Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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nicht im Hotel wohnen bleiben.

      Die junge Frau richtete sich wieder auf. Der Kaffeeduft durchzog die kleine Küche und weckte Kathies Lebensgeister. Sie stand auf und schenkte sich eine Tasse ein. Sie wollte noch einen Moment warten, bis sie ihre Nerven wieder unter Kontrolle hatte. Dann mußte sie im Hotel anrufen und Bescheid sagen, daß sie die nächsten Tage nicht zum Dienst kommen konnte. Anschließend würde sie Dr. Wiesinger bitten, sie nach seiner Sprechstunde zu besuchen. Ihm konnte sie vielleicht erklären, warum sie sich krank und elend fühlte, wenn sie ihm auch nicht die ganze Wahrheit sagen wollte.

      Lieber Gott, betete sie stumm, bitte, laß alles wieder gut werden und beschütz’ meinen Bruder. Er ist kein schlechter Kerl, nur manchmal ein bissel leichtsinnig…

      Und wieder rannen ihr Tränen übers Gesicht.

      *

      »Was ist los? Hast keinen Hunger?«

      Pfarrer Trenker sah seinen Bruder erstaunt an, der am Tisch in der Küche des Pfarrhauses saß und lustlos mit der Gabel auf seinem Teller herumfuhrwerkte. So kannte der Geistliche den Max gar nicht, der immer mit einem riesigen Appetit gesegnet war. Und schließlich gab’s gesottenen Tafelspitz in Meerrettichsauce, mit Roten Beten, die Sophie Tappert selber eingelegt hatte. Eine von Max’ Leib- und Magenspeisen. Auch die Haushälterin betrachtete den jungen Mann eingehend.

      »Stimmt was net mit der Ochsenbrust?« fragte sie. »Oder ist die Sauce net scharf genug?«

      Max schaute auf.

      »Wie? Nein, nein«, beeilte er sich zu versichern. »Es schmeckt prima, wie immer. Es ist nur…«

      »Na los, heraus mit der Sprache«, forderte sein Bruder ihn zum Reden auf. »Man sieht’s dir doch an der Nasenspitze an, daß dich etwas beschäftigt.«

      Max legte die Gabel aus der Hand.

      »Es geht um die Kathie«, begann er. »Katharina Lehmbacher, die Bedienung aus dem ›Löwen‹ und um ihren Bruder.«

      Dann erzählte er von dem Fernschreiben und der Befragung.

      »Ihr Bruder soll also einer der Autodiebe sein…«

      Pfarrer Trenker schüttelte fassungslos den Koopf.

      »Ja, irgendwie steckt er jedenfalls da mit drin«, sagte Max.

      »Der Wagen, mit dem er über die Grenze wollte, gehört einem Mann aus Engelsbach. Wolfgang Lehmbacher wohnt auch dort. Ich weiß net was, aber irgend etwas hat er damit zu tun. Was mir allerdings Kopfzerbrechen macht, ist die Kathie. Ich werd’ das Gefühl net los, daß sie mich belogen hat, als ich sie fragte, ob ihr Bruder sich bei ihr gemeldet hätte, oder ob sie wüßte, wo er sich aufhält. Sie war so merkwürdig – ach, ich weiß auch net. Es täte mir nur leid, wenn sie wegen ihres leichtsinnigen Bruders selber mit dem Gesetz in Konflikt käme.«

      Sebastian nickte. Er verstand seinen Bruder genau, und das war auch das, was er an Max so bewunderte – er war kein sturer Beamter, der alles nur nach Gesetzen und Paragraphen machte. Ihm waren, ebenso wie dem Geistlichen, die Menschen wichtig. Max versuchte immer zuerst zu helfen.

      »Ich hab’ ihr natürlich deine und meine Hilfe angeboten«, fuhr er fort. »Aber ich glaub’ net, daß die Kathie mich wirklich verstanden hat. Sie hat mir ja kaum zugehört. Jedenfalls hatte ich diesen Eindruck.«

      »Ich werd’ sie auf jeden Fall besuchen«, schlug Sebastian vor. »Vielleicht kann ich etwas erreichen.«

      *

      Robert Demant machte ein enttäuschtes Gesicht, als er am Abend das Restaurant betrat und statt des erwartenen Gesichts, das einer anderen Bedienung erblickte.

      »Die Kathie hat sich krank gemeldet«, sagte die andere Saaltochter auf seine Frage.

      »Krank?« rief er bestürzt. »Was fehlt ihr denn?«

      Das junge Madel zuckte die Schultern.

      »Da bin ich leider überfragt«, lautete die Antwort.

      Robert hielt es nicht länger im Restaurant.

      »Der Chef ist drüben, in der Wirtsstube?«

      Das Madel nickte.

      Der Maler bedankte sich und ging hinüber. Sepp Reisinger stand hinter der Theke und zapfte Bier.

      »Guten Abend, Herr Demant«, begrüßte er den Gast. »Haben S’ schon gegessen? Meine Frau hat heut’ taufrische Saiblinge aus dem Achsteinersee bekommen.«

      Robert winkte ab.

      »Vielen Dank, im Moment nicht«, antwortete er. »Aber ich hab’ gehört, daß Kathie Lembacher krank ist. Was fehlt ihr denn?«

      Sepp Reisinger wußte um die Bekanntschaft zwischen dem Kunstmaler und seiner Angestellten, und vielleicht ahnte er auch, daß da noch mehr war, als nur ein bloßes Kennen. Er beging also keinen Vertrauensbruch, wenn er Robert Demant etwas über Kathie erzählte. Allerdings wußte er auch nicht sehr viel zu berichten. Die junge Frau hatte am Morgen anrufen lassen und sich arbeitsunfähig gemeldet. Die Bestätigung durch Dr. Wiesinger war noch am Nachmittag vom Arzt selber hereingereicht worden, nachdem dieser einen Hausbesuch bei Katharina Lehmbacher gemacht hatte.

      Ein nervöser Erschöpfungszustand, ausgelöst durch eine persönliche Krise – so lautete die Diagnose. Dr. Wiesinger hatte Kathie gleich bis zum Ende der nächsten Woche krankgeschrieben.

      »Fragen S’ mich bitte net, was das eigentlich ist«, sagte Sepp Reisinger. »Ich hoff’ nur, daß das Madel schnell wieder gesund wird. Schließlich ist die Kathie eine meiner besten Kräfte.«

      Robert war verzweifelt. Kathie krank! Eine persönliche Krise – wodurch mochte die nur ausgelöst worden sein?

      Er mußte sie sprechen, unbedingt!

      »Sagen Sie, kann ich Kathie anrufen?« fragte er den Wirt.

      Sepp schaute ihn ratlos an.

      »Ich… ich weiß net, ob das richtig…«

      »Bitte, Herr Reisinger, geben Sie mir die Telefonnummer. Sie wissen doch, wie gut Kathie und ich uns kennen. Ihnen kann ich es ja sagen – wir stehen uns nahe, sehr nahe. Bitte, lassen Sie mich mit ihr sprechen.«

      »Also gut«, willigte Sepp Reisinger ein.

      Was der Kunstmaler ihm da eben erzählte, hatte er sich ja sowieso schon gedacht. Er nahm das Telefon und wählte Kathies Nummer, dann reichte er Robert den Apparat.

      Es läutete und läutete, doch am anderen Ende nahm niemand ab.

      »Bitte, Kathie, geh’ ran«, flüsterte der Maler vor sich hin.

      Nach einer Weile endete der Klingelton und das Besetztzeichen war zu hören. Verzweifelt legte Robert auf und drückte die Wahlwiederholung.

      So ging es noch zwei-, dreimal, dann gab er auf.

      »Sie geht net ran, net wahr?«

      Der Wirt sah den Maler mitfühlend an.

      »Lassen S’ ihr Zeit«, sagte er. »Wenn’s so um Sie beide steht, wie Sie’s mir gesagt haben, dann wird sie früher oder später mit Ihnen sprechen wollen. Kommen S’, trinken S’ ein Schnapsl mit mir.«

      Robert sah ein, daß der Wirt recht hatte. Es war zwecklos, stundenlang das Telefon klingeln zu lassen. Wahrscheinlich würde das dauernde Geräusch Kathies Nerven nur noch mehr beanspruchen, und was das Madel jetzt brauchte, war absolute Ruhe.

      Der Maler beließ es bei einem Glas. Dann erbat er sich ein belegtes Brot, das er mit auf sein Zimmer nahm. Richtig zu speisen, so, wie er es sonst gerne tat, danach stand ihm der Sinn im Moment nicht.

      Auch das Brot mochte ihm net so recht schmecken, wenngleich es appetitlich hergerichtet und bestimmt lecker war. Robert Demant saß am offenen Fenster, und seine Gedanken waren bei der Frau, dessen Bild er vor sich hatte. Beinahe zärtlich fuhren seine Finger darüber, streichelten das Gesicht, die Lippen, die er so gerne geküßt hätte.


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