Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Wolfgang nicht sehen, was sich bei der Höhle abspielte, aber es schien, als riefe jemand seinen Namen. Er lauschte. Oder hatte er sich verhört? Jetzt war alles ruhig.

      »Verhört«, sagte er zu sich selbst.

      Der Regen weitete sich zu einem Gewitter aus. Wolfgang fluchte still vor sich hin. Er schimpfte auf das Wetter, die Polizei und auf Krammler, der ihn in diese Lage gebracht hatte.

      »Wart’ nur, Bursche, wenn ich dich in die Finger krieg’!«

      Er hatte diese Drohung fast laut ausgestoßen. Auch wenn Krammler ihn im Moment überhaupt nicht hören konnte.

      »Herr Lehmbacher«, rief plötzlich eine Stimme.

      Wolfgang fuhr hoch. Über den Rand des Plateaus lugte ein Kopf. Sie waren also doch hinter ihm her. Kathie hatte nicht dicht gehalten!

      Ohne zu überlegen versuchte er weiter aufzusteigen. Einen guten Meter hatte er schon geschafft, ohne auf die Rufe des anderen zu achten.

      »Herr Lehmbacher, kommen S’, um Himmels willen, wieder runter!« rief Sebastian Trenker, der das Unglück kommen sah und doch nicht verhindern konnte.

      Wolfgangs rechter Fuß rutschte aus dem Spalt, und seine Finger glitten an dem nassen Gestein ab. Vergeblich suchte er nach einem Halt. Er fiel auf das Plateau und rollte auf den Abgrund zu.

      Im letzten Moment griffen seine Hände und hielten sich an der Kante fest, während seine Beine in der Luft baumelten.

      Pfarrer Trenker hatte sich hochgezogen. Mit drei Schritten war er bei Wolfgang Lehmbacher, der ihn aus angstvoll geweiteten Augen ansah. Sebastian packte ihn bei den Handgelenken.

      »Versuchen S’, daß die Füße Halt finden«, rief er.

      Jetzt, wo er die sichernden Hände spürte, wurde Kathies Bruder ruhiger. Er stützte die Füße ab und arbeitete mit, als Sebastian ihn langsam hochzog. Dann rollten sie vom Abgrund weg und blieben erschöpft liegen.

      »Das war in letzter Minute. Vielen Dank, Herr…«

      »Trenker. Ich bin Pfarrer Trenker, aus St. Johann. Hören Sie mir jetzt mal einen Moment zu.«

      Aus dem Moment wurde eine gute halbe stunde, in der der Geistliche auf den jungen Mann einredete. Zunächst schien Wolfgang den Worten des Pfarrers nicht zu trauen, doch dann nickte er.

      »Ich weiß, ich hab’ ziemlichen Mist gebaut«, sah er ein.

      »Doch daß die Wagen geklaut waren, das hab ich net gewußt.«

      »Ich glaub’ Ihnen, genauso, wie Ihre Schwester Ihnen geglaubt hat. Sie hat nur aus Sorge um Sie preisgegeben, wo Sie sich aufhalten. Also, seien Sie ihr net

      bös’.«

      »Der Kathie? Bestimmt net. Aber, ein bissel mulmig ist mir schon, wenn ich daran denk’, daß ich jetzt ins Gefängnis gehen muß.«

      »Es ist ja net für immer«, tröstete Sebastian ihn. »Außerdem warten wir erstmal den Prozeß ab. Bis dahin kommen S’ bestimmt wieder auf freien Fuß, wenn Sie Ihre Aussage gemacht haben.«

      »Na, Ihr Wort in Gottes Ohr«, meinte Wolfgang Lehmbacher keck.

      Pfarrer Trenker schmunzelte.

      »Da sind S’ bei mir an der richtigen Stelle. Ich werd’s vermitteln.«

      *

      »Wann wird Frau Lehmbacher denn wieder ihren Dienst antreten?« fragte Robert Demant immer wieder.

      »Heut’ mittag ist’s soweit«, lachte Sepp Reisinger, der den Maler verstehen konnte.

      Seit Tagen hatte Robert nichts von Kathie gehört, und seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Zeit hatte er sich damit vertrieben, das Bild, das er von der geliebten Frau gemalt hatte, zu vervollkommnen und kleine Korrekturen vorzunehmen. Jetzt stand es in seinem Zimmer auf der Staffelei und wartete darauf, von der Dargestellten bewundert zu werden.

      Pünktlich zur Mittagszeit war Robert unten. Er begegnete Kathie im Vorraum des Restaurants.

      »Da sind Sie ja endlich wieder«, sagte er und streckte eine Hand nach ihr aus.

      Die junge Frau zuckte unwillkürlich zurück.

      »Grüß’ Gott«, sagte sie, aber es klang sehr förmlich.

      So, wie wenn sie irgendeinen Gast begrüßte und nicht ihn. Robert wußte nicht, was er davon halten sollte. Kathie stand an einem Schränkchen und sortierte Servietten in eines der Fächer.

      »Kathie, was ist geschehen?« fragte Robert Demant. »Hab’ ich etwas getan, das Sie verletzt hat? Sagen Sie es mir. Es war gewiß nicht meine Absicht.«

      Sie schaute ihn traurig an, und wenn er sich nicht täuschte, dann sah er in ihren Augen Tränen glitzern.

      »Es ist nichts, Herr Demant«, antwortete sie. »Entschuldigen S’ mich, ich hab’ zu tun.«

      Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen.

      Völlig durcheinander ging Robert wieder auf sein Zimmer. So hatte er sich das Wiedersehen mit der Frau, die er liebte, nicht vorgestellt. Im Gegenteil, wie oft hatte er es sich ausgemalt, wie es sein würde, wenn sie zusammenträfen, und er ihr seine Liebe gestehen konnte.

      Doch dieses Wiedersehen war wie eine eiskalte Dusche gewesen.

      Kathie indes hatte sich in den Personalraum geflüchtet, wo sie ihren Tränen freien Lauf ließ. Sie hatte nicht damit gerechnet, Robert Demant noch anzutreffen, hatte vielmehr geglaubt, er wäre abgereist.

      Nein, sagte sie zu sich, reiß’ dich zusammen. Du hast in den letzten Tagen genug geweint. Die Sache mit ihrem Bruder war überstanden. Dank der Hilfe von Pfarrer Trenker hatte er sich der Polizei gestellt und seine Aussage gemacht. Daraufhin waren Justus Krammler und seine Frau verhaftet worden, gleich, nachdem sie in München aus dem Flugzeug gestiegen waren, das sie aus dem Urlaub nach Deutschland zurückbrachte. Wegen Verdunklungsgefahr hatte das Gericht für beide Untersuchungshaft angeordnet. Wolfgang hingegen, der einen festen Wohnsitz nachweisen konnte, wurde, unter der Auflage sich wöchentlich auf dem Revier zu melden, tatsächlich bis zum Prozeßbeginn freigelassen.

      Außerdem waren weitere drei Mitglieder der Bande verhaftet worden, nachdem Manuela Krammler ein volles Geständnis abgelegt hatte.

      Insofern konnte Katharina Lehmbacher beruhigt sein. Und alles wäre in bester Ordnung gewesen, wenn sie nicht eben auf Robert getroffen wäre. Sie hatte ihn schon beinahe vergessen…

      Nein, dachte sie, vergessen würde sie diesen Mann nie. Dazu liebte sie ihn doch viel zu sehr.

      »Hier bist du«, sagte ihre Kollegin zu ihr, die eben durch die Tür kam. »Hier ist ein Brief für dich. Er lag an der Rezeption.«

      Sie gab Kathie den Brief.

      »Mach’ schnell«, sagte sie. »Die ersten Mittagsgäste sind schon da.«

      »Ich komm’ gleich«, nickte Kathie und riß den Umschlag auf.

      Sie ahnte, von wem der Brief war…

      Robert bat um ein Treffen. Er schrieb, daß er etwas habe, das er ihr geben wollte, bevor er abreiste. Außerdem, so schrieb er weiter, sei sie ihm eine Erklärung schuldig.

      Kathie ließ den Brief sinken. Ja, das war sie ihm wirklich. Sie mußte ihm sagen, was geschehen war, und sich für ihren Bruder entschuldigen. Robert bat um ein Treffen am Abend, dort, wo sie zur Alm hinaufgestiegen war. Sie war gewillt, dort hinzugehen.

      Auch wenn es ihr schwerfallen würde.

      *

      Robert saß an der Stelle, wo Kathie und er ihre erste Rast gemacht hatten. Nach dem enttäuschenden Wiedersehen hatte er den Brief geschrieben und gehofft, daß sie mit diesem Treffen einverstanden sein würde.

      Das Bild hatte er, in braunes Packpapier eingeschlagen, neben sich auf dem Boden liegen. Es sollte ein Geschenk an sie sein. So lange hatte er


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