Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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zehn«, antwortete sie. »Aber Sie sehen ja, was los ist, da kann es leicht sehr viel später werden. Außerdem ist drüben im Lokal Stammtischabend. Wenn die Brüder richtig in Fahrt kommen, wollens’ gar net mehr nach Haus. Und ich muß die Kollegin später ablösen.«

      »Haben S’ sich denn schon Gedanken um unseren Ausflug gemacht.«

      »Und ob«, nickte sie schmunzelnd. »Lassen S’ sich überraschen. Aber eins kann ich Ihnen jetzt schon sagen – Sie werden ins Schwitzen kommen.«

      »Wann soll’s denn losgehen?«

      »Morgen, so gegen elf«, schlug Kathie vor. »Wanderschuh’ sind Pflicht, aber keine dicke Joppen, sonst werden S’ wirklich schwitzen wie ein Ochs’.«

      Lachend brachte sie das Geschirr zur Küche. Sepp Reisinger, der das Gespräch zwar mitverfolgt, aber nicht verstanden hatte, kam an Roberts Tisch. Er wußte inzwischen, daß seine Angestellte mit dem Gast bekannt war.

      »Sie waren zufrieden?« fragte er.

      »Wie immer«, antwortete der Kunstmaler. »Ihre Frau ist eine exzellente Köchin.«

      »Wenn S’ mögen, dann sind S’ nachher zum Stammtisch eingeladen, läßt unser Herr Pfarrer Ihnen ausrichten.«

      »Warum net«, nickte Robert Demant.

      Der Geistliche war ihm gleich sympathisch gewesen, und es war lange her, daß der Maler an einem echten Männerstammtisch teilgenommen hatte.

      *

      Herrschten im Restaurant des Hotels edles Tafelsilber, Kerzenleuchter und gestärkte Tischdecken vor, so war es in der Wirtsstube ungleich rustikaler. Holzbänke und Tische standen darin, auf denen keine Decken lagen. Statt heller Kronleuchter, hingen schwere Lampen darüber, die aus den Geweihen erlegter Hirsche gearbeitet waren. Die Wände schmückten Bilder und Schnitzereien, die Szenen aus dem Leben der einfachen Bergbauern wiedergaben und die Holzvertäfelung war von Generationen von Pfeifen- und Zigarrenrauchern wirklich schwarz gefärbt worden.

      Rechts neben dem Tresen stand der runde Stammtisch, an dem bis zu zehn Personen sitzen konnten. Einmal in der Woche trafen sich dort die Honoratioren des Ortes zu einem gemütlichen Plausch, der auch schon mal – je nachdem, worüber man sich unterhielt – zu einem Streit, oft gar politischer Art, auswachsen konnte.

      Heute saßen neben Sebastian Trenker und dessen Bruder Max auch der Bürgermeister von St. Johann sowie Dr. Toni Wiesinger, der junge Mediziner, dort, der vor nicht all zu langer Zeit die Praxis des verstorbenen Dorfarztes übernommen hatte.

      Als Robert Demant in die Gaststube trat, stand Pfarrer Trenker auf und empfing ihn.

      »Schön, daß Sie sich ein wenig zu uns gesellen wollen«, begrüßte er ihn.

      Robert bedankte sich für die Einladung und überließ es dem Geistlichen, ihn vorzustellen.

      »Also, das ist Herr Demant, ein bekannter Kunstmaler aus München«, erklärte Sebastian den anderen.

      Er nannte die Namen der anderen, und Robert begrüßte sie mit einem Kopfnicken.

      »Setzen S’ sich«, forderte Sebastian auf und winkte die junge Bedienung heran.

      »Vielen Dank für Ihre Einladung«, sagte Robert noch einmal. »Wenn S’ erlauben, dann geht die nächste Runde auf mich.«

      Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden. Man prostete sich zu, und als das Gespräch in Gange gekommen war, schien es, als gehöre Robert Demant schon seit ewigen Zeiten in die Stammtischrunde.

      Thema war, wie so oft, der Ausbau des Fremdenverkehrs. Hier kamen Pfarrer Trenker und Bürgermeister Bruckner sich oft ins Gehege, denn Sebastian hatte mehr als einmal alle Hände voll zu tun, die hochtrabenden Pläne des Kommunalpolitikers in die Schranken zu weisen. Wäre es nach dem Bruckner-Markus gegangen, so müßte St. Johann in einer Reihe mit so bekannten Wintersport- und Kurorten, wie St. Moritz, Davos oder Kitzbühel stehen. Dazu bedurfte es natürlich enormer Um- und Neubauten, die nicht nur sehr viel Geld kosteten, sie bedeuteten auch schwerwiegende Eingriffe in die Natur, die gerade hier noch sehr intakt war.

      »Leute, denkt doch nur einmal an die Steuereinnahmen«, gab Markus zu bedenken. »Ganz abgesehen von den Umsätzen, die die Geschäftsleute machen würden.«

      »Aber zu welchem Preis?« wandte Dr. Wiesinger ein, der in dieser Frage auf der Seite des Geistlichen stand. »Lohnt es sich wirklich, wegen einiger hundert Mark, die mehr in der Kasse klingeln, eine gesunde Umwelt durch den Massentourismus in Gefahr zu bringen?«

      »Die Leut’ kommen nur, wenn man ihnen Attraktionen anbietet«, beharrte Markus Bruckner auf seinem Standpunkt. »Und die haben wir nun einmal nicht.«

      »Sag’ das net, Bürgermeister«, widersprach Pfarrer Trenker. »Es gibt den herrlichen Wanderweg über die Hohe Riest, den Höllenbruch, schließlich den Ainringer Forst, als Naherholungsgebiet, und, schlußendlich, haben wir den Zwillingsgipfel, der eine Herausforderung für jeden Bergsteiger ist. Wenn das net Attraktionen genug sind, dann weiß ich auch net…«

      »Net zu vergessen, der Achsteiner-See«, fügte Max Trenker hinzu. »Da gibt’s reichlich Freizeitmöglichkeiten, vom Surfen bis zum Tretbootfahren. Sogar Camping.«

      »Der gehört zur Gemeinde Waldeck, und davon haben wir gar nix«, konterte der Bürgermeister.

      Robert Demant hatte dem Disput eine Weile zugehört.

      »Also, wenn mich jemand fragt«, mischte er sich ein, »mir gefällt an St. Johann gerade, daß es net so überlaufen ist. Ich kenn’ die anderen Orte net so genau, aber ich könnt’ mir vorstellen, daß es auch dort viele Menschen gibt, die froh wären, wenn es bei ihnen etwas ruhiger zuging.«

      »Aber, finden S’ denn net auch, daß zu einem modernen Ort, ein modernes Tourismusangebot gehört?«

      »Nein, im Gegenteil«, wandte der Maler sich direkt an den Bürgermeister. »Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Menschen sich nach Ruhe und Beschaulichkeit sehnen. Mit knapp über dreißig fühle ich mich den jungen Leuten durchaus noch zugehörig. Dennoch hat es mich nicht dorthin gezogen, wo ›alle Welt‹ Urlaub macht. Der Prospekt, den ich in München im Reisebüro zu lesen bekam, hat geradezu den Wunsch in mir geweckt, hierher zu fahren und net an den See oder in den Ort, der gerade ›in‹ ist.«

      Doch damit war die Debatte noch lange nicht beendet. Bis in die Nacht zog sie sich hin. Katharina Lehmbacher hatte inzwischen den Dienst in der Wirtsstube übernommen, was von Robert mit einem Lächeln quittiert wurde.

      Sebastian Trenker war dieses Lächeln nicht verborgen geblieben. Er ahnte, daß es ein unsichtbares Band gab, das den Maler und das junge Madel verband.

      Der Pfarrer kannte Kathie und wußte um deren Bruder, der seiner Schwester oft Kummer machte, weil er keiner geregelten Arbeit nachging. Jetzt fiel ihm auf, daß das Madel fröhlicher als sonst schien. Der Grund dafür saß offenbar hier am Stammtisch. Sebastian beobachtete den Blick, den die beiden sich zuwarfen, und schmunzelte still in sich hinein.

      *

      Immer wieder schaute Robert Demant ungeduldig auf die Uhr. Er stand vor dem Hotel und wartete. Endlich war es soweit. Kurz vor elf sah er Kathie die Straße heraufkommen. Freudestrahlend ging er ihr entgegen. Das junge Madel trug Kniebundhosen, Wanderschuhe und einen leichten

      Anorak. Auf dem Rücken hing ein Rucksack. Kritisch nahm sie Roberts Äußeres unter die Lupe. Auch er hatte derbe Stiefel angezogen, trug eine Cordhose und ebenfalls einen Anorak. Irma Reisinger hatte ihm eine Brotzeit und eine Thermosflasche Tee eingepackt, die er in einem Rucksack untergebracht hatte, den die Wirtin ihm freundlicherweise auslieh.

      »Nun, sind S’ zufrieden, mit dem, was Sie sehen?« fragte er. Kathie nickte.

      »Absolut«, sagte sie. »Dann kann’s losgehen.«

      »Und wohin, wenn man fragen darf?«

      »Man darf. Ich hab’ mir für heut’ eine kleine Tour ausgedacht, es geht auf die Kanderer-Alm. Es ist schon ein


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