Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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al­len Rei­hen wie­der. Hier heißt die ers­te Pf­licht: in Reih und Glied kämp­fen, die zwei­te: alle Die zu ver­nich­ten, die sich nicht in Reih und Glied stel­len wol­len. Der and­re Weg führt euch mit selt­ne­ren Wan­der­ge­nos­sen zu­sam­men, er ist schwie­ri­ger, ver­schlun­ge­ner und stei­ler: Die, wel­che auf dem ers­ten ge­hen, ver­spot­ten euch, weil ihr dort müh­sa­mer schrei­tet, sie ver­su­chen es auch wohl, euch zu sich hin­über­zu­lo­cken. Wenn aber ein­mal bei­de Wege sich kreu­zen, so wer­det ihr miß­han­delt, bei Sei­te ge­drängt, oder man weicht euch scheu aus und iso­lirt euch.

      Was wür­de nun, für die so ver­schie­den­ar­ti­gen Wan­de­rer bei­der Wege, eine Bil­dungs­an­stalt zu be­deu­ten ha­ben? Je­ner un­ge­heu­re Schwarm, der sich auf dem ers­ten Wege zu sei­nen Zie­len drängt, ver­steht dar­un­ter eine In­sti­tu­ti­on, wo­durch er selbst in Reih und Glied auf­ge­stellt wird und von der Al­les ab­ge­schie­den und los­ge­löst wird, was etwa nach hö­he­ren und ent­le­ge­ne­ren Zie­len hin­strebt. Frei­lich ver­ste­hen sie es prun­ken­de Wor­te für ihre Ten­den­zen in Um­lauf zu brin­gen: sie re­den zum Bei­spiel von der »all­sei­ti­gen Ent­wick­lung der frei­en Per­sön­lich­keit in­ner­halb fes­ter ge­mein­sa­mer na­tio­na­ler und mensch­lich-sitt­li­cher Über­zeu­gun­gen«, oder nen­nen als ihr Ziel »die Be­grün­dung des auf Ver­nunft, Bil­dung, Ge­rech­tig­keit ru­hen­den Volks­staa­tes«.

      Für die an­de­re klei­ne­re Schaar ist eine Bil­dungs­an­stalt et­was durch­aus Ver­schie­de­nes. Die­se will, an der Schutz­wehr ei­ner fes­ten Or­ga­ni­sa­ti­on, ver­hü­ten, daß sie selbst, durch je­nen Schwarm, weg­ge­schwemmt und aus­ein­an­der­ge­trie­ben wer­de, daß ihre Ein­zel­nen in früh­zei­ti­ger Er­mat­tung oder ab­ge­lenkt, ent­ar­tet, zer­stört, ihre ede­le und er­ha­be­ne Auf­ga­be aus dem Auge ver­lie­ren. Die­se Ein­zel­nen sol­len ihr Werk vollen­den, das ist der Sinn ih­rer ge­mein­schaft­li­chen In­sti­tu­ti­on – und zwar ein Werk, das gleich­sam von den Spu­ren des Sub­jekts ge­rei­nigt und über das Wech­sel­spiel der Zei­ten hin­aus­ge­tra­gen sein soll, als lau­te­re Wi­der­spie­ge­lung des ewi­gen und un­ver­än­der­li­chen We­sens der Din­ge. Und Alle, die an je­nem In­sti­tu­te Theil ha­ben, sol­len auch mit be­müht sein, durch eine sol­che Rei­ni­gung vom Sub­jekt, die Ge­burt des Ge­ni­us und die Er­zeu­gung sei­nes Wer­kes vor­zu­be­rei­ten. Nicht We­ni­ge, auch aus der Rei­he der zwei­ten und drit­ten Be­ga­bun­gen, sind zu ei­nem sol­chen Mit­hel­fen be­stimmt und kom­men nur im Diens­te ei­ner sol­chen wah­ren Bil­dungs-In­sti­tu­ti­on zu dem Ge­fühl, ih­rer Pf­licht zu le­ben. Jetzt aber wer­den ge­ra­de die­se Be­ga­bun­gen von den un­aus­ge­setz­ten Ver­füh­rungs­küns­ten je­ner mo­di­schen »Cul­tur« aus ih­rer Bahn ab­ge­lenkt und ih­rem In­stink­te ent­frem­det.

      An ihre egois­ti­schen Re­gun­gen, an ihre Schwä­chen und Ei­tel­kei­ten rich­tet sich die­se Ver­su­chung, ih­nen ge­ra­de flüs­tert je­ner Zeit­geist zu: »Folgt mir! Dort seid ihr Die­ner, Gehül­fen, Werk­zeu­ge, von hö­he­ren Na­tu­ren über­strahlt, eu­rer Ei­gen­art nie­mals froh, an Fä­den ge­zo­gen, an Ket­ten ge­legt, als Skla­ven, ja als Au­to­ma­ten: hier, bei mir, ge­nießt ihr als Herrn eure freie Per­sön­lich­keit, eure Be­ga­bun­gen dür­fen für sich glän­zen, mit ih­nen wer­det ihr selbst an der ers­ten Stel­le stehn, un­ge­heu­res Ge­fol­ge wird euch be­glei­ten, und der Zu­ruf der öf­fent­li­chen Mei­nung wird euch mehr be­ha­gen, als eine vor­nehm ge­spen­de­te Be­lo­bi­gung aus der Höhe des Ge­ni­us.« Sol­chen Ver­lo­ckun­gen un­ter­lie­gen jetzt die Al­ler­bes­ten: und im Grun­de ent­schei­det wohl hier kaum der Grad der Be­ga­bung, ob man für der­ar­ti­ge Stim­men zu­gäng­lich ist oder nicht, son­dern die Höhe und der Grad ei­ner ge­wis­sen sitt­li­chen Er­ha­ben­heit, der In­stinkt zum He­ro­is­mus, zur Auf­op­fe­rung – und end­lich ein si­che­res, zur Sit­te ge­wor­de­nes, durch rich­ti­ge Er­zie­hung ein­ge­lei­te­tes Be­dürf­niß der Bil­dung: als wel­che, wie ich schon sag­te, vor Al­lem Ge­hor­sam und Ge­wöh­nung an die Zucht des Ge­ni­us ist. Gera­de aber von ei­ner sol­chen Zucht, ei­ner sol­chen Ge­wöh­nung wis­sen die In­sti­tu­te, die man jetzt »Bil­dungs­an­stal­ten« nennt, so viel wie nichts: ob­wohl es mir nicht zwei­fel­haft ist, daß das Gym­na­si­um ur­sprüng­lich als eine der­ar­ti­ge wah­re Bil­dungs­in­sti­tu­ti­on, we­nigs­tens als vor­be­rei­ten­de Ver­an­stal­tung, ge­meint war und in den wun­der­ba­ren, tief­sin­nig er­reg­ten Zei­ten der Re­for­ma­ti­on die ers­ten küh­nen Schrit­te auf ei­ner sol­chen Bahn wirk­lich gethan hat, eben­falls, daß sich in der Zeit un­se­res Schil­ler, un­se­res Goe­the wie­der Et­was von je­nem schmäh­lich ab­ge­lei­te­ten oder se­kre­tir­ten Be­dürf­nis­se mer­ken ließ, gleich­sam als ein Keim je­ner Schwin­ge, von der Pla­to im Phä­drus re­det und wel­che die See­le, bei je­der Berüh­rung mit dem Schö­nen, be­flü­gelt und em­por­trägt – nach dem Rei­che der un­wan­del­ba­ren rei­nen ein­ge­stal­ten Ur­bil­der der Din­ge.«

      »Ach, mein ver­ehr­ter und aus­ge­zeich­ne­ter Leh­rer,« be­gann jetzt der Beglei­ter, »nach­dem Sie den gött­li­chen Pla­to und die Ide­en­welt ci­tirt ha­ben, glau­be ich nicht mehr dar­an, daß Sie mir zür­nen, so sehr ich auch durch mei­ne vo­ri­ge Rede Ihre Miß­bil­li­gung und Ihren Zorn ver­dient habe. So­bald Sie re­den, regt sich bei mir jene pla­to­ni­sche Schwin­ge; und nur in den Zwi­schen­pau­sen habe ich, als Wa­gen­len­ker mei­ner See­le, mit dem wi­der­stre­ben­den, wil­den und un­ge­ber­di­gen Ros­se rech­te Mühe, das Pla­to auch be­schrie­ben hat und von dem er sagt, es sei schief und un­ge­schlacht, mit star­rem Na­cken, kur­z­em Hals und plat­ter Nase, schwarz­ge­färbt, grau­en blut­un­ter­lau­fe­nen Au­ges, an den Ohren strup­picht und schwer­hö­rig, zu Fre­vel und Unt­hat al­le­zeit be­reit und kaum durch Gei­ßel und Sta­chel­stab lenk­bar. Den­ken Sie so­dann dar­an, wie lan­ge ich von Ih­nen ent­fernt ge­lebt habe und wie ge­ra­de auch an mir alle jene Ver­füh­rungs­küns­te sich er­pro­ben konn­ten, von de­nen Sie re­de­ten, viel­leicht doch nicht ohne ei­ni­gen Er­folg, wenn auch fast un­be­merkt vor mir sel­ber. Ich be­grei­fe ge­ra­de jetzt stär­ker als je, wie nothwen­dig eine In­sti­tu­ti­on ist, wel­che es uns er­mög­licht, mit den sel­te­nen Män­nern wah­rer Bil­dung zu­sam­men­zu­le­ben, um an ih­nen Füh­rer und Leit­ster­ne zu ha­ben. Wie stark emp­fin­de ich die Ge­fahr des ein­sa­men Wan­derns! Und wenn ich, wie ich Ih­nen sag­te, aus dem Ge­wühl und der di­rek­ten Berüh­rung mit dem Zeit­geis­te mich durch Flucht zu ret­ten wähn­te, so war selbst die­se Flucht eine Täu­schung. Fort­wäh­rend, aus un­zäh­li­gen Adern, mit je­dem Athem­zu­ge quillt jene At­mo­sphä­re in uns hin­ein, und kei­ne Ein­sam­keit ist ein­sam und fer­ne ge­nug, wo sie uns nicht, mit ih­ren Ne­beln und Wol­ken, zu er­rei­chen wüß­te. Als Zwei­fel, als Ge­winn, als Hoff­nung und Tu­gend ver­klei­det, in der wech­sel­reichs­ten Mas­ken­tracht um­schlei­chen uns die Bil­der je­ner Cul­tur: und selbst hier in Ih­rer Nähe, das heißt gleich­sam an der Hand ei­nes wah­ren Bil­dungs­ere­mi­ten wuß­te uns jene Gau­ke­lei zu ver­füh­ren. Wie be­stän­dig und treu muß jene klei­ne Schaar ei­ner fast sek­ti­re­risch zu nen­nen­den Bil­dung un­ter sich wa­chen! Wie sich ge­gen­sei­tig stär­ken! Wie streng muß hier der Fehl­tritt ge­rügt, wie mit­lei­dig ver­ziehn wer­den! So ver­zei­hen Sie nun auch mir, mein Leh­rer, nach­dem Sie mich so ernst zu­recht­ge­wie­sen ha­ben!«

      »Du führst eine Spra­che, mein Gu­ter«, sag­te der Phi­lo­soph, »die ich nicht mag, und die an re­li­gi­öse Con­ven­ti­kel er­in­nert. Da­mit habe ich nichts zu thun. Aber dein pla­to­ni­sches Pferd hat mir


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