Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker

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Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung - Alfred Bekker


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bildet sich ein, ein Künstler zu sein. Er schmiert irgendwelche Kleckse auf Leinwände und denkt, dass er damit eine neue Perspektive des Sehens eröffnet oder dergleichen Unsinn. Meine Frau hat ihn als Kind zu einem Wochenendseminar Töpfern mitgenommen, als sie auch mal solche Anwandlungen hatte. Das muss ihn verdorben haben. Er war immer ihr Liebling. Sie hat ihn völlig vertätschelt und schon von frühster Kindheit an eingeredet, dass er etwas Besonderes wäre. Wahrscheinlich kann ich froh sein, dass er wenigstens nicht noch schwul geworden ist.“

      Berringer musste sich ein freches Grinsen verkneifen. Für den Gerath wäre das wohl der Supergau gewesen.

      Sekundenlanges Schweigen herrschte. Gerath nahm einen Happen von seinem Brötchen, köpfte dann sein Ei und verzog das Gesicht, weil die Konsistenz des Eigelbs wohl nicht so ganz seinen verfeinerten kulinarischen Vorstellungen entsprach.

      Er aß es aber schließlich doch – und zwar nach einem kurzen Blick auf die Rolex an seinem Handgelenk, was Berringer zu der Vermutung veranlasste, dass irgendein Termin den Unternehmer drängte. Wie immer.

      Mit vollem Mund sprach er weiter.

      „Mit dem Jüngsten – Andreas heißt er – hat es eigentlich ganz gut angefangen. Er hat zunächst in der Firma mitgearbeitet, und ich habe ihn schrittweise an immer wichtigere Aufgaben herangeführt. Irgendwann, so dachte ich, übernimmt er den ganzen Laden mal ...“

      „Hat er seine Pläne geändert“, vermutete Berringer.

      „ Ich habe sie geändert.“

      „Ach.“

      „Ich musste sie ändern, leider.“ Erneut folgte eine kurze Pause, ehe Peter Gerath weitersprach. „Er hat Gelder veruntreut. Wie sich herausstellte, war er kokainabhängig und spielsüchtig. Ich konnte nicht anders, als ihn aus dem Spiel nehmen.“

      Aus dem Spiel nehmen. War das nun ein Wortspiel hinsichtlich der Spielsucht seines Sohnes, überlegte Berringer, oder sagte diese Formulierung etwas über Geraths allgemeine Einstellung zu Menschen aus? Nahm er wie ein Trainer Menschen aus dem Spiel und wechselte sie aus, wenn sie seine Erwartungen nicht erfüllten?

      „Was macht Ihr Sohn Andreas jetzt?“, fragte Berringer.

      „Ich denke, er hat seinen Drogenentzug hinter sich.“

      „Sie denken?“

      „Um ehrlich zu sein, wir haben seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr.“ Gerath schaute erneut auf die Uhr. „Ich habe einen Termin. In der Firma stecken wir in der heißen Entwicklungsphase für mehrere Produkte, und es stehen noch letzte Besprechungen für die kommende BOOT an.“ Er deutete auf die Brötchen. „Wenn Sie doch noch Hunger haben, langen Sie zu!“

      „Wo ist Ihre Frau?“

      „Sie ist schwimmen gefahren. Das macht sie öfter morgens. Im Gegensatz zu mir sorgt sie dafür, dass sie fit bleibt. Ich habe leider keine Zeit dafür. Die Reiterei am Sonntagmorgen war das Einzige, was ich mir in dieser Hinsicht gegönnt habe, aber das ist ja nun vorbei.“

      „Ich würde gern mit Ihrer Frau sprechen, damit ich ein abgerundetes Bild Ihrer Situation ...“

      „Halte ich für Zeitverschwendung“, fiel ihm Gerath ins Wort. Doch als er Berringers Blick bemerkte, fügte er hinzu: „Aber wenn Sie meinen ... Sie müsste jeden Moment wieder hier sein. Dann kann Sie Ihnen den ganzen Morgen die Ohren voll quasseln.

      Nur vergessen Sie nicht, dass ich Sie nicht dafür bezahle, in meinem Privatleben herumzuschnüffeln.“

      „Keine Sorge.“

      Gerath legte die Serviette zur Seite, erhob sich und wollte sich bereits von Berringer verabschieden. Aber der hatte noch etwas sehr wichtiges auf dem Herzen.

      „Vielleicht sollten wir, bevor Sie gehen, noch einmal kurz über Frank Severin reden.“

      „Frank? Wieso?“ Gerath zog die Augenbrauen zusammen. Eine tiefe Furche entstand zwischen seinen Augen. Ein missbilligender Ausdruck. „Was soll mit Herrn Severin sein?“

      „Er ist Geschäftsführer Ihrer Tochterfirma Avlar Sport.“

      „Ja ...“ Gerath musterte Berringer verständnislos und entschied dann, wieder Platz zu nehmen. „Aus marketingtechnischen Gründen haben wir für den Sportswear-Bereich ein eigenes Unternehmen gegründet. Marktdiversifikation nennt man das.“ Wie man das nannte, war Berringer völlig schnuppe, dennoch sagte er: „Aha.“

      „Sitz der Firma ist am Glockenspitz, im Gewerbegebiet von Dießem, während unser Mutterwerk ja an der Gladbacher Straße liegt. Frank Severin ist Geschäftsführer bei Avlar Sport, und ich lasse ihm ziemlich freie Hand.“ Er lachte und fügte hinzu:

      „Solange er dafür sorgt, dass ich reich werde!“

      Berringer überlegte einen Augenblick, ob er den Verdacht, dass Severin eine Affäre mit Frau Gerath hatte, bereits äußern sollte, um Geraths Reaktion zu beobachten.

      Aber es war wohl besser, auch in dieser Hinsicht erst einmal die Fakten zu sammeln.

      Schließlich wollte er den guten Mann nicht völlig unnötig auf die Palme bringen.

      Seine geliebte Laura war ihm unterm Hintern weggeschossen worden, und seine Frau betrog ihn möglicherweise mit dem eigenen Geschäftsführer – das war dann vielleicht doch etwas viel.

      Die andere Sache, die Severin betraf, musste allerdings angesprochen werden.

      „Severin scheint Kontakt zu einem Mann namens Ferdinand Commaneci zu haben“, eröffnete er dem Geschäftsmann.

      Gerath runzelte die Stirn. „Wer soll das sein?“

      „Commaneci ist Chef der Firma Garol ImEx, Bukarest und Düsseldorf. Diese Firma ...“ Berringer senkte den Tonfall und beugte sich etwas vor. „Diese Firma steht in Verdacht, in mafiöse Geschäft verwickelt zu sein.“ Er hob wie mahnend den Zeigefinger. „Die Betonung liegt auf ›steht in Verdacht‹.“ Er hatte gelernt, in seinem Job vorsichtig zu sein mit dem, was er sagte.

      „Und?“, fragte Gerath schroff. „Glauben Sie, dass es so ist?“

      „Die Polizei glaubt es“, wich Berringer aus. Er war der Ansicht, dass das genug sagte.

      „Das ist ja ein Ding“, murmelte Gerath.

      „Damit habe ich nicht gesagt, dass Commaneci hinter den bekannt gewordenen Schutzgelderpressungen steckt“, schränkte Berringer ein.

      Gerath überlegte, dann straffte er sich. „Ich vertraue Frank Severin voll und ganz“, sagte er mit einer Überzeugung, die keinen Raum für den geringsten Zweifel ließ. „Er ist einer der innovativsten Mitarbeiter der gesamten Unternehmensgruppe. Er gehörte schon seit einigen Jahren zu meinen besten Mitarbeitern. Er ist ein grandioser Textilchemiker, auf dessen Konto einige wichtige Patente gehen.“ Er nickte, als wolle er seine Worte damit unterstreichen, und fügte hinzu: „Aber andererseits auch ein Geschäftsmann, was in dieser Kombination ziemlich einzigartig ist.“

      „Ich habe erfahren, dass Severin vor kurzem bedroht und zusammengeschlagen wurde“, erklärte Berringer, „aber hinterher hat er behauptet, alles wäre in Ordnung.“

      „Woher wissen Sie das?“

      „Heißt das, Sie wussten davon?“

      „Meine Güte“, murmelte Gerath und wandte den Kopf, um in eine Ecke des Wintergartens zu starren, „wie soll ich mich da ausdrücken?“

      „Ein einfaches Ja oder Nein würde mir zunächst mal genügen“, antwortete Berringer.

      „Bei einem Ja stelle ich die weiterreichenden Fragen schon ganz von allein.“ Gerath schnaubte und richtete seinen Blick wieder auf den Detektiv. „Es ist mir zugetragen worden. Aber wäre es um Schutzgelder gegangen, hätte mir Severin davon erzählt.“

      „Nun, vielleicht auch nicht“, murmelte Berringer sinnierend.


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