Das Erbe. Wolfgang Ziegler

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Das Erbe - Wolfgang Ziegler


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er aus dem kleinen Schienenfahrzeug. Er ließ den Strahl des Handscheinwerfers in beide Richtungen des Fahrtunnels leuchten, stellte aber nur Leere und allgegenwärtige Verlassenheit fest. Und kein Laut drang an seine Ohren. Eine unmittelbare Gefahr bestand offenbar nicht. Vielleicht hatte nur das Stromversorgungssystem eben gerade dieser Strecke seinen Geist aufgegeben. Das war zwar unangenehm, aber es gäbe Schlimmeres. Da mußte er eben den verbliebenen Rückweg zu Fuß antreten. Mit pochendem Herzen machte sich Wolf auf seinen unheimlichen Marsch.

      Ihm war alles andere als wohl zumute. Der Rucksack mit dem wertvollen Inhalt war sicher auf den Rücken geschnallt. Den Scheinwerfer noch fester haltend, lief er eilig in den dunklen Tunnel hinein. Zurück blieb die verlassene Draisine, die nun als technisches Relikt an die Unzulänglichkeit menschlichen Tuns zu mahnen schien. Bald hatte sie die Dunkelheit verschluckt. Der Schein-werferstrahl tastete über feuchte Wände und über die funkelnden Schienenköpfe der Gleise. Wolf schritt zügig aus, wollte er doch so schnell wie möglich aus den ihm langsam anrüchig werdenden Bereichen gelangen. Schließlich sollte auch das von ihm geborgene Material schnellstens in Sicherheit gebracht werden. Eine Art leises Zischen ließ ihn plötzlich wie angewurzelt erstarren. Es kam aus der Dunkelheit des vor ihm liegenden Tunnelabschnitts und wurde zunehmend lauter und deutlicher ... Wolf spürte, wie ihm eine Gänsehaut über den Rücken kroch. Er schmiegte sich dicht an die Wand. Da sah er ganz nah den Seitengang. Mit ein paar schnellen Schritten hatte er ihn erreicht und sich darin verborgen. Er löschte die Handlampe und starrte angespannt in die Finsternis. In der Hand hielt er schußbereit die entsicherte Pistole ...

      Die Anlage aktivierte sich noch immer. Schützende Metallplatten schoben sich geräuschlos von Sensoren weg, Waffenläufe fuhren aus versteckten Öffnungen der menschenleeren Tunnel- und Hallenwände heraus. Zusätzliche Kameraaugen, gekoppelt mit Bewegungsmeldern und Beleuchtungstechnik, richteten ihre Objektive vorsorglich in die Tiefe ausgedehnter Gänge. Unbemannte automatische Draisinen rollten aus verborgenen Abstellplätzen heraus und machten sich auf ihre gespenstisch-einsame Fahrt, die der direkten Kontrolle endlos langer Fahrtunnels diente. Diese speziell gepanzerten Roboterfahrzeuge zogen sehr schnell über die schmalen Gleise. An Bord hatten auch sie Kameras und von diesen gesteuerte Waffen. Ihr Fahrgeräusch glich dabei eher einem Zischen, mit dem sie über die Schienen hinjagten.

      Wolf sah vom Tunnelbogen des Seitenganges aus das kleine dunkle Gefährt wie ein Gespenst aus dem Dunkel heranjagen und mit dem merkwürdigen Geräusch schnell vorbeifahren. Voller Schrecken dachte er daran, was wohl die Ursache dieser unheimlichen Begegnung sein könnte. Der Fahrstrom für seine Draisine war schließlich weg gewesen. Aber dieses offensichtlich automatische Fahrzeug hatte Strom. Oder lief es eventuell mit Akkus? Aber warum zog es plötzlich hier so schnell entlang? Eine Person war jedenfalls nicht an Bord gewesen. Und wie es gebaut war, konnte er auch keine Sitze oder ähnliches erkennen, was auf einen Personentransport hätte schließen lassen. Es dauerte nur Sekunden, da dröhnte eine schwere Salve durch den Tunnel. Es waren die Schüsse aus einer großkalibrigen Maschinenkanone, mit denen Wolf‘s stehen-gebliebene Draisine zerstört wurde. Deren Trümmer krachend und funkensprühend beiseite fegend, setzte das unbemannte Fahrzeug seine Fahrt ins Dunkel fort.

      Wolf lag am Boden. Er hatte automatisch Deckung genommen. Nun wußte er überhaupt nicht mehr, was plötzlich vor sich ging. ‚Raus‘, dachte er nur. ‚Ich muß so schnell wie möglich hier raus!‘ Er begann die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Eine wilde Flucht durch diesen Tunnel könnte zum tödlichen Verhängnis werden. Kam das Ding vielleicht zurück gerast, konnte er schnell das Opfer der Salven werden. Nicht überall öffnete sich schließlich ein rettender Quergang. Wie die Sache lag, mußte er es sowieso mit diesem versuchen. Der andere war lebensgefährlich geworden. Auch wenn er dabei wahrscheinlich weit vom eigentlich geplanten Rückzugsweg abkam. Wieder etwas Mut fassend marschierte er los ...

      Erschöpft ließ Hahnfeld sich schließlich in den Sessel fallen. Gerade jetzt mußte es hier zu einem Zwischenfall kommen. Jahrelang war Ruhe gewesen. Nie hatte die Anlage selbst Probleme bereitet. Er konnte den erhöhten Sicherheitszustand nicht endlos beibehalten. In wenigen Stunden trafen die Leute ein, die das wichtigste bewegliche Objekt in der Basis abholen würden. Die versiegelte Botschaft, von Pawlek im toten Briefkasten hinterlegt, war eindeutig. Es ging nun hier zu Ende. Eigentlich müßte er jetzt den Hangar und die dort befindliche ungewöhnliche Technik kontrollieren. Was sollte er tun? Wenn das Kommando kam, konnte er nicht wie ein Depp hier sitzen und erzählen, daß es eben gerade zu Problemen mit irgendwelchen Roboterapparaturen gekommen war und sie sich nicht ungefährdet durch die Tunnels und Hallen wagen könnten. Hahnfeld fluchte, und die Zeit strich hin. Erneut gingen Signallampen auf dem Pult an. Sie zeigten aber nur, daß alle Sicherheitssysteme den erhöhten Bereitschaftszustand nun erreicht hatten und einwandfrei funktionierten.

      Endlich erhob sich der Kommandant, nahm eine Maschinenpistole aus dem Waffenständer und versah sich zusätzlich mit einigen Handgranaten und etlicher Munition. Dann machte sich auf seinen gefährlichen Weg. ‚Durch Wände und stählerne Schotten werden sie wohl nicht gehen können, diese verdammten Viecher‘ überlegte er, während er sich zu einem abgelegenen Seitengang begab, dessen gepanzertes Zugangsschott halb verborgen im düsteren Halbrund der mit zahlreichen Anlagen verbauten Aggregatehalle lag, die sich direkt an die eigentliche Zentrale anschloß. Der Labortrakt, in dessen Ebene es zu dem unangenehmen Zwischenfall gekommen war, lag von hier noch immer weit entfernt. Außerdem befand er sich in einer ganz anderen Etage. Zwar gab es in bestimmten Schächten auch stählerne Treppen, aber die Zugänge waren nun alle hermetisch verschlossen. Das Übel könnte nach menschlichem Ermessen nicht weit von seinem ursprünglichen Aufenthaltsort entweichen, doch völlig sicher war Hahnfeld da keineswegs ...

      „Diese verfluchten Wissenschaftler ...“, murmelte er leise vor sich hin. Es nutzte nichts, er mußte dringend wenigstens einen Blick in den Hangar tief in der basaltischen Bergkuppe werfen.

       Das Geheimnis der Bergkuppe

      Ungehindert erreichte Hahnfeld durch den kurzen Tunnel hinter der Panzertür einen mächtigen Aufzugschacht. Er betätigte wiederum in bestimmter Reihenfolge eine Zifferntafel, die ihm erst nach Eingabe des richtigen Codes Zugang zur Fahrstuhlsteuerung gewährte. Brummend kam die als Schwerlastlift ausgelegte Transportplattform aus der dunklen Tiefe nach oben gefahren und hielt. Hahnfeld zerrte das Metallgopf der Innensteuerung. Ruckend setzte sich der Aufzug wieder in Bewegung. Es ging aufwärts. Die Fahrt dauerte nur wenige Minuten, in denen sich der Fahrkorb in Richtung Bergspitze bewegte. In der obersten Etage angekommen, öffnete Hahnfeld wieder die Gittertür und betrat erneut einen kleinen Tunnel. In diesem brannte eine spärliche Notbeleuchtung. Vorsichtig ging er in Richtung einer weiteren massiven Stahltür, die nach etwa zehn Metern am Ende des Ganges in der Wand eingelassen war. Der Kommandant betätigte wiederum ein durch Zahlencode gesichertes Schloß. Die Tür fuhr diesmal automatisch zur Seite. Mit der Handlampe leuchtete er in die sich aufgetane Öffnung hinein, bevor er selbst in die hinter der Tür liegende Halle eintrat. Im Schein der Lampe konnte er nichts Auffälliges feststellen. Dennoch setzte er seinen Weg sehr vorsichtig fort. Die Halle, die er jetzt betrat, war eine Art hoher Felsendom, der tief und sicher in der Bergkuppe lag. Vorsichtig tastete er nach den Schaltern, die nahe des Türschotts in der Felswand eingelassen waren. Sekunden später flackerte eine gedämpfte Deckenbeleuchtung auf.

      Ihr Licht fiel auf den dunklen, mit stumpfen Tarnfarben gestrichenen und mit alten Hoheitszeichen versehenen Rumpf der Flugscheibe, die in diesem unterirdischen Hangar stand. Der Kommandant schaute sich noch einmal aufmerksam um, bevor er in respektvollem Abstand das ungewöhnliche Fluggerät umrundete. Die ganze Zeit tastete der helle Strahl seiner Handlampe das kreisförmige Aggregat ab. Die Scheibe stand auf einem breiten Sockel aus Beton. Sie hatte einen Durchmesser von sicher weit über 50 Metern. Über ihrem eigentlichen scheibenförmigen Grundkörper erhob sich ein konischer Sockel, in dem sich mit Stahlklappen verdeckte Luken abzeichneten. In diesem Bereich befand sich auch der Einstieg. Er besaß zwar den Schlüssel, mit dem er das ungewöhnliche Fluggerät zumindest hätte betreten können, doch im Augenblick sah er sich erst noch genauer in der riesigen Felsenhalle um. An ihren Wänden erhoben zahlreiche Schaltschränke, Bedienungspulte und andere technische Einrich-tungen. In einem Winkel türmten sich in hohen Regalen verschiedenste Ausrüstungsgegenstände, Proviantkisten und zahlrei-che Kleinteile,


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