Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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sagte er, als sie in der kleinen Wohnung standen.

      »Warum? Wovor hast du denn solche Angst? Die Fenster gehen fast alle zum Hof hinaus. Von der Straße kann man kaum etwas sehen.«

      »Aber das, was man sehen kann, ist vielleicht schon zuviel«, antwortete Wolfgang Lehmbacher und ließ sich erschöpft auf die Eckbank am Küchentisch sinken.

      »Kannst du mir ein Brot machen?« bat er. »Ich hab’ seit gestern abend nichts mehr gegessen.«

      »Ja, natürlich. Aber jetzt sag’ doch endlich, was passiert ist?«

      Sie stellte ihm eine Mineralwasserflasche auf den Tisch und ein Glas. Wolfgang trank gleich aus der Flasche. Er leerte sie in zwei langen Zügen, während Kathie Wurst und Butter aus dem Kühlschrank holte. Dann schnitt sie Brot ab, legte Brett und Messer dazu, und setzte sich schließlich selbst.

      »So, jetzt aber raus mit der Sprache!« forderte sie ihn auf.

      Ihr Bruder schlang gierig zwei Scheiben Brot hinunter, bevor er sich zurücklehnte und die Augen schloß. Für Sekunden verharrte er so, dann öffnete er sie wieder und sah seine Schwester an.

      *

      »Ich bin der größte Trottel, der herumläuft«, sagte er dann mit leiser Stimme und berichtete, was sich ereignet hatte.

      Katharina hörte zu, und je mehr sie zu hören bekam, um so verständnisloser schaute sie Wolfgang an.

      Verhaftet, geflüchtet, von der Polizei gesucht! Gestohlene Autos – natürlich, das mußten die Wagen sein, die in den letzten Tagen und Wochen in St. Johann und Umgebung gestohlen wurden. Und ihr Bruder war in diese kriminellen Machenschaften verstrickt!

      Entsetzt hob das Madel die Hände, und bittere Tränen rannen ihr übers Gesicht.

      »Du mußt dich stellen«, sagte sie schließlich. »Du mußt zur Polizei, sonst macht’s die Sach’ nur noch schlimmer.«

      »Auf keinen Fall! Net bevor ich diesen sauberen Herrn Krammler net gepackt und eigenhändig auf die Wach’ geschleppt hab’!«

      »Sei vernünftig, Wolfgang«, redete Kathie auf ihn ein. »Das ist Sache der Polizei. Du weißt ja gar net, wie gefährlich die Bande ist. Da gehören doch noch mehr dazu, als nur dieser Krammler und seine Frau.«

      Wolfgang schüttelte den Kopf.

      »Den Burschen hol’ ich mir«, beharrte er. »Ich bin ja schon bei der Villa gewesen. Aber da ist niemand. Draußen ist ein Schild, daß sich der feine Herr in Urlaub befindet. Aber er wird ja zurückkommen, der Justus Krammler. Er ahnt ja net, daß sein letzer Coup geplatzt ist.«

      »Aber, was willst denn so lange machen? Willst dich etwa hier verstecken? Das geht doch net.«

      Wolfgang hob beruhigend die Hand.

      »Nein, natürlich net. Verstecken werd’ ich mich schon, aber net hier. Ich kenn da einen guten Platz in den Bergen. Da werden s’ mich net so schnell finden. Ich brauch nur ein bißchen Verpflegung und ein paar andere Sachen zum Anziehen. Meine alte Hose und der dunkle Anorak sind doch noch hier. Und ein paar Schnürsenkel werden sich bestimmt noch irgendwo finden.«

      Er rieb sich müde über die Augen. Keine einzige Minute hatte er mehr geschlafen, seit er in der vergangenen Nacht aus dem Polizeigewahrsam geflohen war. Der Lastwagen war bis in die Nähe von Augsburg gefahren. Von dort hatte Wolfgang sich bis hierher durchgeschlagen. Zweimal hatten ihn mitleidige LKW-Fahrer mitgenommen, denen er eine haarsträubende Geschichte erzählte, die letzten Kilometer war er zu Fuß gegangen. Kathie war seine einzige Hoffnung gewesen. Bei

      ihr würde er Hilfe und Zuflucht finden. Er hoffte nur, daß die Polizei noch nicht bei ihr gewesen war.

      Gottlob hatte sich dann diese Befürchtung nicht bestätigt.

      »Willst dich net erst einmal ein wenig hinlegen?« fragte seine Schwester. »Du mußt doch hundemüde sein!«

      Wolfgang schaute auf die Küchenuhr über dem Herd. Beinahe Mitternacht. In wenigen Stunden würde es schon wieder hell werden. Aber die Verlockung, für eine kurze Zeit die Augen zu schließen, war einfach zu groß, zumal Hunger und Durst gestillt waren, und sich ein wohlig schläfriges Gefühl in ihm breit machte.

      »Aber net lang«, stimmte er schließlich zu.

      Kathie machte ihm ein Bett auf dem Sofa in der Wohnstube zurecht.

      »Weck’ mich aber, bevor die Sonne aufgeht«, ermahnte ihr Bruder sie, bevor er die Augen schloß.

      Die junge Frau räumte die Lebensmittel zusammen und stellte sie zurecht. Dann kochte sie eine große Thermoskanne Kaffee und packte alles in einen Rucksack, der sich in der Abstellkammer fand. Dort lagen auch die alten Kleider, von denen Wolfgang gesprochen hatte. Kathie nahm sie und legte sie zu den anderen Sachen.

      Dann setzte sie sich in einen Sessel und schaute lange Zeit ihren schlafenden Bruder an. Sie selber fand keine Ruhe, viel zu aufgewühlt war sie, als daß sie auch nur eine Minute hätte schlafen können.

      Ach, Wolfgang, dachte sie, wann wirst du endlich gescheit? Seit dem Tod der Eltern war es mit ihm nur noch bergab gegangen. Einfach das Studium geschmissen, zig Arbeitsstellen wieder aufgegeben und nie etwas Rechtes getan. Und immer wieder der Schwester auf der Tasche gelegen.

      Jetzt hatte es beinahe so ausgesehen, als würde er endlich einen Glücksgriff getan haben, doch der erwies sich als Griff in einen Riesentopf, der bis an den Rand mit Pech gefüllt war. Sie hatte es auch nicht so recht glauben mögen, als er in der Küche gesessen war und ihr das Geld vorzählte.

      Aber, daß es so schlimm kommen würde, hätte sie niemals geahnt.

      Kurz vor vier Uhr weckte sie ihn. Schlaftrunken schreckte Wolfgang hoch, besann sich aber sogleich, wo er war, und zog sich um, während Kathie frischen Kaffee für ihn kochte und ihm zwei belegte Brote machte.

      Wolfgang aß und trank im Stehen. Dann schnallte er den Rucksack um und umarmte seine Schwester.

      »Dank’ dir, für alles! Ich mach’s wieder gut«, versprach er. »Und wenn die Polizei kommt – du hast mich net gesehen!«

      »Wohin willst’ denn eigentlich? Kann ich dich irgendwie erreichen?«

      »Besser net«, schüttelte er den Kopf. »Auch wenn du’s net willst – unabsichtlich könnt’st mich doch verraten. So, und jetzt muß ich los, bevor die Sonne richtig aufgeht.«

      »Paß auf dich auf«, konnte Katharina gerade noch sagen, dann war er auch schon durch die Tür gehuscht.

      Angstvoll stand sie ein paar Minuten da, dann sank sie in sich zusammen und schleppte sich in ihr Schlafzimmer. Aufschluchzend ließ sie sich auf das Bett fallen. Ihr Körper zuckte, als sie sich endlich in den Schlaf weinte.

      *

      Maximilian Trenker las interessiert das Fernschreiben, das eben in seinem Büro angekommen war. Darin wurde ein gewisser Wolfgang Lehmbacher als möglicher Autodieb und Schieber gesucht. Eine Personenbeschreibung stand ebenfalls in der Mitteilung, sowie der Hinweis, daß der Gesuchte aus dem Polizeigewahrsam an der deutsch-polnischen Grenze geflohen sei.

      Der Gendarm schüttelte den Kopf. Das war ja ein dolles Ding! Aber er hatte noch nicht zu Ende gelesen. Im letzten Absatz stand, daß Wolfgang Lehmbacher aus Engelsbach stammte und eine Schwester hatte, die in St. Johann wohnhaft sei. Hauptwachtmeister Trenker wurde angewiesen, die Schwester des Flüchtigen in der Angelegenheit zu vernehmen und über den möglichen Aufenthaltsort ihres Bruders zu befragen.

      Max ließ das Blatt sinken. Darum also wurde er benachrichtigt, weil der Lehmbacher hier eine Schwester hatte. Der Beamte wußte sofort, wer sie war. Die Saaltochter aus dem Hotel »Zum Löwen«, Katharina Lehmbacher.

      Der Mann war in der Nacht zu gestern geflüchtet, überlegte Max. Da war es durchaus denkbar, daß er sich bis hierher durchgeschlagen hatte, um bei der Schwester Zuflucht und Hilfe zu suchen. Komisch, dachte er, die Kathie war doch so ein patentes Madel, daß die solch einen mißratenen Bruder


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