Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ðицше
Читать онлайн книгу.sich nicht durch Schweigen zu verrathen.
Mit Worten und Würfeln klappernd überliste ich mir die feierlichen Warter: allen diesen gestrengen Aufpassern soll mein Wille und Zweck entschlüpfen.
Dass mir Niemand in meinen Grund und letzten Willen hinab sehe, – dazu erfand ich mir das lange lichte Schweigen.
So manchen Klugen fand ich: der verschleierte sein Antlitz und trübte sein Wasser, dass Niemand ihm hindurch und hinunter sehe.
Aber zu ihm gerade kamen die klügeren Misstrauer und Nussknacker: ihm gerade fischte man seinen verborgensten Fisch heraus!
Sondern die Hellen, die Wackern, die Durchsichtigen – das sind mir die klügsten Schweiger: denen so tief ihr Grund ist, dass auch das hellste Wasser ihn nicht – verräth. –
Du schneebärtiger schweigender Winter-Himmel, du rundäugichter Weisskopf über mir! Oh du himmlisches Gleichniss meiner Seele und ihres Muthwillens!
Und muss ich mich nicht verbergen, gleich Einem, der Gold verschluckt hat, – dass man mir nicht die Seele aufschlitze?
Muss ich nicht Stelzen tragen, dass sie meine langen Beine übersehen, – alle diese Neidbolde und Leidholde, die um mich sind?
Diese räucherigen, stubenwarmen, verbrauchten, vergrünten, vergrämelten Seelen – wie könnte ihr Neid mein Glück ertragen!
So zeige ich ihnen nur das Eis und den Winter auf meinen Gipfeln – und nicht, dass mein Berg noch alle Sonnengürtel um sich schlingt!
Sie hören nur meine Winter-Stürme pfeifen: und nicht, dass ich auch über warme Meere fahre, gleich sehnsüchtigen, schweren, heissen Südwinden.
Sie erbarmen sich noch meiner Unfälle und Zufälle: – aber mein Wort heisst: »lasst den Zufall zu mir kommen: unschuldig ist er, wie ein Kindlein!«
Wie könnten sie mein Glück ertragen, wenn ich nicht Unfälle und Winter-Nöthe und Eisbären-Mützen und Schneehimmel-Hüllen um mein Glück legte!
– wenn ich mich nicht selbst ihres Mitleids erbarmte – des Mitleids dieser Neidbolde und Leidholde!
– wenn ich nicht selber vor ihnen seufzte und frostklapperte und mich geduldsam in ihr Mitleid wickeln liesse!
Diess ist der weise Muthwille und Wohlwille meiner Seele, dass sie ihren Winter und ihre Froststürme nicht verbirgt; sie verbirgt auch ihre Frostbeulen nicht.
Des Einen Einsamkeit ist die Flucht des Kranken; des Andern Einsamkeit die Flucht vor den Kranken.
Mögen sie mich klappern und seufzen hören vor Winterkälte, alle diese armen scheelen Schelme um mich! Mit solchem Geseufz und Geklapper flüchte ich noch vor ihren geheizten Stuben.
Mögen sie mich bemitleiden und bemitseufzen ob meiner Frostbeulen: »am Eis der Erkenntniss erfriert er uns noch!« – so klagen sie.
Inzwischen laufe ich mit warmen Füssen kreuz und quer auf meinem Oelberge: im Sonnen-Winkel meines Oelberges singe und spotte ich alles Mitleids. –
Also sang Zarathustra.
Vom Vorübergehen
Also, durch viel Volk und vielerlei Städte langsam hindurchschreitend, gieng Zarathustra auf Umwegen zurück zu seinem Gebirge und seiner Höhle. Und siehe, dabei kam er unversehens auch an das Stadtthor der grossen Stadt : hier aber sprang ein schäumender Narr mit ausgebreiteten Händen auf ihn zu und trat ihm in den Weg. Diess aber war der selbige Narr, welchen das Volk »den Affen Zarathustra’s« hiess: denn er hatte ihm Etwas vom Satz und Fall der Rede abgemerkt und borgte wohl auch gerne vom Schatze seiner Weisheit. Der Narr aber redete also zu Zarathustra:
»Oh Zarathustra, hier ist die grosse Stadt: hier hast du Nichts zu suchen und Alles zu verlieren.
Warum wolltest du durch diesen Schlamm waten? Habe doch Mitleiden mit deinem Fusse! Speie lieber auf das Stadtthor und – kehre um!
Hier ist die Hölle für Einsiedler-Gedanken: hier werden grosse Gedanken lebendig gesotten und klein gekocht.
Hier verwesen alle grossen Gefühle: hier dürfen nur klapperdürre Gefühlchen klappern!
Riechst du nicht schon die Schlachthäuser und Garküchen des Geistes? Dampft nicht diese Stadt vom Dunst geschlachteten Geistes?
Siehst du nicht die Seelen hängen wie schlaffe schmutzige Lumpen? – Und sie machen noch Zeitungen aus diesen Lumpen!
Hörst du nicht, wie der Geist hier zum Wortspiel wurde? Widriges Wort-Spülicht bricht er heraus! – Und sie machen noch Zeitungen aus diesem Wort-Spülicht.
Sie hetzen einander und wissen nicht, wohin? Sie erhitzen einander und wissen nicht, warum? Sie klimpern mit ihrem Bleche, sie klingeln mit ihrem Golde.
Sie sind kalt und suchen sich Wärme bei gebrannten Wassern; sie sind erhitzt und suchen Kühle bei gefrorenen Geistern; sie sind Alle siech und süchtig an öffentlichen Meinungen.
Alle Lüste und Laster sind hier zu Hause; aber es giebt hier auch Tugendhafte, es giebt viel anstellige angestellte Tugend: –
Viel anstellige Tugend mit Schreibfingern und hartem Sitz- und Warte-Fleische, gesegnet mit kleinen Bruststernen und ausgestopften steisslosen Töchtern.
Es giebt hier auch viel Frömmigkeit und viel gläubige Speichel-Leckerei, Schmeichel-Bäckerei vor dem Gott der Heerschaaren.
»Von Oben« her träufelt ja der Stern und der gnädige Speichel; nach Oben hin sehnt sich jeder sternenlose Busen.
Der Mond hat seinen Hof, und der Hof hat seine Mondkälber: zu Allem aber, was vom Hofe kommt, betet das Bettel-Volk und alle anstellige Bettel-Tugend.
»Ich diene, du dienst, wir dienen« – so betet alle anstellige Tugend hinauf zum Fürsten: dass der verdiente Stern sich endlich an den schmalen Busen hefte!
Aber der Mond dreht sich noch um alles Irdische: so dreht sich auch der Fürst noch um das Aller-Irdischste –: das aber ist das Gold der Krämer.
Der Gott der Heerschaaren ist kein Gott der Goldbarren; der Fürst denkt, aber der Krämer – lenkt!
Bei Allem, was licht und stark und gut in dir ist, oh Zarathustra! Speie auf diese Stadt der Krämer und kehre um!
Hier fliesst alles Blut faulicht und lauicht und schaumicht durch alle Adern: speie auf die grosse Stadt, welche der grosse Abraum ist, wo aller Abschaum zusammenschäumt!
Speie auf die Stadt