Das Erbe. Wolfgang Ziegler

Читать онлайн книгу.

Das Erbe - Wolfgang Ziegler


Скачать книгу
„Eisvogel an Basis, Eisvogel an Basis, kommen ...“

      Dies waren die ersten Worte, die über die ausgeklügelte geheime Sprechverbindung das zentrale Kontrollpult tief im Berg erreichten und dort gleichzeitig an verschiedenen Stellen für das hektische Aufleuchten von Signallampen sorgten. Eben glitt der Lastenaufzug wieder hinab. Hahnfeld entledigte sich noch in ihm der Schutzbekleidung, als der Lift ruckend zum Halten kam. Hastig zerrte er die Gittertür auf und hörte nach Verlassen des sich anschließenden kurzen Tunnels schon undeutlich die Worte aus dem Lautsprecher, des noch entfernten Kontrollpultes. Eilig schaute er auf seine Armbanduhr. „Verflucht, die Zeit ist tatsächlich schon heran“, knurrte er. „Was hab‘ ich mich doch vertan“.

      „Basis an Eisvogel, Basis an Eisvogel, habe verstanden. Geben Sie Kennwort!“ Hohl schallten die Worte aus der Sprechanlage, vor der Hase und sein Kamerad erwartungsvoll standen.

      „Thor“, sagte Hase laut und deutlich in den Kasten. Und nochmals: „Thor ...“

      „Verstanden, passieren Sie“, kam etwas krächzend die Antwort. Unmittelbar nach diesen Worten begann sich knirschend ein bis dahin unsichtbares türartiges Wandsegment in der Halle zu verschieben und gab einen beleuchteten Personentunnel frei.

       „Eisvogels“ Ankunft

      Wolf passierte dunkle Tunnel, enge Gänge und paßte immer wieder auf, daß ihm unangenehme Überraschungen erspart blieben. Längst wußte er nicht mehr genau zu sagen, in welcher Richtung er sich bewegte. Laut seines Planes konnte er nur ungefähr mutmaßen, daß er sich in einer Art Rondell im Abstand um die mutmaßliche Zentrale der Anlage bewegte. Bislang hatte er noch keine Möglichkeit gefunden, wieder nach oben zu gelangen. Die finsteren, geheimnisvollen Gänge, die er nun passierte, boten kein Trep-penhaus, keinen Schacht oder dergleichen. Langsam begann er sich ernsthaft zu sorgen. Irgendwie mußte er doch schließlich wieder auf eine höher gelegene Ebene gelangen, wollte er überhaupt das Tageslicht wiedersehen. Doch es ging weiterhin nur in horizontaler Richtung vorwärts. Er durchquerte eine Halle. In dieser stan-den, soweit es ihm der langsam schwächer werdende Schein der Handlampe erkennen ließ, irgendwelche Fahrzeuge. In ihrem Licht glänzten deren Karosserieteile matt. Es war eine Reihe kleiner, dunkler Opel und einige Kübelwagen. Am Boden dieser Halle tauchten jetzt auch wieder Schienen auf. Das plötzlich hörbare leise Brummen eines Pkw-Motors ließ Wolf jäh erstarren. Ein Abglanz fernen, aber sich zügig nähernden Scheinwerferlichts funkelte schon über die Metallteile der abgestellten Technik. Nun galt es, sich so gut wie unsichtbar zu machen! Tief geduckt lief er hinter die abgestellten Fahrzeuge. Am liebsten wäre er direkt unter sie gekrochen. Doch er wollte ja noch etwas mitbekommen von dem, was sich bestimmt gleich hier abspielen würde. Mit größter Spannung verfolgte er, wie nur kurze Zeit später ein dunkler Personenwagen in die Halle rollte. Zwei Männer stiegen vorsichtig aus und sicherten sich gegenseitig mit kleinen Maschinenpistolen. Dann brachten sie an der Hallenwand eine Art technisches Gerät an, auf das sich Wolf im Moment keinen Reim machen konnte. Er überlegte noch fieberhaft, wie es den beiden wohl möglich war, mit einem Auto in die Anlage zu gelangen, als einer der beiden Männer einige Worte in das soeben an die Wand installierte Gerät sprach, die Wolf allerdings nicht verstehen konnte. Irgendjemand schien zu antworten. Der zweite Mann stand die ganze Zeit mit dem Rücken zur Wand. Er sicherte, die Waffe im Anschlag, in das Dunkel der Halle hinein. Wolf kauerte hinter einem tarnfarbenen Kübelwagen und wagte kaum Luft zu holen. Nochmals fielen ein paar Worte. Der Mann an dem Gerät, das offensichtlich eine nun komplette Wechselsprechanlage darstellte, deren zweites Teil die unbekannten Besucher mitbrachten, nickte seinem Begleiter zu. Beide traten etwas in die Halle zurück, als sich leicht knirschend ein Wandteil öffnete und einen mit warmen Lampenlicht erfüllten Gang freigab. Abermals sicherten die Unbekannten, bevor sie in der aufgetanen Öffnung verschwanden. Erneut ein schleifendes Geräusch. Dann war die rauhe Betonwand wieder völlig unscheinbar. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, daß an dieser Stelle eine verborgene Tür lag. Nur der Metallkasten glänzte etwas auffällig im Gewirr der schmalen Alurohre und Verteilerdeckel, die hier an der Hallenwand angebracht und mit einer Staubschicht bedeckt waren.

      Wolf erhob sich. Sein Blick wurde geradezu magisch von dem Auto angezogen, das so überraschend vor seinen Augen erschien. Um die geheimnisvollen Ankömmlinge machte er sich erstmal keine weiteren Gedanken, obwohl es eine überaus interessante Geschichte zu sein schien. Hier lief auf jeden Fall etwas ab, wohinein er seine Nase auf keinen Fall stecken wollte. Sein Bestreben war es ja nun, die Anlage so schnell wie möglich zu verlassen. Das Auto war offen. Auf der hinteren Sitzbank lagen zwei Rucksäcke mit irgendwelchen Ausrüstungsgegenständen und wenigen persönlichen Sachen. Im Zündschloß steckte jedoch kein Schlüssel. Das war nicht weiter schlimm. Wolf hätte den Wagen auch so zum Starten gekriegt. Doch was war, wenn die Unbekannten kurzfristig zu ihrem Fahrzeug zurückkehrten. Sein Fehlen würde sie in höchste Alarmbereitschaft versetzen und sicher eine sofortige Suche zur Folge haben. Wenn es ihm bis dahin nicht gelingen würde, die unterirdische Anlage zu verlassen und am besten noch Stunden weit weg zu gelangen, würde dies die schlimmsten Konsequenzen haben. Kurz entschlossen warf er die Fahrertür wieder zu und eilte zielstrebig in den Tunnel hinein, aus dem das Auto in die Halle gefahren war. Dieser zog sich breit und lang hin. Das Licht seiner Lampe wurde immer schwächer. Er mußte bald die Batterien wechseln. Hallend hörte er seine eigenen Schritte auf dem feuchten Betonboden. Atemlos hastete er immer weiter. Von irgendwo mußten die beiden Typen ja in die Anlage eingefahren sein. Sicher jedoch nicht direkt in diesen langen, leeren Fahrtunnel, der lag einfach zu tief unter der Oberfläche. Nach etwa zehn Minuten weiteren eiligen Marsches öffnete sich endlich der Stollen. Wieder befand er sich in einer relativ kleinen, niedrigen Halle. Schnaufend ließ sich Wolf auf einer vergessenen, leeren Kiste nieder, die achtlos an der sauber verputzten Wand lag. Er wechselte jetzt die Batterien seiner Lampe und hatte endlich wieder genügend Licht, seine Umgebung zu betrachten. Die kleine Halle war bis auf ein paar liegengebliebene Kabelreste und zerbrochene Ziegelsteine leer. Aber an einer Stirnwand zeigten sich Armaturen und Schalter. Daneben befand sich ein stählernes Scherengitter, durch das sein Blick in einen großen Aufzugkorb fiel. Ein Lastenfahrstuhl! Wolf fiel ein Stein vom Herzen. Hier mußten die Unbekannten einfach eingefahren sein. Der Platz im Aufzug hätte sogar für einen LKW gereicht.

      „Vielleicht geht das Ding sogar noch“, schöpfte Wolf Hoffnung. Und das Ding ging tatsächlich noch. Es gab nur zwei Knöpfe am Fahrstuhl. Der eine wies mit einem Pfeil nach oben, der andere nach unten. Anscheinend bediente der Aufzug nur zwei Ebenen. Wolf drückte mutig auf den Knopf, dessen Markierung eindeutig nach oben zeigte. Tatsächlich und zu seiner großen Erleichterung setzte sich der Fahrkorb leicht ruckend nach oben in Bewegung.

      Die beiden Männer aus der Eisbasis gingen den kurzen Gang entlang, bis sie auf ein weiteres starkes Stahlschott stießen. Diese massive Panzertür hatte zur Gangseite hin ebenfalls keinerlei Handgriffe oder Drehräder, womit sie von außen zu öffnen gewesen wäre. Dafür blinkte oben an der Wand das Objektiv einer kleinen Überwachungskamera in den Gang hinein. Dann gab es ein saugendes Geräusch. Das gasdichte Schott öffnete sich, und vor ihnen stand Hahnfeld. Sie traten ein und erstatteten zuerst vorschriftsmäßig Meldung.

      „Nun endlich, nach der ganzen Zeit“, murmelte der der Major, deutlich beeindruckt über die seit Jahren ersehnte Begegnung. „Kommen Sie, meine Herren“, sagte er. „Nehmen Sie Platz“, wobei er sie vorerst an die Sitze des großen Kontrollpultes bat. „Ihre Quartiere zeige ich Ihnen gleich nachher. Jetzt müssen Sie aber erstmal erzählen.“ Hahnfeld zeigte, trotz aller nach außen hin getragenen militärischen Haltung, Erleichterung, die sich in seiner aufgehellten Miene widerspiegelte. Seidel und Hase sahen sich neu-gierig um. Derartiges hatten sie in der Gebirgsbasis nicht erwartet. „Sie haben ja hier eine richtige Schaltzentrale. Dieses Ding ist wohl doch funktionaler und größer, als wir es angenommen haben“, meinte Seidel leicht verschmitzt. „Da müssen Sie ja ein ausgefuchster Techniker sein, Kommandant, mit so etwas Gigantischem umzugehen.“

      „Das ist alles halb so wild“, entgegnete der Angesprochene. „Die Dinge waren gut vorbereitet und eingerichtet. Mir kam hier eigentlich mehr eine Art Kontrollfunktion zu. Ich habe ja die Anlage selbst mit konzipiert, geplant und eingerichtet. Da ist mir nur wenig fremd geblieben. Weitaus beeindruckender erscheint mir da schon die Flugscheibe, die ja nun hier


Скачать книгу