Phantomschmerzen. Susan Hill

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Phantomschmerzen - Susan Hill


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er den Mann, der so viele hatte.

      »Die mussten für die Reparatur abrasiert werden, glaub ich. Keine Bange, die wachsen nach.« Der Mann hatte sich auf den Stuhl neben dem Bett gesetzt. Simon kannte ihn. Kannte ihn ziemlich gut.

      »Hi«, sagte er, um Zeit zu gewinnen.

      »Cat lässt schön grüßen, und sie ist froh, dass alles gut aussieht, aber sie musste für einen Kollegen einspringen – offensichtlich stand niemand anders zur Verfügung. Sie kommt morgen wieder her.«

      Also kannte der Mann Cat.

      »Ich wünschte, mein verdammtes Hirn käme wieder in Gang. Hab es satt, durch Watte zu denken.«

      »Das sind die Medikamente.«

      Also wusste er auch darüber Bescheid.

      Der Bolzen schnappte zurück, und die Tür sprang auf. »Chief …«, sagte Simon. Er wollte sich aufsetzen, doch sein Körper war mit Bleigewichten bedeckt.

      Kieron Bright lächelte. »Der bin ich«, sagte er. »Keine Sorge, auch das liegt an den Medikamenten. Wie geht’s denn so?«

      »Komisch. Hören Sie, die haben mir nicht viel gesagt. Was ist passiert?«

      Kieron brauchte eine halbe Stunde, um es ihm zu erzählen. Serrailler hatte den Eindruck, dass er ihm einige Einzelheiten ersparte, vielleicht nur fürs Erste, aber das, was ihm zugestoßen war, wurde in groben Zügen klar, und während der Chief redete, tauchte hin und wieder so etwas wie ein Schimmern am Horizont seines Verstandes auf und verschwand wieder. Er erinnerte sich, wenn auch nicht an alles, und doch schien es vertraut, ergab einen gewissen Sinn.

      »Über Ihre Verletzungen kann ich Ihnen nicht viel sagen, das haben die Ärzte ja wohl getan.«

      »Nicht so richtig.«

      »Sie haben es Ihnen gesagt – wahrscheinlich haben Sie nicht alles aufgenommen, was ja verständlich ist.« Er lehnte sich zurück, die Arme verschränkt. In Freizeitkleidung wirkte der Chief jünger, was normal war. Goldtressen verliehen Würde, und Würde ging mit Alter einher. Er war nur vier Jahre älter als Simon.

      »Danke, dass Sie gekommen sind.«

      »Ich war vorher auch schon hier, aber Sie waren nicht bei Bewusstsein. Gut, Sie jetzt zu sehen. Wir haben uns Sorgen gemacht.«

      »Ich bin nicht unterzukriegen.«

      »Sieht ganz so aus. Ihre Schwester war sich nicht so sicher.« Er schlug ein Bein über das andere und stellte sie dann wieder nebeneinander. Simon merkte ihm eine gewisse Anspannung an, oder auch eine Art Beklemmung – er konnte es nicht einordnen, obwohl der Dunst, der sein Hirn umnebelt hatte, sich langsam wieder auflöste. Und sein Arm tat weh.

      »Ich bin ein paarmal mit ihr ausgegangen.«

      »Mit Cat?«

      »Ja. Ich hoffe, das stört Sie nicht.«

      Simon lachte. »Damit hab ich nichts zu tun – ihr Leben ist ihre Sache.«

      »Aber Sie stehen einander sehr nah.«

      »Ja … das war schon immer so. Komisch – man hätte das von Ivo und mir erwartet, doch das war nie der Fall. Er war immer der Sonderling. Ivo ist ganz anders.«

      »Das hat Cat auch gesagt.«

      Also hatte sie darüber gesprochen, was Cat nur selten tat. Sie war nie besonders zurückhaltend gewesen, was sie selbst betraf, ihre Ehe, Beruf, Kinder, Beschäftigungen, aber im Hinblick auf sie drei schon, so wie er selbst. Wie Ivo das hielt, wusste Simon nicht. Australien hatte Ivo schon gereizt, bevor er Arzt geworden war, und sobald er seine Ausbildung abgeschlossen hatte, war er nicht mehr zu halten gewesen. Er war nie zurückgekommen.

      Als Kieron gegangen war und bevor die nächste Ladung Schmerzmittel zu wirken begann, hatte er einen klaren Moment, in dem er über den Mann nachdachte, als Chief Constable und somit seinen Chef und auch als jemanden in einer Beziehung mit seiner Schwester – wie auch immer die letztendlich aussehen mochte.

      Er drehte und wendete den Gedanken, nahm jede Seite sorgfältig unter die Lupe, die Vorstellung der beiden als Paar war wie ein Erdball, den er in Händen hielt.

      Nichts wirkte falsch daran. Nichts beunruhigte ihn.

      »Wie fühlt es sich an?« Die forsche Schwester ohne Lächeln. Ohne Lächeln, aber nicht ohne Mitgefühl, dachte er, doch sie würde sich niemals beim leisesten Anzeichen von Mitgefühl ertappen lassen. Ein bisschen so wie er.

      »Auch wenn die Medikamente noch nicht abgesetzt werden können, ist es eigentlich nicht so schlimm – verdammt viel besser als vorher.«

      »Gut.«

      »Wann kann ich es sehen?«

      »Das hat Mr Flint zu entscheiden. Morgen vielleicht.«

      »Wann kann ich ihn denn wieder benutzen? Nein – vergessen Sie’s. ›Mr Flint wird entscheiden.‹ Aber liebe, liebe Schwester, könnten Sie nicht Mr Flint sein, nur für einen kurzen Moment?« Er zog eine Augenbraue hoch. Sie warf die benutzte Spritze in den Abfalleimer, streifte ihre Gummihandschuhe ab und warf sie weg. Beim Hinausgehen sagte sie: »Übertreiben Sie es nicht.«

      Könnte sein, dass sie gerade gelächelt hat, dachte Simon.

      Am nächsten Morgen hielt sie seinen rechten Arm, und eine andere Schwester schob den Infusionsständer, als Simon zum ersten Mal aufstand und mit langsamen Schritten über den Flur ging. Seine Beine waren unsicher, als warteten sie auf eine Anleitung, wie sie sich vorwärtsbewegen sollten, erst das eine, dann das andere, und als sie an die Kreuzung mit einem anderen Flur kamen, funktionierten sie wieder.

      »Ich kann jetzt allein weitergehen.«

      »Was habe ich gesagt?«

      »Ich soll’s nicht übertreiben?«

      »Dann halten Sie sich daran. Das war schon sehr gut, und Sie können später noch einen Ausflug machen.«

      Simon freute sich wie ein Kind über fehlerfreie Hausaufgaben.

      Zwei weitere Spaziergänge durch die Flure, und er wurde schneller. Das Gehen fühlte sich wieder normal an. Die Prellungen und Quetschungen, die er am Körper, an den Beinen, am rechten Arm festgestellt hatte, ließen nach und heilten rasch. Im Spiegel sah er, dass seine Haare inzwischen über die meisten Narben und Stiche vorn am Kopf gewachsen waren. Ob man sie wieder abrasieren würde, wenn die Fäden gezogen wurden? Würde man sie ziehen? Er wollte fragen, doch die Schwestern waren gegangen. Er fühlte sich plötzlich erschöpft, dann wurde ihm sehr kalt. Die Betten waren gewöhnungsbedürftig. Er brauchte eine Daunendecke, nur gab es die in Krankenhäusern nicht.

      »Abendessen.«

      Das Tablett mit dem Blechdeckel über dem Teller. Eine Beilage, die wie Obstsalat aus der Dose und Vanillepudding aussah. Der junge Mann hob den Deckel mit einem Tusch hoch, und der Geruch von Blumenkohl stieg auf. Blumenkohl. Ein Stück Quiche. Drei kleine Kartoffeln.

      »Ich habe eigentlich gar keinen Hunger. Würden Sie das bitte wieder mitnehmen?«

      Der Mann lächelte und sagte: »Sie müssen probieren.« War er Pole? Rumäne? »Essen ist wichtig. Nicht essen, nicht gesund werden. Okay?«

      Und er ging schwungvoll zur Tür hinaus. Die Räder des Rollwagens quietschten im Flur, und die Blechdeckel über den Tellern schepperten.

      Er konnte nicht essen. Er hätte keinen Bissen runtergebracht, obwohl er das Glas Wasser trank und versuchte, sich zum Krug auf seinem Nachttisch hinüberzubeugen, um nachzuschenken. Aber er kam nicht dran.

      Ihm war so warm, dass er sich krank fühlte. Krank vom Essensgeruch und der Hitze, von Kopfschmerzen und dem Pochen im linken Arm.

      Nachdem er lange Zeit still gelegen und sein Zustand sich verschlimmert hatte, fragte er sich, ob jemand kommen würde und was er mit seinem Tablett anfangen sollte, fragte sich am Ende, wo er war und warum. Da fiel ihm etwas auf der Bettdecke auf. Er war verwirrt,


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