Gesammelte Werke. Ricarda Huch

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Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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Rat, dadurch, daß man einem der Brüder des Herzogs, Ernst, Bischof zu Passau, das Erzbistum verschaffe.

      Wenn auch nicht alle Fürsten und Herren so unmenschlich dachten wie Eck, wenn sogar einige im ersten Schrecken und auch im Gefühl ihrer Schuld zu einiger Nachgiebigkeit bereit waren, so überwog doch der innere Widerstand gegen die Forderungen, und man tat triebmäßig, was Eck als Kriegslist geraten hatte, die Bauern hinzuhalten, bis Soldaten genug auf die Beine gebracht wären, um sie zu überwältigen. Inzwischen breitete sich der Aufstand rasch aus wie ein Feuer in einem morschen Holzhause. Auch Niederdeutschland, wo es anfangs ganz still gewesen war, wurde ergriffen, ganz Deutschland stand in Flammen, und die Gefahr eines völligen Zusammenbruchs schien vorhanden.

      Bei den friedlichen Verhandlungen, die zuerst eine gutartige Entwicklung, einen billigen Ausgleich zwischen den Parteien verhießen, war es nicht geblieben. Den ersten kriegerischen Ausbruch veranlaßte der vertriebene Herzog Ulrich von Württemberg, der, immer nach Gelegenheit spähend, wie er die Rückkehr in sein Land erzwingen könnte, den Aufstand der Bauern zu benützen gedachte. Sein despotisches Regiment hatte ihn früher verhaßt gemacht; wenn er sich jetzt mit den Bauern verbündete, persönlich als Bauer sich gebärdete, war das insofern nicht ganz unaufrichtig, als seine Gegner hauptsächlich die sogenannte Ehrbarkeit in den Städten waren, der höhere bürgerliche Stand, der die Freiheit des Landes gegen herzogliche Übergriffe verteidigte. Es war für ihn nützlich, sich zunächst einmal auf die Bauern zu stützen. Mit den Bauern allein jedoch konnte er nichts ausrichten: er rechnete auf Hilfsgelder von Frankreich und Hilfstruppen der schweizerischen Eidgenossen. Die große Schlacht von Pavia, in der Franz I. gefangen und durch die Frankreich für die nächste Zeit lahmgelegt wurde, bedeutete auch für Herzog Ulrich die Niederlage. Der Wandel des Glücks veranlaßte die schweizerischen Orte, ihre Untertanen zurückzurufen; es schien im Augenblick nicht zulässig, Karl V., der nach Ulrichs Vertreibung Württemberg an sich genommen hatte, zu reizen. Der Herzog soll Tränen vergossen haben, als die Schweizer abzogen; es blieb ihm nichts übrig, als sich wieder auf dem Hohen Twiel einzuspinnen.

      Bald darauf brach der eigentliche Aufruhr los. Gereizt durch die Tücke des von Bayern gelenkten Schwäbischen Bundes, der von Anfang an nicht die Absicht gehabt hatte, auf die Forderungen der Bauern einzugehen und nur verhandelte, um Zeit zu gewinnen, gingen die Bauern zu Tätlichkeiten über. Dazu mußte es ohnehin kommen, schon weil die vielen bewaffneten Bauern, die das Land nicht bestellten, sich ernähren mußten und weil sie durch meuterisch wilde Elemente gedrängt wurden. Burgen und Klöster wurden erstürmt, geplündert, verbrannt, der Haß auf die Geistlichkeit tobte sich aus. Da einmal der Anfang gemacht war, riß Unordnung und Zerstörungslust ein. Immerhin vergriffen sich die aufgeregten Horden mit wenigen Ausnahmen nicht an Menschen. Eine kurze Zeit lang schien der Anblick der rasch um sich greifenden Feuersbrunst die Herren zu lähmen. Manche von den kleinen, so der Graf von Wertheim und die Grafen von Hohenlohe, traten dem Bauernbunde bei, auch einige Städte unter dem Druck der ärmeren Bevölkerung. Fast in allen Städten sympathisierten die unteren Schichten mit den Bauern, so daß der Vorwurf ausgesprochen werden konnte, die Städte hätten den Aufruhr angezettelt, um das Reich in eine föderative und demokratische Republik zu verwandeln. In diesem Augenblick, wo die Gefahr groß schien, Anfang Mai, ließ Luther seiner ersten Ermahnung an die Bauern eine zweite Schrift folgen, in der er die Obrigkeit anspornte, zum Schwert zu greifen und die Aufrührer zu bestrafen.

      Vielleicht wäre es für die Bauern besser gewesen, wenn die 12 Artikel nicht so dicht mit Bibelstellen durchsetzt gewesen wären, wie es die Verfasser für gut befunden hatten. Die Bibel, das neugeschenkte Buch, nach Zeugnissen zu durchsuchen und diese anzuführen, als sei damit etwas unwidersprechlich erhärtet und entschieden, war zu einer Gepflogenheit geworden, der alle Stände sich hingaben. Man benützte sie als Arsenal, das Waffen lieferte, so wie die Humanisten Cicero und Livius ausschrieben. Etwa im Sachsenspiegel zu suchen, was im Reich Rechtens oder Gewohnheit sei, fiel niemandem ein. Luthers scharfer Verstand sah sofort, daß die Bauern einen Fehler gemacht hatten, indem sie versprachen, sich aus der Heiligen Schrift weisen zu lassen. Er konnte nun die Aussprüche gegen sie geltend machen, die unbedingte Unterwerfung unter die Obrigkeit verlangten, und ferner, daß Christus und die Apostel das Untertänigkeitsverhältnis überhaupt nicht berührten, daß sie einzig der Seele Heil und Freiheit bringen wollten. Er stellte sich auf den Standpunkt, daß die meisten Forderungen der Bauern Rechtsgelehrte angingen, nicht ihn. Gegen alles das läßt sich manches einwenden. Es ist wahr, daß Christus nicht versucht hat, die Sklaverei aufzuheben; aber widersprach nicht schon die Forderung der Brüderlichkeit der Sklaverei, namentlich der Art, wie sie in Deutschland vielerorts gehandhabt wurde? Ließ Christus sie bestehen, so war es doch tatsächlich keine Sklaverei mehr, wenn der Herr sich wie ein liebender Bruder zu seinem Sklaven stellte. Ferner: diente man dem Seelenheil der Fürsten und Herren, wenn man, indem man ihre Untertanen zu sklavischer Unterwürfigkeit anhielt und jeden Widerstand ausschaltete, mochten sie so bösartig und lasterhaft sein wie sie wollten, fast gewaltsam in ihren Lastern bestärkte? Nur ein Prophet, der die Fürsten beherrschte und dauernd zum Guten zwang, konnte eine solche Art der Menschenbildung einigermaßen verantworten. Das Verhältnis zur Obrigkeit hatte aber bei den Germanen gar nicht den Charakter sklavischer Untertänigkeit; es war üblich, daß dem Herrn nicht gehuldigt wurde, bevor er gelobt hatte, die Freiheiten der Untertanen zu halten, zuweilen hatten die Untertanen sogar das Recht, sich einen anderen Herrn zu wählen, wenn ihre Privilegien verletzt waren. Im allgemeinen hatte man so viel Freiheit, wie man sich erkämpfen konnte; nur dadurch war es möglich geworden, daß die Handwerker in den Städten teils zur Mitregierung, teils zur Herrschaft gekommen waren. Gerade daß es nicht eine starr verteilte Herrschaft und Untertänigkeit gab, sondern ein Aufundabwogen der Beziehungen nach dem Maßstab der jeweiligen Kraft oder Einsicht und der Verhältnisse, gab dem mittelalterlichen Reich den eigentümlichen Charakter schöner Lebendigkeit und bildsamer Fülle. Wieviel größer wäre Luther an diesem Platze gewesen, wenn er, wie Albertus Magnus in Köln getan hatte, sich vermittelnd zwischen Fürsten und Volk gestellt und einen Ausgleich zuwege gebracht hätte! Wenn einer, so hätte er es vermocht, bei dem außerordentlichen prophetischen Einfluß, den er damals hatte. Ohne Rechtsgelehrter zu sein, hätte er das gekonnt; urteilte er doch sonst über alle menschlichen Verhältnisse, und handelte es sich doch gar nicht um römisches Recht, das erst hätte studiert werden müssen. Allein Luther hatte sich bereits für die Partei der Fürsten entschieden, denen er den Schutz seiner Lehre verdankte. Seine Sorge galt viel mehr der ferneren Erhaltung dieser Lehre, die er gleichstellte mit der Wahrheit, als der Lage der Bauern; daß man allgemein ihm die Schuld gab, er habe mit seiner Auflehnung gegen den Papst und seiner Bekämpfung der katholischen Fürsten die Revolution eingeleitet, daß man die Revolution der Bauern einbezog in die seinige, stimmte ihn zornig gegen die Bauern, ohne daß er sich das eingestand. Um diesen Vorwurf zu entkräften, betonte er sein Verdienst um die Stärkung des Ansehens der Obrigkeit, was mit der tyrannischen Seite seines Wesens zusammenstimmte. Seine Herrschsucht und Rechthaberei grenzte zuweilen an das Satanische. Allerdings hielt er in dem Sendschreiben, mit dem er das Ansinnen der Bauern, Schiedsrichter in ihrer Sache zu sein, beantwortete, den Fürsten und Herren ihr Unrecht streng vor, wie er denn aus seiner Verachtung der Fürsten, ihrer Roheit, Verderbtheit, Sittenlosigkeit, Grausamkeit nie ein Hehl gemacht hat; aber um so peinlicher berührt es, daß er das Volk solchen Wüterichen auslieferte. Die dann folgende Anrede an die Bauern ist viel eindringlicher, viel eingehender setzt er ihnen ihr Unrecht auseinander, man vergißt darüber, daß er auch jenen ins Gewissen geredet hat, und gewinnt den überzeugenden Eindruck, daß er es mit den Fürsten hält. Vollends war das der Fall, als bald nachdem er sein Sendschreiben veröffentlicht hatte, Gewalttätigkeiten von den Bauern begangen wurden und in Thüringen sein verhaßter Gegner, Thomas Münzer, an die Spitze trat und zu rücksichtsloser Anwendung von Gewalt aufforderte. Thomas Münzer hatte mehr Mitgefühl für die Leiden des armen Mannes als Luther, der so viel seelische Qualen erlitt, daß er äußere Entbehrungen gering einschätzte, und wer wollte es nicht begreifen, daß die grenzenlose Selbstsucht der herrschenden und besitzenden Klassen einen, der den Schutz der Armen und Rechtlosen übernommen hatte, zu Haß und Rache entflammte? Hat jemals gutes Zureden die Herrschenden und Besitzenden dazu vermocht, auf einen Teil ihres Besitzes zu verzichten? Mit gütlichen Vorstellungen war es bereits vergeblich versucht worden, nun predigte Münzer in Mühlhausen Gewalt und Blutvergießen. Von da an sah Luther in den Bauern nur noch Mörder, Räuber, Banditen, die


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