Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker
Читать онлайн книгу.Er musste sehr an sich halten, um seine Meinung nicht lauthals zu äußern. Aber so etwas brachte nichts, das wusste Berringer aus leidvoller Erfahrung.
„Severin war in illegale Geschäfte verwickelt, die über Avlar Sport liefen“, berichtete Berringer daher äußerst sachlich. „Wie tief er in diesen Sumpf verstrickt war, wird die polizeiliche Untersuchung ergeben, Herr Gerath. Sie werden damit leben müssen, dass die Presse und die Öffentlichkeit Avlar Sport in nächster Zeit immer wieder mit diesen schmutzigen Geschäften und Severins Ermordung in Verbindung bringen wird.
Ganz bestimmt keine gute Werbung für Ihre Sportkleidung.“
„Und ich habe ihm vertraut!“, stieß Peter Gerath bitter hervor. Berringer fragte sich, woher diese Bitterkeit in erster Linie rührte. War es der private Betrug? Der schien ihn weit weniger zu kümmern als der geschäftliche, wie Berringer verwundert feststellte.
„Wenn es wirklich so wäre, wie Sie behaupten, und ich hätte ein Verhältnis mit Herrn Severin gehabt ...“, begann Regina Gerath.
Aber Berringer unterbrach sie. „Tun Sie nicht so, als wäre er für Sie Herr Severin gewesen, das ist ja lächerlich!“
„Kein Wunder, dass der Polizeidienst nichts für Sie war“, versetzte sie, „da Sie offensichtlich so etwas wie die Unschuldsvermutung gar nicht kennen!“ In diesem Moment reagierte Gerath. Er wandte sich seiner Frau zu und hielt ihr vor:
„Es ist nicht zu fassen! Ich biete dir hier ein Leben in allem nur erdenklichen Luxus, seitdem unsere Kinder groß sind, hast du nichts weiter zu tun, als dich deinen pseudokreativen Anwandlungen zu widmen, und da fällt dir nichts Besseres ein, als dich mit meinem Geschäftsführer einzulassen? Ausgerechnet Severin!“ Meine Güte, dieser Ausbruch von Emotionen kam aber mit deutlicher Verzögerung, dachte Berringer. Gefühlsmäßig schien Peter Gerath tatsächlich eine lange Leitung zu haben. Vielleicht hatte er sich zu lange und zu intensiv seinen Pferden gewidmet.
„Wenn ich wirklich ein Verhältnis mit Frank gehabt hätte, wieso hätte ich ihn dann umbringen sollen?“, hielt Regina Gerath dem Privatermittler vor. „Können Sie mir das vielleicht erklären, Sie Superdetektiv? Das ist doch alles völlig hirnrissig und an den Haaren herbeigezogen, was Sie uns da auftischen!“ Und an ihren Gatten gerichtet, fuhr sie fort: „Dieser Mann will uns doch nur auseinander bringen. Keine Ahnung, was er sich davon verspricht, einen Keil zwischen uns zu treiben, aber ...“
„Dann bestreitest du, ein Verhältnis mit Severin gehabt zu haben?“, fiel ihr Peter Gerath ins Wort. „Du nanntest ihn gerade Frank ...“ Er schüttelte den Kopf, trat an die Fensterfront und blickte hinaus in den Garten, wo die Wachmänner patrouillierten. „Ich habe mich schon längere Zeit gefragt, ob da wohl irgendetwas läuft. Allerdings hätte ich nie gedacht, dass es Severin ist. Ausgerechnet Severin!“ Er schüttelte erneut den Kopf und fuhr sich dann mit einer fahrigen Geste übers Gesicht.
„Sie wollten Ihren Mann psychisch fertig machen und wahrscheinlich auch umbringen“, sagte Berringer zu Regina Gerath. „Severin war Ihr Komplize dabei. Er hat bei der Bundeswehr schießen gelernt.“
„Das ist doch alles nicht wahr!“, kreischte sie, die ihre brüchig gewordene Fassung allmählich verlor.
Endlich, dachte Berringer. Er hatte schon gedacht, diese Frau wäre ein einziger Felsklotz, an den selbst er sich die Zähne ausbeißen würde. Endlich schien zumindest ein wenig von dem heißen Magma hervorzubrechen, was da unter der dicken, lange erkalteten Kruste brodelte, mit der sie ihre Seele umgeben hatte.
Ihre Augen funkelten voller Wut, als sie sich wieder an ihren Mann wandte. „Ich will nicht verhehlen, dass du es durchaus verdient hättest, ein bisschen gequält zu werden, und dass ich deine Pferde noch nie leiden konnte! Ein bisschen von der Liebe, die du deinen Viechern entgegengebracht hast, hättest du vielleicht ja auch mal in deine Kinder oder deine Frau investieren können!“ Sie lachte hysterisch auf. „Investieren –
das ist doch der passende Begriff, wenn ich mich nicht irre! Glaubst du, Maja wäre sonst in die Arme dieses obskuren Gurus gelaufen und hätte nichts Besseres zu tun, als ihren Vater um Geld anzubetteln, das sie dann umgehend an diesen Spinner weitergibt? Glaubst du, Andreas wäre spiel- und kokainsüchtig geworden, wenn du nicht ständig nur an seiner Arbeit in der Firma herumgemäkelt hättest, anstatt ihm die Anerkennung zu zollen, die er verdient gehabt hätte!“
„Er hat Gelder veruntreut!“, verteidigte sich Peter Gerath.
„Aber erst, nachdem er krank geworden war. Was sollte er denn auch tun? Da er deine Liebe und Anerkennung schon nicht bekommen konnte, hat er wenigstens dein Geld genommen.“
„Er hat mich betrogen! Was erwartest du da?“
„Mir hat er sein Herz ausgeschüttet, aber du hast ihm nie – nie! - zugehört!“
„Ach, was redest du da!“
„Und Till! Dessen künstlerische Fähigkeiten hast du nie anerkannt. Seine Ambitionen waren für dich immer nur Hirngespinste – auch als längst klar war, dass er zu allem anderen, nur nicht zu einer Existenz als freier Unternehmer taugt! Aber dich hat das ja nicht gekümmert! Wer sich deinen Plänen nicht unterordnete, der wurde mit Verachtung oder Geldentzug bestraft – so war es doch!“
„Ach, jetzt bin ich allein an der Misere unserer Kinder Schuld? Dabei hast du sie doch erzogen, sie an deinem Rockzipfel gehalten und nicht zugelassen, dass sie selbstständige Menschen wurden! Du gibst Till doch immer noch Geld, damit er über die Runden kommt! Ist doch wahr, oder glaubst du, ich merke das nicht?“
„Till ist auf dem Weg, ein wirklich großer Künstler zu werden. Ein kreativer Mensch, dem einfach eine andere Art von Leben vorschwebt, als du es dir vorstellen kannst.
Und in gewisser Weise trifft das auch auf Maja zu. Nein, du hättest es weiß Gott verdient, das man dich leiden lässt, und ich trauere kein bisschen um deine Pferde!
Und die blauen Flecken, die du dir beim Sturz von deinem verfluchten Island-Gaul zugezogen hast, die hast du dir redlich verdient!“ Der pure Hass sprach aus ihren Worten, ihren Augen, ihrer Gestik und der zur grimmigen Maske erstarrten Mimik.
„Wie kannst du mich nur so verabscheuen? Und was war jetzt mit Severin?“ Seine Worte trafen sie wie Schläge. Plötzlich wankte sie zurück. „Ja, es ist wahr“, sagte sie mit leiser Stimme. „Ich hatte ein Verhältnis mit ihm.“
„Und wenn ihr beide mich umgebracht hättet, dann wärt ihr aus dem Schneider gewesen. Du hättest mit deinen Kindern eine Erbengemeinschaft bilden können, und Severins dubiose Geschäfte wären nicht ans Licht gekommen!“
„Aber dann kam es zum Streit, nehme ich an“, sagte Berringer. „Worum ging es?“, fragte er Regina Gerath. „Haben Sie Ihren Geliebten nur deswegen getötet, weil er Sie hätte verraten können?“
Sie starrte ihn fassungslos an. „Warum hätte Frank das tun sollen?“
„Weil er früher oder später aufgeflogen wäre. Er machte Geschäfte mit Ferdinand Commaneci, einem Mann, der seit langem im Verdacht steht, zu einer mafia-
ähnlichen Organisation zu gehören oder sie sogar zu leiten. Severin wurde verprügelt
– wahrscheinlich von Commanecis Leuten. Vielleicht wollte er aussteigen, aber dann wäre Ihre Rechnung nicht mehr aufgegangen.“
„Das ist doch Unfug!“, schrie sie ihn an.
„Frank Severin starb wahrscheinlich durch einen Handkantenschlag, den Sie bei Ihrem Aikido-Training gelernt haben.“
Sie schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender. „Wer - wer sagt das?“
„Die Gerichtsmedizinerin. Sie waren am Tatort, dafür gibt es einen Zeugen. Der Tod wurde höchstwahrscheinlich durch eine Verletzung herbeigeführt, die ebenfalls in Ihre Richtung deutet. Erklären Sie’s mir, wenn’s anders war, aber mir fällt im Moment keine plausiblere Lösung ein, als dass Sie Severin ermordet haben.
Vielleicht