Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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den Räth­sel-Trun­ke­nen, den Zwie­licht-Fro­hen, de­ren See­le mit Flö­ten zu je­dem Irr-Sch­lun­de ge­lockt wird:

      – denn nicht wollt ihr mit fei­ger Hand ei­nem Fa­den nachtas­ten; und, wo ihr er­rat­hen könnt, da hasst ihr es, zu er­schlies­sen

      euch al­lein er­zäh­le ich das Räth­sel, das ich sah, – das Ge­sicht des Ein­sams­ten. –

      Düs­ter gieng ich jüngst durch lei­chen­farb­ne Däm­me­rung, – düs­ter und hart, mit ge­press­ten Lip­pen. Nicht nur Eine Son­ne war mir un­ter­ge­gan­gen.

      Ein Pfad, der trot­zig durch Ge­röll stieg, ein bos­haf­ter, ein­sa­mer, dem nicht Kraut, nicht Strauch mehr zu­sprach: ein Berg­pfad knirsch­te un­ter dem Trotz mei­nes Fus­ses.

      Stumm über höh­ni­schem Ge­klirr von Kie­seln schrei­tend, den Stein zer­tre­tend, der ihn glei­ten liess: also zwang mein Fuss sich auf­wärts.

      Auf­wärts: – dem Geis­te zum Trotz, der ihn ab­wärts zog, ab­grund­wärts zog, dem Geis­te der Schwe­re, mei­nem Teu­fel und Erz­fein­de.

      Auf­wärts: – ob­wohl er auf mir sass, halb Zwerg, halb Maul­wurf; lahm; läh­mend; Blei durch mein Ohr, Blei­trop­fen-Ge­dan­ken in mein Hirn träu­felnd.

      »Oh Za­ra­thustra, raun­te er höh­nisch Silb’ um Sil­be, du Stein der Weis­heit! Du warfst dich hoch, aber je­der ge­wor­fe­ne Stein muss – fal­len!

      Oh Za­ra­thustra, du Stein der Weis­heit, du Schleu­der­stein, du Stern-Zer­trüm­me­rer! Dich sel­ber warfst du so hoch, – aber je­der ge­wor­fe­ne Stein – muss fal­len!

      Ver­urt­heilt zu dir sel­ber und zur eig­nen Stei­ni­gung: oh Za­ra­thustra, weit warfst du ja den Stein, – aber auf dich wird er zu­rück­fal­len!«

      Drauf schwieg der Zwerg; und das währ­te lan­ge. Sein Schwei­gen aber drück­te mich; und sol­cher­maas­sen zu Zwein ist man wahr­lich ein­sa­mer als zu Ei­nem!

      Ich stieg, ich stieg, ich träum­te, ich dach­te, – aber Al­les drück­te mich. Ei­nem Kran­ken glich ich, den sei­ne schlim­me Mar­ter müde macht, und den wie­der ein schlim­me­rer Traum aus dem Ein­schla­fen weckt. –

      Aber es giebt Et­was in mir, das ich Muth heis­se: das schlug bis­her mir je­den Un­muth todt. Die­ser Muth hiess mich end­lich stil­le stehn und spre­chen: »Zwerg! Du! Oder ich!« –

      Muth näm­lich ist der bes­te Todt­schlä­ger, – Muth, wel­cher an­greift : denn in je­dem An­grif­fe ist klin­gen­des Spiel.

      Der Mensch aber ist das muthigs­te Thier: da­mit über­wand er je­des Thier. Mit klin­gen­dem Spie­le über­wand er noch je­den Schmerz; Men­schen-Schmerz aber ist der tiefs­te Schmerz.

      Der Muth schlägt auch den Schwin­del todt an Ab­grün­den: und wo stün­de der Mensch nicht an Ab­grün­den! Ist Se­hen nicht sel­ber – Ab­grün­de se­hen?

      Muth ist der bes­te Todt­schlä­ger: der Muth schlägt auch das Mit­lei­den todt. Mit­lei­den aber ist der tiefs­te Ab­grund: so tief der Mensch in das Le­ben sieht, so tief sieht er auch in das Lei­den.

      Muth aber ist der bes­te Todt­schlä­ger, Muth, der an­greift: der schlägt noch den Tod todt, denn er spricht: »War das das Le­ben? Wohl­an! Noch Ein Mal!«

      In sol­chem Spru­che aber ist viel klin­gen­des Spiel. Wer Ohren hat, der höre. –

      2

      »Halt! Zwerg! sprach ich. Ich! Oder du! Ich aber bin der Stär­ke­re von uns Bei­den –: du kennst mei­nen ab­gründ­li­chen Ge­dan­ken nicht! Den – könn­test du nicht tra­gen!« –

      Da ge­sch­ah, was mich leich­ter mach­te: denn der Zwerg sprang mir von der Schul­ter, der Neu­gie­ri­ge! Und er hock­te sich auf einen Stein vor mich hin. Es war aber ge­ra­de da ein Thor­weg, wo wir hiel­ten.

      »Sie­he die­sen Thor­weg! Zwerg! sprach ich wei­ter: der hat zwei Ge­sich­ter. Zwei Wege kom­men hier zu­sam­men: die gieng noch Nie­mand zu Ende.

      Die­se lan­ge Gas­se zu­rück: die währt eine Ewig­keit. Und jene lan­ge Gas­se hin­aus – das ist eine and­re Ewig­keit.

      Sie wi­der­spre­chen sich, die­se Wege; sie stos­sen sich ge­ra­de vor den Kopf: – und hier, an die­sem Thor­we­ge, ist es, wo sie zu­sam­men kom­men. Der Name des Thor­wegs steht oben ge­schrie­ben: »Au­gen­blick«.

      Aber wer Ei­nen von ih­nen wei­ter gien­ge – und im­mer wei­ter und im­mer fer­ner: glaubst du, Zwerg, dass die­se Wege sich ewig wi­der­spre­chen?« –

      »Al­les Gera­de lügt, mur­mel­te ver­ächt­lich der Zwerg. Alle Wahr­heit ist krumm, die Zeit sel­ber ist ein Kreis.«

      »Du Geist der Schwe­re! sprach ich zür­nend, ma­che dir es nicht zu leicht! Oder ich las­se dich hocken, wo du hockst, Lahm­fuss, – und ich trug dich hoch!

      Sie­he, sprach ich wei­ter, die­sen Au­gen­blick! Von die­sem Thor­we­ge Au­gen­blick läuft eine lan­ge ewi­ge Gas­se rück­wärts hin­ter uns liegt eine Ewig­keit.

      Muss nicht, was lau­fen kann von al­len Din­gen, schon ein­mal die­se Gas­se ge­lau­fen sein? Muss nicht, was ge­schehn kann von al­len Din­gen, schon ein­mal ge­schehn, gethan, vor­über­ge­lau­fen sein?

      Und wenn Al­les schon da­ge­we­sen ist: was hältst du Zwerg von die­sem Au­gen­blick? Muss auch die­ser Thor­weg nicht schon – da­ge­we­sen sein?

      Und sind nicht sol­cher­maas­sen fest alle Din­ge ver­kno­tet, dass die­ser Au­gen­blick al­le kom­men­den Din­ge nach sich zieht? Al­so – – sich sel­ber noch?

      Denn, was lau­fen kann von al­len Din­gen: auch in die­ser lan­gen Gas­se hin­aus – muss es ein­mal noch lau­fen! –

      Und die­se lang­sa­me Spin­ne, die im Mond­schei­ne kriecht, und die­ser Mond­schein sel­ber, und ich und du im Thor­we­ge, zu­sam­men flüs­ternd, von ewi­gen Din­gen flüs­ternd – müs­sen wir nicht Alle schon da­ge­we­sen sein?

      – und wie­der­kom­men und in je­ner an­de­ren Gas­se lau­fen, hin­aus, vor uns, in die­ser lan­gen schau­ri­gen Gas­se – müs­sen wir nicht ewig wie­der­kom­men? –«

      Also re­de­te ich, und im­mer lei­ser: denn ich fürch­te­te mich vor mei­nen eig­nen Ge­dan­ken und Hin­ter­ge­dan­ken. Da, plötz­lich, hör­te ich einen Hund nahe heu­len.

      Hör­te ich je­mals einen Hund so heu­len? Mein Ge­dan­ke lief zu­rück. Ja! Als ich Kind war, in ferns­ter Kind­heit:

      – da hör­te ich einen Hund so heu­len. Und sah ihn auch, ge­sträubt, den Kopf nach Oben, zit­ternd, in stills­ter Mit­ter­nacht, wo auch Hun­de an Ge­s­pens­ter glau­ben:

      – also dass es mich er­barm­te. Eben näm­lich gieng der vol­le Mond, todt­schweig­sam, über das Haus, eben stand er still, eine run­de Gluth, – still auf fla­chem Da­che, gleich als auf frem­dem Ei­gent­hu­me: –

      darob ent­setz­te sich da­mals der Hund: denn Hun­de glau­ben an Die­be und Ge­s­pens­ter. Und als ich wie­der so heu­len hör­te, da er­barm­te es mich aber­mals.

      Wo­hin war jetzt Zwerg? und Thor­weg? Und Spin­ne? Und al­les Flüs­tern? Träum­te ich denn? Wach­te ich auf? Zwi­schen wil­den Klip­pen


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