Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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einen Besuch abstattete, aber das war unmöglich. Sollte der Bruder wirklich bei ihr sein, bestand Fluchtgefahr.

      Seufzend setzte er seine Dienstmütze auf und schloß das Büro hinter sich zu. Wenig später hielt der Polizeiwagen vor dem Haus, in dem Katharina Lehmbacher wohnte. Max Trenker stieg aus und klingelte. Das Läuten war so laut, daß es im ganzen Haus gehört werden mußte.

      Der Beamte wartete ab. Ein, zwei Minuten, dann klingelte er noch einmal. Diesmal länger. Die Klingel gab ein ohrenbetäubendes Geräusch von sich. Nach einer weiteren Minute, Max wollte gerade noch einmal den Klingelknopf drücken, wurde die Tür geöffnet, und eine kleine weißhaarige Frau steckte ihren Kopf heraus.

      »Was machen S’ denn für einen Lärm?« schimpfte sie und deutete mit dem Zeigefinge nach oben. »Die Frau Lehmbacher schläft bestimmt noch. Die hat doch Spätschicht gehabt. Sie kommt meist net vor Mitternacht nach Hause. Die braucht doch ihren Schlaf.«

      Max Trenker tippte sich an den Mützenschirm.

      »Grüß Gott, Frau Strohlinger«, sagte er. »Entschuldigen S’ die Störung, aber ich müßt’ die Frau Lehmbacher sprechen.«

      Die alte Dame zuckte mit der Schulter.

      »Wie ich g’sagt hab’, sie wird noch schlafen. Warten S’, ich geh’ nachschau’n.«

      Im selben Moment wurde die Tür oben geöffnet, und Kathie sah die Treppe hinunter.

      »Guten Morgen, was gibt’s denn?«

      Von dort oben konnte sie nur ihre Vermieterin sehen, den Beamten, der daußen vor der Tür stand, hingegen nicht.

      »Die Polizei, Kathi. Der Herr Trenker möcht’ dich sprechen.«

      Geahnt hatte sie es schon und war gefaßter, als sie zunächst vermutet hatte, als sie den Gedanken durchspielte, die Polizei könne sie befragen wollen. Sie war von dem energischen Läuten wachgeworden, und eigentlich gab es niemanden – außer Wolfgang –, der so früh bei ihr klingelte. Es mußte also die Polizei sein.

      Schnell war sie aufgestanden und hatte ihre Sachen glatt gestrichen. In der Nacht, als ihr Bruder das Haus verlassen hatte, war sie ins Bett gefallen, ohne sich zu entkleiden.

      »Kommen S’ herauf«, rief sie und fuhr sich noch einmal durch die Haare.

      Max Trenker kam die Treppe herauf.

      »Grüß Gott, Kathie«, sagte er und gab ihr die Hand.

      Im Wirtshaus duzte er sie auch, und wenn die Angelegenheit hier auch amtlich war, blieb er doch dabei. So war der Besuch net ganz so offiziell.

      »Pfüat dich, Max. Magst dich setzen?« bot sie ihm einen Platz in der Küche an. »Was führt dich denn hierher?«

      Der Beamte setzte sich auf einen Stuhl. Kathie ging zur Kaffeemaschine und füllte Wasser und Kaffeepulver ein.

      »Tja, also, ich hab’ da ein paar Fragen an dich«, erklärte Max seinen Besuch. »Es handelt sich um deinen Bruder.«

      Kathie tat überrascht und drehte sich um.

      »Wolfgang?« rief sie. »Was ist mit ihm? Hatte er einen Unfall?«

      »Nein, nein. Es ist etwas anderes.«

      Sie griff sich ans Herz.

      »Hat er gar etwas ausgefressen? Geh’, Max, das glaub’ ich net. Doch net der Wolfgang!«

      Der Gendarm hatte seine Mütze abgesetzt und neben sich auf die Eckbank gelegt. Dann zog er das Fernschreiben aus der Jackentasche und strich es glatt. Das Madel schaute ihm reglos zu. Mit keiner Miene gab Kathie zu verstehen, daß sie längst wußte, worum es bei diesem Besuch eigentlich ging.

      »Dein Bruder wird beschuldigt, Autos gestohlen und ins Ausland verschoben zu haben«, sagte der Beamte mit ernster Stimme.

      Er erzählte, was das Madel eigentlich schon von Wolfgang erfahren hatte. Katharina Lehmbacher hörte zu, ohne sich von der Stelle zu rühren. Erst als die Kaffeemaschine blubbernd anzeigte, daß der Brühvorgang beendet war, regte sie sich. Sie drehte sich um und öffnete eine Tür des Küchenschranks.

      »Magst’ auch einen Kaffee?«

      Max Trenker verneinte. Irgendwie kam Kathie ihm merkwürdig vor. Sie tat, als ginge sie das alles gar nichts an. Oder hielt sie die Sache für einen dummen Scherz?

      »Madel, das ist kein Spaß«, sagte er. »Ich muß dich jetzt offiziell fragen: War dein Bruder gestern abend, oder in der Nacht, hier bei dir? Weißt du, wo er sich jetzt aufhält?«

      Sie schüttelte zaghaft den Kopf.

      »Ich muß dich net erst darauf aufmerksam machen, daß es strafbar ist, einem entflohenen Straftäter zu helfen«, mahnte der Beamte.

      »Ich weiß nix«, erwiderte Katharina Lehmbacher beinahe trotzig. »Und überhaupt – habt ihr denn Beweise? Hat jemand gesehen, daß der Wolfgang ein Auto gestohlen hat?«

      »Das net. Aber er hat in einem gestohlenen Fahrzeug gesessen und wollte es über die Grenze schmuggeln. Das ist doch Beweis genug.«

      Max Trenker schlug sein Dienstbuch zu, in das er einige Notizen eingetragen hatte und stand auf.

      »Du bleibst also dabei, daß du net weißt, wo dein Bruder sich jetzt aufhält«, stellte er fest. »Gut, es kann sein, daß ich dich noch einmal zu einer weiteren Befragung, vorladen muß. Sollte dein Bruder sich bei dir melden, dann versuch’ ihn dazu zu bringen, daß er sich stellt. Sonst verschlimmert er die ganze Angelegenheit nur noch. Es ist zu seinem besten, glaub’ mir, Madel.«

      Er setzte seine Mütze wieder auf und griff nach dem Türgriff.

      »Pfüat dich, Kathie«, sagte er im Gehen. »Wenn irgend was ist, wenn du Hilfe brauchst, oder mit jemandem reden möchst’ – mein Bruder und ich, wir sind immer für dich da. Ich möcht’, daß du das weißt.«

      »Dank’ dir, Max«, nickte Kathie und schloß die Tür.

      *

      Das Madel hörte noch den Beamten die Treppe hinunter gehen, als es auch schon zusammenbrach. Laut aufschluchzend sank Kathie auf einen Stuhl und weinte hemmungslos. Es dauert länger als eine Viertelstunde, bis sie sich etwas beruhigte und wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.

      Wie gerne hätte sie Max die Wahrheit gesagt, ihm gestanden, was sie wußte. Statt dessen hatte sie gelogen. Ausgerechnet sie, die Lügen mehr haßte, als alles andere auf der Welt. Strafbar hatte sie sich gemacht, indem sie dem Polizisten verschwieg, daß ihr Bruder in der Nacht hier gewesen war.

      Kathie trocknete sich die Tränen. Wenigstens in einem Punkt hatte sie nicht gelogen. Sie wußte wirklich nicht, wo Wolfgang sich zur Zeit aufhielt, außer, daß er sich irgendwo in den Bergen versteckte.

      Dennoch war alles schlimm genug, und die hatte keinen Menschen, dem sie sich anvertrauen konnte. Selbst Pfarrer Trenker konnte sie nichts sagen, der würde ihr auch nur raten, seinen Bruder darüber informieren, und Max würde sofort eine Großfahndung einleiten.

      Und Robert Demant? Kathie lachte auf, aber es war kein frohes Lachen, sondern verzweifelt und voller Trauer. Er würde sie verachten, wenn er die Wahrheit erfuhr. Ihr Bruder ein Verbrecher, und sie war nicht besser, weil sie ihn deckte.

      Dabei hatte es so schön begonnen. Schon lange wußte Katharina Lehmbacher, daß sie den Maler liebte, und sie glaubte, daß er diese Liebe erwiderte. Es waren wunderbare Augenblicke, wenn sie zusammen waren. Für morgen hatten sie einen Ausflug verabredet, doch daraus würde nun nichts mehr werden.

      Überhaupt – es war ihr unmöglich, ihm noch einmal unter die Augen zu treten. Die Wahrheit konnte sie ihm nicht sagen, unter gar keinen Umständen, und anlügen wollte sie ihn nicht. Ihn ganz bestimmt nicht, auch nicht um ihres Bruders willen!

      Also war es das beste, ihn nicht wiederzusehen. Sie würde sich krank melden. In der Lage zu arbeiten, war sie in diesem Zustand ohnehin nicht, und gleichzeitig bot sich ihr die Chance, so lange zu Hause zu bleiben,


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