       Hemmt eure Tränen, streuet Rosmarin

       Auf diese schöne Leich, und nach der Sitte

       Tragt sie zur Kirch in ihrem besten Staat.

       Denn heischt gleich die Natur ein schmerzlich Sehnen,

       So lacht doch die Vernunft bei ihren Tränen.

      CAPULET

       Was wir nur irgend festlich angestellt,

       Kehrt sich von seinem Dienst zu schwarzer Trauer.

       Das Spiel der Saiten wird zum Grabgeläut,

       Die Hochzeitlust zum ernsten Leichenmahl,

       Aus Feierliedern werden Totenmessen,

       Der Brautkranz dient zum Schmucke für die Bahre

       Und alles wandelt sich ins Gegenteil.

      LORENZO

       Verlaßt sie, Herr; geht mit ihm, gnädge Frau;

       Auch Ihr, Graf Paris: macht euch alle fertig,

       Der schönen Leiche hin zur Gruft zu folgen.

       Der Himmel zürnt mit euch um sündge Tat;

       Reizt ihn nicht mehr, gehorcht dem hohen Rat.

       Capulet, Gräfin Capulet, Paris und Lorenzo ab.

      ERSTER MUSIKANT

       Mein Seel, wir können unsre Pfeifen auch nur einstecken und uns packen.

      WÄRTERIN

       Ihr guten Leute, ja, steckt ein, steckt ein!

       Die Sachen hier sehn gar erbärmlich aus.

       Ab.

      [ZWEITER] ERSTER MUSIKANT

       [zeigt auf sein Instrument.] Ja, meiner Treu, die Sachen hier könnten wohl besser aussehen, aber sie klingen doch gut. [Im Original bezieht der Musiker den Ausspruch der Amme aufgrund der Doppeldeutigkeit des Wortes »case« (Sache, Kasten) auf den Kasten für sein Instrument: »Ja, bei meiner Treu, den Kasten kann man doch ausbessern.«]

      PETER

       O Musikanten, Musikanten, spielt:

       »Frisch auf, mein Herz! Frisch auf, mein Herz, und singe!«

       O spielt, wenn euch mein Leben lieb ist, spielt:

       »Frisch auf, mein Herz!«

      ERSTER MUSIKANT

       Warum: »Frisch auf, mein Herz?«

      PETER

       O Musikanten, weil mein Herz selber spielt: »Mein Herz voll Angst und Nöten.« O spielt mir eine lustige Litanei, um mich aufzurichten.

      [ZWEITER]


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