Schwarzes Geld für schwarze Schafe. Christopher Stahl

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Schwarzes Geld für schwarze Schafe - Christopher Stahl


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Stelle der Verwundbarkeit – wie es dereinst Hagen bei Siegfried tat. Habe er einem dann unvermittelt und überraschend das Messer in den Rücken gestoßen, so geschehe auch das mit einem Ausdruck kindlicher Unschuld und gipfelte in dem Ausruf: „Haltet den Dieb, der hat mein Messer im Rücken”. Das Verblüffende dabei sei, dass diese miese Masche in der Regel funktioniere.

      Nun bin ich wahrhaftig nicht der Typ, der sich ohne weiteres von den Urteilen anderer beeinflussen lässt. Andererseits weiß ich natürlich auch, dass derartige psychologisch-rhetorische Tricks selten ihre Wirkung verfehlen. Wer es heutzutage in der Politik zu etwas bringen will, weiß, dass diese Techniken so notwendig sind, wie das tägliche Brot. Man denke da nur an die Unschuldsmiene und den unschuldigen Tonfall unseres ehemaligen Arbeitsministers Norbert Blüm, wenn er in seinem südhessischem Idiom behauptete: „Die Rende is sischer!” Vier Wörter – ein Programm für 16 Jahre!

      Nein, so blauäugig bin ich nicht, aber was ging mich der Kollege Simonis an? Er hatte mir bisher nichts getan, es hatte bislang auch noch keine Berührungspunkte gegeben, und so deutete ich die Bemerkungen über ihn zunächst als neidgeborenen Klatsch. Und der war für mich höchstens zur Perfektionierung meiner Menschenkenntnis über die Urheber des Tratsches von Interesse und nicht, um undifferenziert danach zu urteilen.

      … Bis zu dem Tag, an dem zwei Dinge zusammenkamen, die ein persönliches Gespräch mit Peter Simonis unumgänglich machten:

      Es muss so Mitte August 1989 gewesen sein. Ich hatte nämlich gerade eines dieser typisch langen und „honorarlosen” Telefonate mit einem Mandanten beendet, indem wir etwa eine halbe Stunde über die deutsch-deutsche Entwicklung und die sich anbahnende Aussicht einer Wiedervereinigung mit friedlichen Mitteln spekuliert hatten. (Anlass waren die Montagsdemonstrationen in der DDR und der bemerkenswerte Anstieg der Zahlen von Flüchtlingen, die unbehelligt über die grüne Grenze zwischen Ungarn und Österreich nach Westdeutschland ausreisten.) Jedenfalls, kurz nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte und mich endlich wieder meiner Arbeit zuwenden wollte, bei der ich unterbrochen worden war, stand schon die nächste Störung in Person einer Mitarbeiterin an meinem Schreibtisch. Sie betreute einen Mandanten, der kurz zuvor von Simonis – ohne mein Dazutun, aus freien Stücken, wie ich ausdrücklich betonen möchte – zu mir gewechselt war, und informierte mich darüber, dass ein der Sparkasse zugesagter Termin für den Jahresabschluss dieses Mandanten gefährdet sei, da sich die Unterlagen zur Ermittlung des Bestandes an Halbfertigarbeiten nicht bei den von Simonis übergebenen Akten befänden. Sie hatte deswegen schon mehrmals in seiner Kanzlei angerufen. war dort aber jedes Mal erneut vertröstet worden, und wusste sich nun nicht mehr zu helfen.

      Ich versprach ihr, mich noch heute darum zu kümmern und bei Simonis persönlich anzurufen. Ich dachte damals noch, dass er bestimmt nichts von dieser Schlamperei wusste und sogar froh darüber sein würde, durch mich über einen Mangel aufgeklärt zu werden, bevor er sich für ihn schädlich auswirken konnte. Schließlich gibt es in unserem Berufsstand gewisse Regeln und Normen, die wir alleine schon im Interesse der uns anvertrauten Mandate einhalten sollten.

      Ich wollte gerade den Hörer in die Hand nehmen, als Frau Gerbes, ebenfalls eine Mitarbeiterin, in mein Büro kam. Sie druckste herum, dass „die Petra” doch gerade wegen Steuerberater Simonis bei mir gewesen sei und sie da ein persönliches Problem habe und ob ich ihr auch nicht böse sei, weil es sich um einen Kollegen handle, und sie wisse auch gar nicht, ob sie darüber mit mir reden solle und …

      In einem Anflug chauvinistischer Gehässigkeit wartete ich nur noch darauf, dass sie mit der bei Frauen so beliebten Killerphrase „und überhaupt” käme. Das wollte ich ihr und vor allem mir nicht antun. Deshalb unterbrach ich sie, wobei ich mich bemühte, meine Ungeduld zu zügeln: „Frau Gerbes, bitte, Sie können und sollen über alles mit mir reden. Was macht Sie denn so befangen?”

      „Na ja, Sie sind immer so souverän und machen nie was falsch!”

      Ich musste schmunzeln.

      „Verwechseln Sie da nicht Souveränität mit der Gelassenheit des Alters?”

      Verdammt, da kokettierte ich doch tatsächlich schon mit meinem Alter. Eigentlich sollte ich mir mit diesen spätpubertären Signalen noch etwas Zeit lassen. Ich sah Beatrice, mit der ich damals noch in ungetrübter Eintracht verheiratet war, vor mir, wie sie mit kraus gezogener Stirn und vorwurfsvoll geschürzten Lippen den Kopf schüttelte. Schnell das Thema wechseln!

      „Von wegen, nie etwas falsch machen, Frau Gerbes, Unfehlbarkeit mag vielleicht ein Anspruch einer unserer Kirchen sein, aber nicht der meine. Auch ich mache natürlich Fehler. Vielleicht sollte ich sie Ihnen immer mal wieder beichten, um Ihnen Ihre Verzagtheit zu nehmen? Also, raus mit der Sprache! Wo kann ich helfen?”

      „Ja also”, sie schluckte und setzte erneut an, „also, das war vor ein paar Wochen. Ich hatte mich mit einer Kollegin, die ich noch von der Berufsschule her kenne, zum Abendessen beim Griechen in der Hospitalstraße getroffen. Und da kam ihr Chef rein – Herr Simonis. Er setzte sich dazu, gab einen Retsina aus und unterhielt sich mit uns. Er machte einen sehr sympathischen Eindruck. Bevor er dann an einen anderen Tisch ging, wo er schon erwartet wurde, drückte er mir seine Karte in die Hand und sagte, dass er für solche Mitarbeiterinnen wie mich immer einen Platz in seiner Kanzlei hätte. Ich habe den Vorfall bald wieder vergessen, bis er gestern Abend bei mir zu Hause anrief.”

      Dabei betonte sie das Wort zu Hause, als würde sie es mit einem unsittlichen Antrag verbinden.

      „Ich weiß gar nicht, wo der meine Telefonnummer her hat”, brüskierte sie sich kopfschüttelnd.

      „Na, da gibt es zum Beispiel Telefonbücher … oder die Auskunft und auch Ihre Bekannte, die bei ihm arbeitet”, spielte ich ihr des Rätsels Lösung zu.

      Entweder war die Ironie dezent genug oder sie hatte meinen sanften Tonfall absichtlich überhört. Sie fuhr jedenfalls unvermittelt fort: „Da fragte der mich doch glatt, ob ich nicht bei ihm arbeiten möchte. Er hätte gerade eine Stelle frei und würde mir sofort 500 Mark mehr bezahlen, als ich bei Ihnen bekäme. Das ist doch eindeutig Abwerbung. Darf der denn das überhaupt?”

      „Hat jemand bei Ihnen zu Hause dieses Telefonat mitgehört?”, forschte ich nach, ohne erst einmal auf ihre Frage einzugehen.

      „Nein, ich war alleine.”

      „Wären Sie bereit, das, was sie mir eben erzählt haben, vor einem Vertreter der Steuerberaterkammer auszusagen?”

      „Nun, ich weiß nicht … das ja nicht gerade”, zierte sie sich.

      „Sehen Sie” (ich unterstrich meine Antwort mit einem Schulterzucken) „dann darf der das. Sie wissen doch: Wo kein Kläger, da kein Richter. Aber”, lenkte ich mit freundlichem Blick ein, „ich finde es toll, dass Sie mir das gesagt haben. Danke für Ihr Vertrauen. Darf ich wenigstens Herrn Simonis darauf ansprechen?”

      „Ja”, kam es zögerlich. Und dann verließ sie doch sichtlich erleichtert mein Büro.

      Ich war schon immer für klare Verhältnisse. Also wartete ich nicht lange ab, sondern packte den Stier bei den Hörnern und wählte Simonis Kanzleinummer. An der ersten Dame kam ich problemlos vorbei. Die Nennung meines Namens mit Titel schien ihren Zweck nicht zu verfehlen – dachte ich. Sie vermittelte mich weiter, allerdings zu einem Herrn Kramer, der sich als Büroleiter vorstellte und mich fragte, worum es denn gehe.

      „Eine Angelegenheit zwischen Kollegen”, versuchte ich mein Glück mit der Autorität meines Berufsstandes.

      Es half nichts. Er verlangte Genaueres zu erfahren und in mir begann es langsam zu kochen. ’Nun gut’, dachte ich, ’gib dem Affen seinen Zucker.’

      „Es gibt da Probleme mit einem Ihrer ehemaligen Mandanten und zudem muss ich mich wegen eines merkwürdigen Telefonats mit ihm unterhalten. Genügt das jetzt!?”

      „Einen Moment, bitte.”

      Für etwa 10 Sekunden hörte ich gar nichts mehr, bis ich endlich verbunden wurde. Es meldete sich … nein, nicht der „ersehnte” Kollege, sondern eine Frauenstimme, mit diesem sinnlich-dunklen Timbre, das einen halbwegs empfindsamen Mann


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