Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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der Wirt vor. »Wenn S’ dann noch bleiben wollen, verlängern S’ eben.«

      Damit war der Maler einverstanden. Er bezog ein geräumiges Einzelzimmer, das mehr als komfortabel eingerichtet war. Vom Fenster hatte er einen herrlichen Blick auf die Almwiesen und Berge. Zwei imposante Gipfel dominierten das Bild, deren schneebedeckte Spitzen hoch in den blauen Himmel ragten.

      Robert packte seine Reisetasche aus und erfrischte sich im Bad. Dann ging er hinunter ins Restaurant. Er hatte zuletzt am Mittag ein belegtes Brot gegessen und bekam langsam Hunger. Er war froh darüber, wieder Appetit zu haben. In den letzten Wochen hatte er sich regelrecht dazu zwingen müssen, etwas zu essen. Es war eben zuviel gewesen, was da auf ihn einstürmte, doch er glaubte fest daran, daß dieser Urlaub ihm half, die Krise zu überwinden.

      Hatte er geglaubt, Katharina Lehmbacher schon heute abend wiederzusehen, so wurde er enttäuscht. Natürlich, fiel es ihm ein, nachdem er vergeblich nach ihr Ausschau gehalten hatte, es war ja ihr freier Tag, da würde sie nicht am Abend im Hotel sein.

      Das junge Madel hatte sich lächelnd von ihm verabschiedet, nachdem sie aus dem Bus gestiegen waren.

      »Auf Wiedersehen, Herr Demant, ich hoffe, Sie werden sich im Löwen wohl fühlen.«

      »Ganz bestimmt«, hatte er geantwortet.

      Inzwischen wußte er, daß er gut daran getan hatte, Katharinas Ratschlag, hier im Hotel abzusteigen, zu befolgen. Sepp Reisinger und seine Frau, die Robert ebenfalls kennengelernt hatte, waren freundliche Wirtsleute, und das Personal herzlich und zuvorkommend. Der Maler wählte ein leichtes Fischgericht zum Abendessen und bestellte ein Glas Weißwein dazu. Trotz des regen Abendbetriebs, der im Lokal herrschte, war von Hektik nichts zu spüren. Wie immer hatten Sepp und seine Angestellten alles im Griff, Essen und Getränke wurden prompt serviert.

      Früher, als er vor der Frage stand, das wenige Geld, das er besaß für Farben oder Verpflegung auszugeben, hatte Robert nie großen Wert auf das Essen gelegt. Die Nahrungsaufnahme war für ihn ein notwendiges Übel gewesen, zur Aufrechterhaltung der körperlichen Funktionen. Das änderte sich erst mit dem Erfolg, den der Maler mit seinen Bildern hatte. Er lernte den Wert eines guten Essens zu schätzen und nahm sich Zeit, die Mahlzeiten ausgiebig zu genießen. Von dem gebratenen Zander, der auf einem Gemüsebett serviert wurde, war er geradezu begeistert und er bestellte einen weiteren Schoppen von dem leichten Weißwein.

      Später saß er am offenen Fenster seines Zimmers und sah in die anbrechende Nacht hinaus. Die beiden Gipfel, es waren der Himmelsspitz und die Wintermaid, wie er inzwischen aus dem Hausprospekt erfahren hatte, konnte er nun nicht mehr erkennen. Allerdings hätte er dafür auch gar kein Auge gehabt, denn vor ihm in der Dunkelheit stand ein anderes Bild – das jener jungen Frau, die er am Nachmittag kennengelernt hatte.

      Robert Demant konnte es sich so genau in Erinnerung rufen, als stände sie direkt vor ihm. Jede Einzelheit ihres Gesichts sah er – die braunen Augen, das kecke, kleine Näschen und die geschwungenen Lippen. Und er spürte eine tiefe Sehnsucht, diese Lippen zu küssen…

      Diese Gefühle, bei denen er sich jetzt ertappte, waren tiefer, als er es jemals für eine Frau empfunden hatte.

      Sein Beruf hatte es mit sich gebracht, daß Robert viele Frauen kennenlernte. Für ein paar von ihnen hatte der gutaussehende Mittdreißiger durchaus Interesse gezeigt, doch zu mehr als ein paar lockeren Verbindungen war es nie gekommen. Der Maler liebte seine Freiheit über alles und fürchtete, in seinem Schaffen eingeengt zu werden, sobald er sich zu sehr an einen anderen Menschen fesseln lassen würde.

      Doch jetzt merkte er, daß dieser Freiheitsdrang gar nicht mehr so stark vorhanden war. Beinahe ungläubig gestand er sich ein, daß Katharina Lehmbacher ihm mehr bedeutete, als er bis jetzt geahnt hatte.

      *

      Wolfgang Lehmbacher blätterte in der Tageszeitung. Als er auf den Anzeigenteil stieß, schlug er die Seite interessiert auf. In Gedanken zählte er die paar Mark durch, die er noch in seiner Geldbörse hatte. Viel war es wirklich nicht, aber für das Bier und die Würste, die er bestellt hatte, würde es noch reichen.

      Hoffnungsvoll las er die Anzeigen mit den Stellenangeboten durch. Er mußte unbedingt Arbeit finden. Das Geld war das letzte, und zu Kathie konnte er nicht schon wieder gehen. Er schuldete ihr ohnehin noch vierhundert Mark vom letzten Monat.

      In der verräucherten Kneipe in Waldeck saßen nur wenige Gäste. Der Wirt lehnte müde hinter dem Tresen, während seine Frau in der Küche die bestellten Würstchen heiß machte. Wolfgang Lehmbacher ging jede Annonce durch. Alle möglichen Arbeiten wurden angeboten, doch für einen jungen Mann mit abgebrochenem BWL-Studium war nichts darunter. Der Wirt brachte die Würstchen, die lieblos neben einer trockenen Scheibe Brot und einem sparsamen Klecks Senf auf dem Teller lagen.

      Wolfgang verzichtete auf das Besteck und aß gleich aus der Hand. Dabei las er weiter.

      Da – diese Anzeige! Das konnte etwas sein.

      »Junger Mann mit Führerschein Kl. 3, gesucht«, stand dort zu lesen. Es wurde viel Geld für eine leichte Tätigkeit geboten. Darunter stand eine Telefonnummer, hier aus Waldeck.

      Wolfgang aß schnell auf und bezahlte. Dann fragte er nach einem Telefon. Zwar besaß er ein Handy, aber da er seit zwei Monaten die Rechnung nicht bezahlt hatte, war der Anschluß gesperrt worden. Der Wirt reichte ihm das Telefon, ein uralter schwarzer Apparat, der noch eine Wählscheibe besaß.

      »Macht fünfzig Pfennig, die Einheit«, sagte er.

      Wolfgang nickte und wählte die angegebene Nummer.

      Nachdem es einige Male geläutet hatte, meldete sich eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung.

      »Grüß’ Gott. Entschuldigen S’ die späte Störung«, sagte der junge Mann. »Ich hab’ da g’rad’ Ihre Anzeige gelesen und wollt’ mal fragen, ob die Stelle noch frei ist?«

      »Freilich«, antwortete der Mann. »Wenn S’ wollen, können S’ noch heut’ abend anfangen.«

      »Um was für eine Tätigkeit handelt es sich denn?«

      »Das besprechen wir am besten, wenn S’ hier sind.«

      Er nannte die Adresse.

      »Wissen S’, wo das ist?«

      Wolfgang bestätigte, sich auszukennen und hängte ein.

      Er konnte sein Glück kaum fassen. Noch vor ein paar Minuten hatte er nicht gewußt, ob er so bald wieder warme Würstchen essen würde, und nun hatte er plötzlich eine neue Arbeitsstelle.

      Wieviel sie wohl bezahlten? Hielten die Leute, was sie da in der Anzeige versprachen, oder war es nur Lockangebot? Nun, in ein paar Minuten würde er mehr wissen.

      *

      Die Adresse war eine noble Villa am Rande von Waldeck. Sie war von einer mannshohen Mauer umgeben, und neben der Toreinfahrt war eine Klingel mit Gegensprechanlage angebracht. Wolfgang drückte den Knopf und nannte seinen Namen, als dieselbe Stimme, wie eben am Telefon, fragte, wer da sei. Ein Summen zeigte an, daß er die Tür aufdrücken konnte.

      Über einen sorgsam geharkten Kiesweg gelangte der Besucher zum Haus mit noblem gelbem Putz. Der Weg wurde alle paar Meter mit Laternen beleuchtet, irgendwo plätscherte ein Brunnen. Wolfgang hielt unwillkürlich die Luft an. Arm waren die Leute, die hier wohnten, gewiß nicht. Der Garten ließ erahnen, daß da ein richtiger Gärtner seine Arbeit verrichtete. Rechts von der Villa befanden sich zwei weitere Gebäude, die aber weitgehend im Dunkeln lagen.

      Noch bevor er die Haustür erreichte, wurde sie geöffnet und eine Frau stand im Lichtschein, der nach außen drang.

      »Guten Abend, Herr Lehmbacher, mein Name ist Krammler. Mein Mann erwartet Sie in seinem Arbeitszimmer.«

      Wolfgang nahm die dargebotene Hand. Frau Krammler war kaum älter als seine Schwester Kathie. Sie wirkte elegant. Mit einem Lächeln führte sie den Besucher durch die Eingangshalle zum Arbeitszimmer ihres Mannes.

      Justus Krammler war weitaus älter, als seine Frau.


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