Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ðицше
Читать онлайн книгу.und Laster zu lästern; und wahrlich, ich kam auch nicht, dass ich vor Taschendieben warnte!
Sie wundern sich, dass ich nicht bereit bin, ihre Klugheit noch zu witzigen und zu spitzigen: als ob sie noch nicht genug der Klüglinge hätten, deren Stimme mir gleich Schieferstiften kritzelt!
Und wenn ich rufe: »Flucht allen feigen Teufeln in euch, die gerne winseln und Hände falten und anbeten möchten«: so rufen sie: »Zarathustra ist gottlos«.
Und sonderlich rufen es ihre Lehrer der Ergebung –; aber gerade ihnen liebe ich’s, in das Ohr zu schrein: Ja! Ich bin Zarathustra, der Gottlose!
Diese Lehrer der Ergebung! Überall hin, wo es klein und krank und grindig ist, kriechen sie, gleich Läusen; und nur mein Ekel hindert mich, sie zu knacken.
Wohlan! Diess ist meine Predigt für ihre Ohren: ich bin Zarathustra, der Gottlose, der da spricht »wer ist gottloser denn ich, dass ich mich seiner Unterweisung freue?«
Ich bin Zarathustra, der Gottlose: wo finde ich Meines-Gleichen? Und alle Die sind Meines-Gleichen, die sich selber ihren Willen geben und alle Ergebung von sich abthun.
Ich bin Zarathustra, der Gottlose: ich koche mir noch jeden Zufall in meinem Topfe. Und erst, wenn er da gar gekocht ist, heisse ich ihn willkommen, als meine Speise.
Und wahrlich, mancher Zufall kam herrisch zu mir: aber herrischer noch sprach zu ihm mein Wille, – da lag er schon bittend auf den Knieen –
– bittend, dass er Herberge finde und Herz bei mir, und schmeichlerisch zuredend: »sieh doch; oh Zarathustra, wie nur Freund zu Freunde kommt!« –
Doch was rede ich, wo Niemand meine Ohren hat! Und so will ich es hinaus in alle Winde rufen:
Ihr werdet immer kleiner, ihr kleinen Leute! Ihr bröckelt ab, ihr Behaglichen! Ihr geht mir noch zu Grunde –
– an euren vielen kleinen Tugenden, an eurem vielen kleinen Unterlassen, an eurer vielen kleinen Ergebung!
Zu viel schonend, zu viel nachgebend: so ist euer Erdreich! Aber dass ein Baum gross werde, dazu will er um harte Felsen harte Wurzeln schlagen!
Auch was ihr unterlasse, webt am Gewebe aller Menschen-Zukunft; auch euer Nichts ist ein Spinnennetz und eine Spinne, die von der Zukunft Blute lebt.
Und wenn ihr nehmt, so ist es wie stehlen, ihr kleinen Tugendhaften; aber noch unter Schelmen spricht die Ehre : »man soll nur stehlen, wo man nicht rauben kann.«
»Es giebt sich« – das ist auch eine Lehre der Ergebung. Aber ich sage euch, ihr Behaglichen: es nimmt sich und wird immer mehr noch von euch nehmen!
Ach, dass ihr alles halbe Wollen von euch abthätet und entschlossen würdet zur Trägheit wie zur That!
Ach, dass ihr mein Wort verstündet: »thut immerhin, was ihr wollt, – aber seid erst Solche, die wollen können!«
»Liebt immerhin euren Nächsten gleich euch, – aber seid mir erst solche, die sich selber lieben –
– mit der grossen Liebe lieben, mit der grossen Verachtung lieben!« Also spricht Zarathustra, der Gottlose. –
Doch was rede ich, wo Niemand meine Ohren hat! Es ist hier noch eine Stunde zu früh für mich.
Mein eigner Vorläufer bin ich unter diesem Volke, mein eigner Hahnen-Ruf durch dunkle Gassen.
Aber ihre Stunde kommt! Und es kommt auch die meine! Stündlich werden sie kleiner, ärmer, unfruchtbarer, – armes Kraut! armes Erdreich!
Und bald sollen sie mir dastehn wie dürres Gras und Steppe, und wahrlich! ihrer selber müde – und mehr, als nach Wasser, nach Feuer lechzend!
Oh gesegnete Stunde des Blitzes! Oh Geheimniss vor Mittag! – Laufende Feuer will ich einst noch aus ihnen machen und Verkünder mit Flammen-Zungen: –
– verkünden sollen sie einst noch mit Flammen-Zungen: Er kommt, er ist nahe, der grosse Mittag!
Also sprach Zarathustra.
Auf dem Oelberge
Der Winter, ein schlimmer Gast, sitzt bei mir zu Hause; blau sind meine Hände von seiner Freundschaft Händedruck.
Ich ehre ihn, diesen schlimmen Gast, aber lasse gerne ihn allein sitzen. Gerne laufe ich ihm davon; und, läuft man gut, so entläuft man ihm!
Mit warmen Füssen und warmen Gedanken laufe ich dorthin, wo der Wind stille steht, – zum Sonnen-Winkel meines Oelbergs.
Da lache ich meines gestrengen Gastes und bin ihm noch gut, dass er zu Hause mir die Fliegen wegfängt und vielen kleinen Lärm stille macht.
Er leidet es nämlich nicht, wenn eine Mücke singen will, oder gar zwei; noch die Gasse macht er einsam, dass der Mondschein drin Nachts sich fürchtet.
Ein harter Gast ist er, – aber ich ehre ihn, und nicht bete ich, gleich den Zärtlingen, zum dickbäuchichten Feuer-Götzen.
Lieber noch ein Wenig zähneklappern als Götzen anbeten! – so will’s meine Art. Und sonderlich bin ich allen brünstigen dampfenden dumpfigen Feuer-Götzen gram.
Wen ich liebe, den liebe ich Winters besser als Sommers; besser spotte ich jetzt meiner Feinde und herzhafter, seit der Winter mir im Hause sitzt.
Herzhaft wahrlich, selbst dann noch, wenn ich zu Bett krieche –: da lacht und muthwillt noch mein verkrochenes Glück; es lacht noch mein Lügen-Traum.
Ich – ein Kriecher? Niemals kroch ich im Leben vor Mächtigen; und log ich je, so log ich aus Liebe. Desshalb bin ich froh auch im Winter-Bette.
Ein geringes Bett wärmt mich mehr als ein reiches, denn ich bin eifersüchtig auf meine Armuth. Und im Winter ist sie mir am treuesten.
Mit einer Bosheit beginne ich jeden Tag, ich spotte des Winters mit einem kalten Bade: darob brummt mein gestrenger Hausfreund.
Auch kitzle ich ihn gerne mit einem Wachskerzlein: dass er mir endlich den Himmel herauslasse aus aschgrauer Dämmerung.
Sonderlich boshaft bin ich nämlich des Morgens: zur frühen Stunde, da der Eimer am Brunnen klirrt und die Rosse warm durch graue Gassen wiehern: –
Ungeduldig warte ich da, dass mir endlich der lichte Himmel aufgehe, der schneebärtige Winter-Himmel, der Greis und Weisskopf, –
– der Winter-Himmel, der schweigsame, der oft noch seine Sonne verschweigt!
Lernte ich wohl von ihm das lange lichte Schweigen? Oder lernte er’s von mir? Oder hat ein jeder von uns es selbst erfunden?
Aller guten