Gesammelte Werke. Ricarda Huch

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Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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Fürsten bedurften der Ermahnung zur Schärfe nicht. Hatten sie anfangs ratlos gezögert und sich sogar zu Zugeständnissen bereit erklärt, so ließen sie nun, nachdem die Bauern sich ins Unrecht gesetzt hatten, ihrer Wut die Zügel schießen. Das Werkzeug zur Unterdrückung von Unruhen war seit Jahren der Schwäbische Bund, in dem Bayern den Ausschlag gab. Es war für den Ausgang des Bauernkriegs von großer Wichtigkeit, daß es den Bauern nicht gelang, den Aufstand nach Bayern hinüberzuspielen. An der Spitze des Herzogtums standen damals die Brüder Wilhelm und Ludwig, der eigentliche Regent war ihr Kanzler Leonhard von Eck, dessen Skrupellosigkeit beinah etwas Imposantes hat. Er kannte keinen anderen Standpunkt als das Wohl Bayerns, das heißt das Wohl der Regierung, mit dem sein und der Herzöge persönliches Wohl untrennbar verbunden war. Gott, Papst, Kaiser, Reich, Gewissen, alles das kam für ihn nur insoweit in Betracht, als es sich für Bayern, ihn und die Herzöge ausnützen ließ. Die lutherische Bewegung war ihm zuerst nicht unwillkommen; er machte Wilhelm darauf aufmerksam, daß sie benützt werden könne, um vom Papst allerlei Rechte zu ertrotzen, auf die der Staat Wert legte, was auch gelang. Während er mit dem Kaiser und mit Erzherzog Ferdinand in höflichen Formen verkehrte, tat er alles, um ihnen entgegenzuwirken, wie denn Wilhelm die böhmische Krone an sich zu bringen suchte. In bezug auf den Bauernaufstand stimmte er von Anfang an für Niederwerfung mit den Waffen ohne irgendwelche Zugeständnisse. Anführer der Truppen des Schwäbischen Bundes, der die hauptsächliche Arbeit leistete, war der Truchseß Georg von Waldburg; er führte seine Aufgabe, Deutschland zu beruhigen, rasch und sachlich durch, ein Mann von soldatischer Härte, ohne besonders bösartig und grausam zu sein. Nachdem es einmal zum Kriege gekommen war, erwies sich die Gefahr als nicht so groß, wie sie sich dargestellt hatte. Es fehlte den Bauern namentlich an tüchtigen militärischen Führern. Götz von Berlichingen trat halb gezwungen auf ihre Seite und machte sich aus dem Staube, sobald sich die Gelegenheit bot. Der fränkische Ritter Geyer von Geyersberg setzte sich ganz für sie ein und kämpfte für sie bis zum Tode; aber er konnte sie nicht davon abbringen, die Burg von Würzburg erstürmen zu wollen, woran sie sich verbluteten; auch war er nur das Haupt eines Haufens. Einige Ritter, die bei Sickingens letzter Fehde ihre Güter verloren hatten, so Sickingens Sohn Hans und Hartmut von Kronberg, waren zu wenige und vielleicht auch nicht geschickt genug, um etwas Wesentliches auszurichten. Unter den bäuerlichen Führern waren tüchtige Leute, den Massen aber nicht geistig überlegen, die Prädikanten hatten keine militärische Erfahrung und konnten, von Ort zu Ort gehetzt, keinen dauernden und allgemeinen Einfluß gewinnen. Merkwürdig ist die Tatsache, daß die Bauern in den vielen Schlachten des Bauernkrieges nicht nur besiegt, sondern sogleich in die Flucht geschlagen wurden, kaum Widerstand versuchten. Denkt man daran, daß im 14. Jahrhundert zu Fuß kämpfende Bauern große Ritterheere vernichteten, so ist ihre klägliche Haltung im 16. Jahrhundert erstaunlich. Dabei war der einzelne Bauer nicht kraftlos und mutlos; waren doch die gefürchteten Landsknechte Bauern. Ihre Unzulänglichkeit muß wohl an der mangelnden Führung gelegen haben; auch standen sie nicht schwerfälligen Rittern, sondern geschulten, zweckmäßig ausgerüsteten Truppen gegenüber.

      Nach dem Blutvergießen der Schlacht begann das Blutvergießen der Rache. Nach der Schätzung der Zeit sind im ganzen 130 000 Bauern umgekommen; rechnet man die Opfer der vorangegangenen kleineren Aufstände dazu, so wird die Zahl erheblich größer. Der Profos des Schwäbischen Bundes rühmte sich, mit eigener Hand 1200 Personen vom Leben zum Tode gebracht zu haben. Glücklich zu preisen waren die, welche in der Schlacht gefallen waren, die anderen wurden ausgesuchten Martern unterworfen. Markgraf Kasimir ließ einem Teil der schuldig Befundenen die Augen ausstechen und erlaubte nicht, die Wunden zu verbinden, so daß viele daran starben. Die menschliche Bestialität tritt nie schamloser hervor, als wenn Menschen, die sich brutaler Herrschaft entziehen wollten, ihr wieder unterworfen worden sind. Es ist unrichtig, die Roheit der Zeit als Erklärung und Entschuldigung anzuführen: die Gebildeten verurteilten die Grausamkeit der Sieger durchaus, so daß sie Luther seine Schrift zum Vorwurf machten, in der er die Losung gegeben hatte, die Bauern ohne Gnade niederzumachen. Nicht nur seine katholischen Gegner ergriffen die Gelegenheit, ihn zu tadeln, auch seine Freunde blickten entsetzt auf diesen Dämon, der so edles Licht ausstrahlen konnte und plötzlich Dreck und Steine und rasendes Feuer spie. Luther hatte die Eigenschaft, im Zorn, überhaupt in der Erregung, die Heftigkeit seiner Empfindung unmittelbar auf Papier zu bringen. Hernach sah er wohl etwaige Übereilung und Übertreibung ein, aber er war zu rechthaberisch, um sein Unrecht einzugestehen, besonders wenn es ihm andere vorwarfen. Er versteifte sich dann immer mehr und häufte neues Unrecht auf das alte in der Meinung, sich dadurch unangreifbar zu machen. Als ein Mansfelder Freund, der Kanzler Caspar Müller, sich über Luthers Verhalten gegen die Bauern durchaus nicht beruhigen konnte, verantwortete er sich in einer Weise, die Hartnäckigkeit und unehrliche Sophistik zur Unbarmherzigkeit fügte. Auf den Vorwurf, die Bauern hätten nicht gemordet, er aber wolle, daß sie umgebracht würden, entgegnete er, sie würden gemordet haben, wenn sie gesiegt hätten. Ihn zu rechtfertigen, mußte die willkürliche Annahme dienen, bösartige Untertanen, denen es nur zu gut gegangen sei, hätten sich in räuberischer Absicht gegen ihre fromme Obrigkeit erhoben; wie anders es in Wirklichkeit war, wußte jeder und wußte Luther genau. Einem sächsischen Herrn von Einsiedel, der sein Gewissen wegen der Frondienste, die er seinen Bauern zumutete, bedrückt fühlte, redete er im Verein mit Melanchthon die Bedenken aus. Melanchthon übertraf Luther noch an Schärfe; seine Ansicht war, für ein so ungezogenes Volk wie die Deutschen sei Leibeigenschaft eher zu milde, jedenfalls müsse die Obrigkeit ihre Strafgewalt strenger handhaben.

      Luthers Wendung gegen die Bauern konnte nicht hindern, daß die Katholiken ihm schuld gaben, sie aufgehetzt zu haben; und wenn das auch nicht seine Absicht gewesen war, so mochte doch seine geringschätzige Art, von den Fürsten zu sprechen, die nichts könnten als fressen und saufen und den armen Mann schinden, die Gott aber bald vom Stuhle stürzen werde, nicht ohne Einfluß auf die Unzufriedenen gewesen sein. Für seine Stellung zu den Deutschen bedeutete der Bauernkrieg einen Einschnitt: er war seitdem fest an die Fürsten gebunden, von einem Teil seines Volkes, namentlich von den Bauern getrennt. Sie mußten sich dem Zwang unterwerfen; aber sie hatten kein Vertrauen mehr zu dem, auf den sie gehofft und der sie ihren Bedrückern aufgeopfert hatte; viele haßten ihn.

      Um öffentlich kundzutun, wie gleichgültig ihm die gegen ihn gerichteten Angriffe wären, heiratete er mitten im Wüten des Krieges und der Rache Katharina von Bora, eine Nonne, die mit mehreren anderen das Kloster verlassen und sich unter seinen Schutz gestellt hatte. Auch die ihm wohlwollten, begriffen nicht, wie er ein Fest feiern mochte, während Deutschland trauerte; es war, als wolle er zeigen, daß er nicht zu dem trauernden Volk, sondern zu den feiernden Siegern gehöre. Selbst in der Leichenpredigt, die er seinem verstorbenen Kurfürsten hielt, gedachte er mit harten Worten der aufständischen Bauern, und daß Gott den gemeinen Pöbel nicht wolle siegen lassen, sondern Gnade und Gaben der Obrigkeit verleihe.

      Kurfürst Friedrich, ein Sohn des Friedens, ein stilles Haupt, wie Luther ihn nannte, hatte freilich Gnade und Gaben empfangen. »Vielleicht hat man den armen Leuten Ursache zu solchem Aufruhr gegeben«, sagte er, als er zuerst von dem Ausbruch der Bewegung hörte. Kurz vor seinem Tode, er starb am 5. Mai 1525 auf seinem Schloß zu Lochau, empfahl er seinem Bruder und Nachfolger, Gnade gegen die Bauern zu üben, die zu seinem großen Leidwesen sich auch in Sachsen erhoben hatten. Er hatte das Gotteswort in seinem ganzen schlichten, allverständlichen Sinn, der Liebe zum Nächsten, in sich aufgenommen, weil es die Sprache seines Herzens war. In seiner stillen Art hatte er sich für das, was er als Wahrheit erkannt hatte, eingesetzt, obwohl er, gerade weil er fromm war, sich nicht leicht aus den ehrwürdigen Formen der Kirche löste. Die einsichtigen Bauernführer empfanden seinen Tod als schweren Verlust; es war keiner unter den Fürsten, der so viel guten Willen und Gerechtigkeitssinn und zugleich so viel Ansehen hatte, daß er in diesem schweren Streit hätte vermitteln können. Der am meisten dazu berufen war, der Kaiser, und dessen Macht gerade jetzt so gestiegen war, daß er etwas hätte ausrichten können, war in Spanien und mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Einer Überlieferung nach habe Gattinara, sein Kanzler, ihm geraten, sich mit Hilfe der Bauern zum Herrn in Deutschland zu machen. Die Heilbronner Reichsreform wollte ihm das zuwenden, was er, wie er selbst in Worms gesagt hatte, erstrebte; aber sosehr es ihm ernst war, Herr im Reich zu werden, so fern lag es ihm, sich dabei auf die unteren Volksschichten zu stützen.

      Gleich nach dem Bauernkriege verfaßte der Ritter Hans


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