Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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deswegen fragen könnt’.«

      »Vielleicht diesen Professor aus Freiburg, der vor ein paar Monaten da war und sich so lange mit den Kirchenbüchern beschäftigt hat.«

      »Professor Nägeli«, rief Sebastian. »Ja, du hast recht. Der kann uns bestimmt weiterhelfen. Am besten rufe ich ihn noch gleich heut’ abend an, damit wir keine Zeit verlieren.«

      Der Geistliche setzte sein Vorhaben sogleich in die Tat um und beschaffte sich über die Telefonauskunft die Nummer des Gelehrten aus Freiburg. Josef Nägeli war ein waschechter Schwabe aus Stuttgart, was man seinem Dialekt auch anhörte. Er hatte einen Lehrstuhl an der Universität Freiburg, und sein Fachgebiet war das Mittelalter.

      »Pfarrer Trenker aus Sankt Johann?« fragte er erstaunt, nachdem sich Sebastian mit seinem Namen gemeldet hatte. »Natürlich erinnere ich mich an Sie und Ihre schöne Kirche. Na, und ganz besonders an die Kochkünste Ihrer Haushälterin. Wie geht es Ihnen und der Frau Tappert? Sind Sie immer noch so viel in den Bergen unterwegs?«

      »Vielen Dank, Herr Professor«, antwortete der Geistliche. »Uns geht es gut, und wenn meine Zeit es zuläßt, mache ich noch oft meine Bergtouren.«

      »Schön, das freut mich zu hören. Aber es gibt ja bestimmt einen Grund für Ihren Anruf.«

      Das konnte der Pfarrer nur bestätigen, und er erklärte dem Professor den Zweck seines Anrufs. Am anderen Ende herrschte eine Weile Schweigen, dann lachte der Gelehrte polternd los. Sebastian schaute seinen Bruder, der neben ihm stand, nicht verstehend an und zuckte die Schultern.

      »Ich weiß net, was er hat«, flüsterte er und hielt dabei mit der Hand die Sprechmuschel zu.

      »Entschuldigen Sie, wenn ich so laut losgelacht habe«, meldete der Professor sich endlich zu Wort, nachdem der Lachanfall abgeklungen war. »Aber ich habe mir gerade vorgestellt, was für lange Gesichter man in der bayerischen Staatskanzlei machen würde, wenn plötzlich ein Graf von Herdingen auftauchte, der nicht nur sein Schloß und die Ländereien zurückverlangte, sondern auch noch Miete für die letzten vierzig Jahren, die das Kinderheim in dem alten Gemäuer untergebracht ist.«

      »Also glauben Sie net, daß es sich bei diesem Herrn um den letzten Grafen aus dem Geschlecht derer von und zu Herdingen handelt?« wollte Pfarrer Trenker wissen.

      Josef Nägeli hüstelte und wurde dann ernst.

      »Lieber Pfarrer Trenker, der Mann ist ebenso wenig ein Graf wie Sie oder ich«, sagte er bestimmt. »Es gilt als gesichert, daß der letzte Herr auf dem Schloß im Breestertal ehe- und kinderlos verstarb und sein Besitz an den Staat überging. Der Mann, der sich als Graf ausgibt, ist schlicht und einfach ein Betrüger! Ihr Herr Bruder, der Polizist, sollte ihn so schnell wie möglich verhaften. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

      »Nein, Herr Professor«, antwortete Sebastian. »Aber haben Sie vielen Dank. Sie haben uns sehr geholfen und verhindert, daß noch mehr Menschen zu Schaden kommen. Der Mann versteckt sich zwar irgendwo, aber durch Sie haben wir die Gelegenheit, etwas gegen ihn zu unternehmen.«

      »Na, dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg«, verabschiedete der Gelehrte sich.

      Pfarrer Trenker legte auf und drehte sich zu seinem Bruder um. Mittlerweile war auch die Haushälterin hinzugekommen. Gespannt schaute sie Sebastian an. Der berichtete, was der Professor in Freiburg ihm mitgeteilt hatte. Sophie Tappert war entsetzt, gleichzeitig aber auch erleichtert, daß sich ihr Verdacht bestätigt hatte. So bestand doch noch die Chance, Hertha vor einem großen Fehler zu bewahren und mit ihr wieder ins Reine zu kommen.

      »Ich werd’ doch heut’ abend noch mit Frau Breitlanger reden«, kündigte der Seelsorger an. »Ich denke, sie hat ein Recht, sofort zu erfahren, wer dieser Mann ist, der sich ihr Vertrauen erschlichen hat. Hoffen wir, daß es noch net zu spät ist und sie ihm noch kein Geld anvertraut hat.«

      *

      Als Sebastian Trenker diesmal an Herthas Tür klingelte, brauchte er nicht lange zu warten. Die Witwe öffnete schon nach wenigen Minuten. Als sie erkannte, wer da vor ihrer Tür stand, machte sie große Augen.

      »Grüß Gott, Hochwürden, wollen S’ zu mir?« fragte sie.

      »Entschuldigen S’ die späte Störung, Frau Breitlanger«, sagte der Geistliche. »Ja, ich würd’ Sie gern’ in einer dringenden Angelegenheit sprechen.«

      »Kommen S’ doch herein«, nickte die Frau und ließ ihn eintreten.

      Merkwürdig, dachte sie dabei, ob etwa Sophie ihn geschickt hat? Hat sie wohl doch ein schlechtes Gewissen bekommen und will jetzt um gut Wetter bitten. Das sieht ihr ähnlich, daß sie da den Herrn Pfarrer vorschickt und net selbst herkommt.

      »Kann ich Ihnen etwas anbieten?«

      »Vielen Dank, aber ich komm’ gerad’ vom Abendessen«, verneinte der Seelsorger.

      Er setzte sich auf den angebotenen Platz, während Hertha sich ihm gegenüber setzte und ihn erwartungsvoll ansah.

      »Tja, Frau Breitlanger, es ist eine etwas delikate Angelegenheit, die mich zu Ihnen führt«, begann Sebastian.

      Aha, schoß es Hertha durch den Kopf, hab’ ich doch recht gehabt.

      »Frau Tappert erzählte mir, daß Sie die Bekanntschaft eines Grafen Friedrich von Herdingen gemacht haben.«

      »Das ist richtig«, antwortete die Witwe, wobei sie vor Stolz und Aufregung erglühte.

      Sebastian spürte natürlich, in welchem glückseligen Zustand sich die Frau befand, und es tat ihm unendlich leid, sie aus ihren Träumen reißen zu müssen. Aber es mußte sein.

      »Frau Breitlanger, es tut mir furchtbar leid, ich weiß, daß ich Ihnen jetzt sehr weh tun werde, aber es ist net zu ändern.«

      Hertha sah ihn ungläubig an. Was meinte der Herr Pfarrer bloß?

      »Der Mann, der behauptet, ein Graf zu sein, ist ein Schwindler. Sehr wahrscheinlich heißt er Fritz Untermayr und wird von der Polizei gesucht. Der letzte Graf von Herdingen verstarb vor sechzig Jahren, und der ganze Besitz ging an den Staat, weil es keine Nachkommen gab, die das Erbe hätten antreten können.«

      Hertha spürte, wie es sie bei diesen Worten heiß und kalt überlief. Konnte das wirklich sein? War sie tatsächlich einem Betrüger aufgesessen?

      Sie schluckte schwer und rang nach Luft. Sebastian sprang auf und legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.

      »Frau Breitlanger«, rief er beschwörend. »Es tut mir leid, aber das ist die Wahrheit, auch wenn sie noch so weh tut. Ich hoff’ nur, daß ich Sie vor Schlimmerem bewahrt habe.«

      Die Witwe atmete tief durch. Sie hatte sich schneller wieder gefaßt, als Pfarrer Trenker gedacht hatte. Sie schaute eine Weile stumm vor sich hin, dann stand sie auf, ging an die Vitrine und holte eine Flasche mit ihrem selbstangesetzten Eierlikör heraus und goß sich ein großes Glas ein. Sie stürzte es in einem Zug hinunter und setzte sich wieder.

      »Dieser abgefeimte Schuft«, sagte sie nur und sah den Geistlichen an.

      *

      »Hat der Mann Sie um Geld gebeten?« fragte Sebastian.

      Hertha Breitlanger schüttelte den Kopf.

      »Gebeten net«, erwiderte sie. »Aber ich hab’s ihm angeboten. Gleich morgen wollt’ ich zur Bank gehen und das Sparkonto kündigen. Vierzigtausend Mark wollte ich ihm für die Fabrik vorstecken.«

      »Die Fabrik?« fragte der Pfarrer. »Um was für eine Fabrik handelt es sich denn?«

      Die Witwe erzählte es ihm. Sie berichtete von der Fahrt in dem Luxuswagen, der Porzellanmanufaktur, dem Kaffeetrinken in dem Gasthof in Wurzlach.

      »Dann hat er sich da wohl auch als Graf ausgegeben«, seufzte sie und schilderte, wie die Bedienung ihn angeredet hatte.

      »Der Mann scheint sehr raffiniert vorzugehen«, sagte Sebastian. »Die Polizei sucht ihn seit geraumer Zeit. Zum Glück hat sich eine der betrogenen


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