Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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wieder nach Hause kam, erlebte sie eine Überraschung. Vor der Wohnung wartete ihr Bruder. Sie hielt unwillkürlich die Luft an, als sie ihn sah.

      Wolfgang trug einen neuen Anzug, dazu ein weißes Hemd und Krawatte. Kathie glaubte ihren Augen nicht zu trauen, so hatte sie ihn seit seiner Abiturfeier nicht mehr gesehen! Stolz wie ein Pfau drehte er sich und zeigte sich ihr von allen Seiten.

      »Ja, sag’ mal, hast’ in der Lotterie gewonnen?« fragte sie, als sie in der kleinen Küche saßen.

      »Viel besser, Schwesterherz«, antwortete er übermütig und zog ein Geldbündel aus der Jackentasche.

      »Du lieber Himmel – woher hast du das viele Geld?«

      Sie sah ihn mißtrauisch an. Sollte der Bursche etwa auf Abwege geraten sein…?

      »Schau net so! Ich hab’s net gestohlen, sondern ehrlich verdient.«

      »Verdient? Ja, bei was denn?«

      »Ich hab’ endlich eine Arbeit«, sagte er, während er die vierhundert Mark abzählte, die er seiner Schwester schuldete.

      »Und jetzt bin ich dabei, meine Schulden zu bezahlen, und über mein Handy kannst’ mich auch wieder erreichen.«

      Kathie setzte sich ihm gegenüber. Sie konnte es noch immer nicht glauben.

      »Eine Arbeit, wirklich? Das ist ja wunderbar. Erzähl’ doch mal, was ist es denn für eine Tätigkeit? Wart’, ich koch’ uns schnell eine Kleinigkeit zum Mittag. Beim Essen kannst mir dann ja alles erzählen. Ich bin schon so gepannt.«

      Sie war aufgesprungen, um an den Kühlschrank zu gehen, doch ihr Bruder wehrte ab.

      »Laß nur«, sagte er. »Ich bin nur gekommen, um dir dein Geld zu bringen. Ich hab’ noch einen Termin, heut’ nachmittag – einen geschäftlichen Termin.«

      Noch ehe sie etwas sagen konnte, war er aufgestanden und aus der Küche.

      »Ich meld’ mich«, rief er ihr noch zu, dann klappte auch schon die Haustür.

      Katharina Lehmbacher blieb ratlos zurück. Sie nahm die Geldscheine, die er ihr auf den Tisch gezählt hatte, und schaute sie kopfschüttelnd an. Zu gerne hätte sie gewußt, was das für eine Arbeit war. Offenbar wurde sie nicht schlecht bezahlt.

      Sie spürte eine leichte Hoffnung. Vielleicht war das ja endlich die Arbeit, die Wolfgang sich immer gewünscht hatte und die er nicht gleich am dritten Tag wieder hinwarf. Sie wünschte es ihm, denn dann würde auch für sie vieles leichter sein.

      Kathie steckte die vierhundert Mark – die sie insgeheim schon abgeschrieben hatte – in einen Briefumschlag und legte ihn zu ihrem Sparbuch. Später konnte sie, auf dem Weg zur Arbeit, bei der Bank vorbeigehen und das Geld einzahlen. Viel war es net, aber immerhin ein Notgroschen.

      Erleichtert über die neue Lebenssituation ihres Bruders, bereitete sie sich auf den Spätdienst vor. Dazu gehörte, daß sie sich sorgfältig frisierte und ein wenig schminkte. Nicht zuviel, nur so, daß die gepflegte Erscheinung unterstrichen wurde.

      Sie saß im Bad vor dem Spiegel und hielt plötzlich inne. Nach zwei freien Tagen freute sie sich wieder auf die Arbeit, doch eben, als sie an das Hotel und die Kollegen dachte, spürte sie ihr Herz heftig klopfen, denn in diese Gedanken schlich sich ein Name ein – Robert Demant.

      Kathie hielt in ihrer Tätigkeit inne. Bis zu diesem Augenblick war er nicht mehr, als eine flüchtige Bekanntschaft gewesen, doch nun merkte sie, daß sie plötzlich viel intensiver an ihn dachte, als zuvor…

      Und ihr Herz schlug auf einmal viel schneller, sehr viel schneller!

      *

      Sie ahnte nicht, daß es Robert Demant nicht anders erging. Der Kunstmaler saß wieder am Fenster des Hotelzimmers, es war schon so etwas wie sein Lieblingsplatz geworden. Nachdem er zunächst gedankenverloren hinausgeschaut hatte, stand er schließlich auf und nahm das Köfferchen mit den Malutensilien zur Hand. Neben Farben, Pinseln und Lösungsmitteln befanden sich ein Skizzenblock und Zeichenkohle darin.

      Robert verspürte seit langer Zeit wieder einmal den Drang, etwas aufs Papier zu bringen. Mit nur wenigen Strichen skizzierte er das Panorama des Zwillingsgipfel, das sich ihm so prächtig darbot. Doch bevor er daran ging, die

      Skizze auszuarbeiten, legte er die Kohle zur Seite. Wie so oft an diesem Tag mußte er an das junge Madel denken, in das er rettungslos verliebt war. Er sehnte den Abend herbei, wo er Kathie in seiner Nähe wußte, auch wenn sie dann nur arbeitete und für ihn kaum Zeit haben würde. Aber da war ja immer noch die Aussicht, auf einen gemeinsamen Ausflug. Sie hatte doch versprochen, ihm alles zu zeigen.

      Er riß das Blatt Papier vom

      Skizzenblock und verharrte einen kurzen Moment mit geschlossenen Augen. Einen Moment, in dem er sich das Gesicht, das er so sehr lieb gewonnen hatte, ins Gedächtnis rief. Dann warf er mit schnellen Bewegungen das Antlitz der geliebten Frau auf das Weiß. Das schmale Kinn, darüber die geschwungenen Lippen und die kleine Nase. Zuletzt die Augen, die so herrlich strahlten, in ihrem samtenen Braun.

      Kritisch betrachtete er sein Werk, radierte hier und verbesserte da und nickte schließlich zufrieden. Ja, das war das Gesicht. Das war Katharina Lehmbacher. Die Augen waren so gezeichnet, daß der Betrachter meinte, der Blick des Madels würde immer ihm folgen, egal, wohin er sich auch wandte.

      Robert setzte sich auf das Bett und stellte den Skizzenblock so an die Nachttischlampe, daß er das Bild immer im Blick hatte. Dann schaute er es lange und intensiv an.

      *

      Wolfgang Lehmbacher fuhr den Wagen mit hohem Tempo über die Autobahn. Schon der zweite Auftrag in einer Woche. Wenn das so weiterlief, dann brauchte er sich um seine Zukunft keine Gedanken machen.

      Die heutige Tour ging nach Südtirol. Wenn alles glatt lief, würde er morgen mittag den Wagen abgeliefert haben und dann bequem mit dem Zug die Heimreise antreten. Gut gelaunt schaltete er das Radio ein und pfiff die Melodie des Schlagers mit, der gerade gesendet wurde. Dabei mußte er an Kathie denken. Die hatte vielleicht Augen gemacht? Und ihm hatte es gefallen, ihr endlich einmal Geld zu geben, anstatt es immer nur von ihr zu nehmen. Mal sehen, dachte er, vielleicht fand sich ein schönes Andenken, das er ihr mitbringen konnte. Eine Kette vielleicht, oder ein Armband. Wenn er das Auto seinem neuen Besitzer übergeben hatte, war noch genügend Zeit, um einen kleinen Einkaufsbummel zu machen. Auf jeden Fall sollte es eine Überraschung für die Schwester werden. Wolfgang wußte, daß sie es nicht immer leicht mit ihm gehabt hatte. Er mußte zugeben, daß es leichtsinnig und auch dumm gewesen war, das Studium einfach hinzuschmeißen, ohne zu wissen, wie es weitergehen sollte. Mit etlichen Aushilfsjobs hatte er versucht, sich über Wasser zu halten. Doch meistens hatte er nach nur wenigen Tagen wieder aufgehört. Entweder war ihm die Arbeit zu stumpfsinnig, oder sie wurde schlecht bezahlt. Da war sein neuer Job doch etwas ganz anderes. Der Herr Krammler zeigte sich äußerst großzügig. Wolfgang dachte an das viele Geld, daß er in seiner Brieftasche trug. Obwohl er seine ganzen Schulden bezahlt und sich neu eingekleidet hatte, war es mehr, als er für gewöhnlich in der Tasche hatte. Dabei hatte er auch noch die Miete für das möblierte Zimmer, das er in Engelsbach bewohnte, für die nächsten drei Monate im voraus bezahlt.

      Ach ja, es ging ihm wirklich gut!

      *

      Das dachte auch Robert Demant, als er im Restaurant des Hotels saß und aus Kathies Hand die Speisekarte entgegennahm. Die junge Saaltochter hatte ihm zugelächelt, als er hereingekommen war, und ihn an den Tisch begleitet. Robert hätte alles darum gegeben, könnte das Madel neben ihm sitzen. Aber das ging natürlich nicht.

      Er ließ sich bei der Auswahl seines Abendessens beraten und bestellte nach Kathies Vorschlägen.

      »Ich vertraue Ihnen blind«, sagte er gut gelaunt.

      Als sie ihm schließlich den Schoppen Wein brachte, heute war’s ein roter, und er davon trank, wußte er, daß es auch diesmal die richtige Wahl war. Er nahm einen neuen Schluck und dachte, ja, es geht mir richtig gut!

      »Wie lang’ müssen


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