Vollzug. Hansjörg Anderegg

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Vollzug - Hansjörg Anderegg


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rüber, wenn Sie soweit sind.«

      Etwas verloren sahen sie sich um im Haus der unbekannten Stresemanns.

      »Woher kennt der meinen Namen?«, fragte Jamie mit einem Blick, als suchte er nach verborgenen Wanzen.

      »Richter. Unser guter Oberstaatsanwalt Richter muss es seinem Bekannten beim BND erzählt haben. Ich frage mich, was er sonst noch alles ausgeplaudert hat. Preuss hält mich wohl für ein psychisches Wrack auf Reha. Wusstest du übrigens, dass wir verlobt sind?«

      »Ich habe schon so etwas vermutet«, sagte er mit schiefem Grinsen, dann blickte er sie plötzlich betroffen an und fragte: »Meinst du, die beobachten uns?«

      »Wer – der Nachrichtendienst? Quatsch, du bist doch nicht James Bond.«

      »Aber du. Na wenn schon, die werden bald etwas erleben.«

      Er nahm sie entschlossen bei der Hand und zog sie sanft zum Sofa unter dem falschen Picasso.

      »Das Gepäck ist noch im Wagen«, protestierte sie, »und ich muss unter die Dusche, bin ganz verschwitzt …«

      Seine Lippen verschlossen ihr den Mund. Ihre Zunge machte sich selbständig, spielte mit der seinen. Seine Finger zogen Kreise um ihre Brüste. Die Warzen stellten sich auf unter dem dünnen Leibchen, hart wie sein Penis in Erwartung der zupackenden Hand. Glückshormone sandten Stoßwellen wohliger Wärme durch ihren Körper. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und sog sich heftig atmend an seiner Zunge fest, um ihn mit Haut und Haaren zu verschlingen. Seine Hand massierte ihren Busen. Zwei Finger spielten mit dem Nippel. Sie stöhnte auf. Die Zunge entwischte ihr, suchte ihren Weg über das Handgelenk und den Innenarm zum Ansatz der andern Brust. Seine Nasenspitze streichelte die Achselhöhle, dass ihr Verstand augenblicklich verdampfte. Statt sich zu fragen, woher solches Geheimwissen kam, konzentrierten sich alle Synapsen darauf, den Orgasmus hinauszuzögern, bis sie sein Glied zwischen den Schenkeln spürte. Kaum berührte die Eichel ihr Feuchtgebiet, entlud sich das Gewitter im Gehirn, angefacht vom Schweißgeruch und der archaischen Lust, nichts anderes als sein geiles Luder zu sein. Erschöpft von der Intensität des Orgasmus verwandelte sie sich in seinen Händen zum willenlosen Spielzeug beider Begierden.

      Nach der neuen Erfahrung stand sie mit weichen Knien in der Dusche. Sie zögerte, bevor sie in den Wasserstrahl trat, roch lüstern an ihren Achselhöhlen, fauchte sie an wie eine hungrige Raubkatze. Erst danach gestattete sie dem Wasser, die Spuren der Ekstase in den Ablauf zu schwemmen. Ihre Reisetasche stand auf dem Bett, als sie das Bad verließ. Die blonde Mähne bedeckte den Rücken bis fast zum Po, sonst trug sie nichts. Das blaue, trägerlose Strandkleid mit den Malven sollte passen. Sie hatte es noch nicht aus der Tasche gezogen, da stürmte Jamie aufgeregt ins Zimmer. Immerhin trug er seinen Slip.

      »Du glaubst nicht, was ich entdeckt habe!«, rief er außer Atem, als hätte ihm die Treppe ins Schlafgemach das Letzte abgefordert.

      Ihr nackter Körper schien ihn nicht zu irritieren. Strahlend schaute er ihr in die Augen und wartete auf ihre Frage.

      »Eine versteckte Kamera?«, spekulierte sie.

      »Besser. Komm mit, ich zeige es dir.«

      Er ließ ihr keine Zeit, sich anzuziehen, zog sie mit sich ins Erdgeschoss hinunter, in eine Kammer, fast so groß wie das Wohnzimmer. Dort blieb er andächtig stehen.

      »Und – was sagst du?«

      »Ich hätte es mir denken können. Die Küche … Darf ich dich darauf aufmerksam machen, dass der Kühlschrank leer ist – falls du zu kochen gedenkst?«

      Er schüttelte ungeduldig den Kopf. »Darum geht es nicht, sieh dich doch um! Fällt dir nichts auf?«

      »Sieht alles ziemlich unbenutzt aus.«

      »Das auch, aber die Ausstattung. Wer diese Küche eingerichtet hat, muss ein wahrer Meister sein. Mein Gott, das ist ein professioneller Dampf-Kombi-Backofen! Ein Wasserbad mit Thermostat für ›sous-vide‹ Kochen, ein Vakuumiergerät …«

      »Fehlt nur noch der flüssige Stickstoff«, bemerkte sie trocken. »Eine tolle Küche hast du da, echt. Darf ich mich jetzt anziehen?«

      Jamies Entdeckung diente auch als Einstieg in die Unterhaltung auf dem Sitzplatz der Preussens im Schatten der Pergola am Wasser. Chris fürchtete, ihr ›Verlobter‹ würde die zierliche, fast zerbrechliche Manon Preuss in ein abendfüllendes Fachgespräch über moderne Kochkunst verwickeln. Sie beruhigte sich auf der Stelle, als Mrs. Preuss misstrauisch fragte:

      »Sind die Geräte auch angeschlossen?«

      Jochen Preuss lachte ob dem verblüfften Gesicht des Gastes.

      »Sie müssen wissen: Wir reiten eher auf der Mikrowelle«, erklärte er.

      »Das wäre allerdings eine ganz neue Erfahrung für unsern Dr. Roberts«, lachte Chris.

      Sie versuchte, das Gespräch unauffällig in die Richtung zu lenken, wo sie mehr über die Preussens und Staatsanwalt Richters Bekannten im BND erfuhr, ohne allzu viel über sich selbst preiszugeben. Sie war gut in dieser Übung und verfügte über reiche Erfahrung, aber bei Preuss biss sie auf Granit. Der Mann war auf der Hut, wehrte alle Versuche, in seine Geheimnisse einzudringen, elegant ab. Sie erfuhr lediglich, dass die beiden sich schon vor einer Ewigkeit in Port Grimaud niedergelassen hatten, zu einer Zeit, als man die Häuser hier noch nicht mit Gold aufwiegen musste.

      »Heutige Preise können sich nur noch reiche Russen und Araber leisten«, meinte Manon Preuss dazu.

      Jamie deutete auf die Luxusjachten an den Kais und sagte mit ironischem Lächeln:

      »Hier gibt es wohl keine Rezession.«

      Jochen Preuss nickte. »So ist es«, wir leben auf einem andern Planeten.«

      »Außer montags und samstags«, schränkte seine Frau ein.

      »Ja, am Samstag geht‘s normalerweise auf den Markt, da gibt’s gewöhnliche Menschen, und Montag ist unser freier Tag.«

      »Sie sind doch in Rente«, warf Chris überrascht ein. »Ist da nicht jeder Tag ein freier Tag?«

      Die beiden Gastgeber schmunzelten.

      »Im Prinzip schon«, gab Jochen Preuss zu. »Unter frei verstehen wir allerdings etwas anderes.«

      Manon brachte es auf den Punkt: »Frei vom Partner. Jeder tut, was er will, ohne dem andern Rechenschaft darüber abzulegen. Ich verbringe den Tag auf meine Art, und ich will nicht wissen, was Jochen am Montag in Marseille tut. So läuft es seit vierzig Jahren bei uns ohne Probleme.«

      Interessanter Ansatz, dachte Chris. Im Grunde genommen verhielt es sich bei ihr und Jamie ähnlich, nur nicht beschränkt auf den Montag.

      »Du weißt genau, womit ich mich in Marseille beschäftige«, korrigierte Jochen Preuss seine Gattin.

      »Na ja – ich will aber nichts davon wissen.«

      Ihr Mann wandte sich lächelnd an die Gäste. »Manon hat bloß Angst, dass mir eines Tages etwas zustößt in der Stadt des Verbrechens. Unnötige Angst, wie ich betonen möchte. Ich betreue dort ein wichtiges Projekt mit Jugendlichen aus der Unterschicht, das ist alles. Wissen Sie was? Ich nehme Sie beide einfach mit am Montag …«

      »Bloß nicht!«, unterbrach Manon entsetzt.

      Chris reagierte sofort.

      »Das würde mich brennend interessieren«, versicherte sie, ohne sich um Jamies betroffenes Gesicht zu kümmern.

      Es wäre die Gelegenheit, mehr über den redseligen und doch so verschlossenen Jochen Preuss zu erfahren.

      Bethioua, Algerien

      Mitternacht war vorbei. In den Häusern der kleinen Gemeinde Bethioua an der algerischen Küste brannten keine Lichter. Nur die riesige Industrieanlage im Westen war taghell erleuchtet, als die zwei vermummten Männer das Paket, schwer wie ein Koffer voller Steine, vorsichtig über die Rampe ins Schlauchboot rollten. Sie mussten möglichst jede Erschütterung vermeiden. So hatte


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