Der Raum, in dem alles geschah. John Bolton
Читать онлайн книгу.Da fühlte sich mein Handy wie eine explodierende Handgranate an, so viele Anrufe, E-Mails, Tweets und Nachrichtenmeldungen kamen herein.
Ich hatte nun etwa zwei Wochen Zeit, um den notwendigen Übergang vom Privatleben zum Regierungsdienst zu vollziehen, in rasendem Tempo. Am nächsten Tag rief mich Trump während seiner Geheimdienstbesprechung an und sagte: »Die Presseberichte über Sie sind großartig«, die Ankündigung werde »ganz groß gespielt«, erhalte »großartige Kritiken … die Basis ist begeistert«, und so weiter. Irgendwann sagte er: »Einige von denen denken, Sie sind der böse Bulle«, und ich antwortete: »Wenn wir ›guter Bulle / böser Bulle‹ spielen, ist der Präsident immer der gute Bulle.« Trump antwortete: »Das Problem ist, dass wir zwei böse Bullen haben«, und ich konnte hören, wie die anderen, die im Oval zur Geheimdienstbesprechung waren, lachten, genau wie ich.
Da Trump angekündigt hatte, dass ich am 9. April beginnen würde, hatte das Überprüfungsverfahren durch den Rechtsberater des Weißen Hauses oberste Priorität. Dieses erforderte das Ausfüllen umfangreicher Formulare und eine Befragung durch die Anwälte des Büros des Rechtsberaters zu Fragen der finanziellen Offenlegung, möglichen Interessenkonflikten, Anforderungen für die Veräußerung von Vermögenswerten (nicht dass ich so viel zu veräußern hätte), weiterhin die Auflösung bestehender Arbeitsverhältnisse, das Einfrieren meines PAC und SuperPAC während meines Regierungsdienstes und Ähnliches. Gefordert war auch das, was die Babyboomer das »Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll«-Interview nannten, bei dem es in der Regel nicht darauf ankam, welche Dummheiten man in seinem Leben schon begangen hatte, sondern, ob man sie zugab, wenn man gefragt wurde, oder freiwillig erzählte, falls sie exotisch genug waren. Seit meinem letzten Regierungsjob als UN-Botschafter hatte ich viel Medienberichterstattung erhalten, so dass ich darauf achtete, sogar die ausgefallenen Dinge zu erwähnen, die faule, voreingenommene, inkompetente Reporter auf meine Kosten veröffentlicht hatten, darunter auch, dass Maria Butina versucht hatte, mich als russischen Agenten anzuwerben. (Ich bin nicht der Meinung, dass die Presse »ein Feind des Volkes« ist, aber ihre Reihen sind, wie Dwight Eisenhower 1964 sagte, mit »sensationslüsternen Kolumnisten und Kommentatoren« gefüllt, deren Schriften sie zu wenig mehr als zu Pseudo-Intellektuellen machen.) Dann war da noch die obligatorische Urinprobe, die ich für Drogentests zur Verfügung stellte; das sollten wir nicht unerwähnt lassen.
Ich habe auch versucht, ehemalige Nationale Sicherheitsberater zu konsultieren, angefangen natürlich bei Kissinger, der sagte: »Ich habe großes Vertrauen zu Ihnen, und ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Sie kennen das Thema. Sie kennen die Bürokratie. Ich weiß, dass Sie in der Lage sind, damit fertigzuwerden.« Und das Wichtigste war, dass Kissinger und auch alle anderen Vorgänger, mit denen ich gesprochen habe, Republikaner und Demokraten gleichermaßen, mir ihre Unterstützung anboten. Ich sprach mit Colin Powell (der mein Chef gewesen war, als er in der ersten Amtszeit von George W. Bush Außenminister war), Brent Scowcroft, James Jones, Condi Rice, Steve Hadley, Susan Rice, John Poindexter und Bud McFarlane sowie Bob Gates, der Scowcrofts Stellvertreter und später Verteidigungsminister gewesen war. Scowcroft sagte lapidar: »Die Welt ist ein Chaos, und wir sind die Einzigen, die es in Ordnung bringen können.«
Ich sprach mit ehemaligen Außenministern, für die ich gearbeitet hatte, darunter George Shultz und Jim Baker (Powell und Condi Rice fielen natürlich in beide Kategorien), aber auch mit Don Rumsfeld und Dick Cheney. Schließlich sprach ich mit Präsident George W. Bush, der mir viel Zeit schenkte und mir »alles Gute« wünschte. Ich fragte ihn, ob ich seinen Vater anrufen könne, für den ich ebenfalls gearbeitet hatte, und er meinte, das sei zu jenem Zeitpunkt »schwierig«, also bat ich ihn einfach, meine Grüße zu bestellen.
Ich aß mit McMaster am 27. März im Ward Room zu Mittag, der zum Restaurant des Weißen Hauses gehört. Er war freundlich und zuvorkommend in seinen Beurteilungen von Themen, politischen Richtlinien und Personal. Einige Tage später frühstückte ich mit Jim Mattis im Pentagon. Mattis zeigte sein Gespür für die Presse, als er mich am Eingang begrüßte und sagte, er habe gehört, dass ich »der leibhaftige Teufel« sei. Ich war drauf und dran zu antworten: »Ich tue mein Bestes«, biss mir aber auf die Zunge. Wir hatten eine sehr produktive Diskussion. Mattis schlug vor, dass er, Pompeo und ich einmal pro Woche im Weißen Haus frühstücken sollten, um offene Fragen zu besprechen. Obwohl wir alle an den meisten Tagen mehrmals miteinander telefonierten, erwiesen sich die Frühstückstreffen als sehr wichtige Gelegenheiten, Schlüsselfragen unter uns dreien zu besprechen. Wenn einer von uns auf Reisen war, trafen sich die beiden anderen, gewöhnlich im Ward Room, aber oft auch im Außenministerium oder im Pentagon.
Als Mattis und ich fertig waren, nahm er mich mit zu einem Treffen mit Joe Dunford, dem Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff35, dessen Amtszeit bis September 2019 dauern würde. Ich erinnerte Dunford an seine Äußerungen zur nordkoreanischen Atomfrage auf dem Aspen-Sicherheitsforum im Sommer 2018:
Viele Menschen haben die militärischen Optionen mit Worten wie »unvorstellbar« beschrieben. Ich würde das wahrscheinlich ein wenig abändern und sagen, es wäre schrecklich und es wäre ein Verlust an Menschenleben, wie wir ihn noch nie in unserem Leben erlebt haben, und ich meine, jeder, der seit dem Zweiten Weltkrieg am Leben ist, hat noch nie einen Verlust an Menschenleben gesehen, wie er bei einem Konflikt auf der koreanischen Halbinsel eintreten könnte. Aber wie ich meinen Kollegen, Freunden wie Feinden, gesagt habe, ist es nicht unvorstellbar, militärische Optionen zu haben, um auf Nordkoreas Atomkapazität zu reagieren. Für mich unvorstellbar ist es, den Einschlag von Atomwaffen in Denver, Colorado, zuzulassen. Meine Aufgabe wird es sein, militärische Optionen zu entwickeln, um sicherzustellen, dass dies nicht geschieht.36
Dunford schien überrascht, dass ich von seinen Bemerkungen wusste, und wir führten eine gute Diskussion. Dunford hatte den Ruf eines hervorragenden Militäroffiziers, und ich hatte keinen Grund, dies damals oder später anzuzweifeln.
Einige Tage später sprach ich mit Mike Pompeo bei der CIA über Mattis’ Idee des Frühstücks zu dritt, womit er einverstanden war. Er und ich hatten bereits eine Reihe von E-Mails ausgetauscht. In einer davon hatte er geschrieben: »Ich freue mich wirklich darauf, als Mitbegründer des Kriegskabinetts die Arbeit aufzunehmen. Ich werde Sen. Paul Ihre Grüße übermitteln.« Ich hatte auch Gelegenheit, seine Stellvertreterin und voraussichtliche Nachfolgerin, Gina Haspel, zu treffen.
Ich hatte Trump während seiner fast fünfzehnmonatigen Amtszeit genau beobachtet und machte mir keine Illusionen, dass ich ihn ändern konnte. Jegliche »Modelle« für den Nationalen Sicherheitsrat hätten vielleicht akademisch fundiert sein können, sie konnten aber nichts bewegen, wenn sie sich einfach im luftleeren Raum drehten, losgelöst waren, sich selbst bewunderten und von den Medien gelobt wurden, aber beim amtierenden Präsidenten keine wirkliche Reaktion auslösten. Ich war entschlossen, einen disziplinierten, gründlichen Prozess durchzuführen, aber ich würde meine Leistung danach beurteilen, wie sie die Politik tatsächlich formte, und nicht danach, wie Außenstehende sie mit früheren Regierungen verglichen.
Aus dieser Analyse ergaben sich mehrere Entscheidungen. Erstens war das NSC-Personal (etwa 430 Personen, als ich ankam, 350, als ich ging) keine Denkfabrik. Ihr Produkt waren keine Diskussionsgruppen und Stabspapiere, sondern eine effektive Entscheidungsfindung. Die Organisation sollte einfach und direkt sein. Ich plante, viele doppelte, sich überschneidende Strukturen und Mitarbeiter zu beseitigen. Da Trump mir die volle Befugnis über Einstellung und Entlassung von Personal übertragen hatte, handelte ich schnell und entschlossen und benannte unter anderem nur einen stellvertretenden Nationalen Sicherheitsberater statt mehrerer, um die Effizienz des Personals des Nationalen Sicherheitsrats zu stärken und zu vereinfachen. Diese entscheidende Rolle besetzte ich zunächst mit Mira Ricardel, einer erfahrenen Verteidigungsexpertin, die lange Jahre im Regierungsdienst und als leitende Führungskraft bei Boeing vorzuweisen hatte, und später mit Dr. Charles Kupperman, einem Verteidigungsexperten mit ähnlichen Referenzen (einschließlich Boeing!). Sie waren beide starke Persönlichkeiten – das mussten sie auch sein.
Am Samstag vor Ostern, um 18.30 Uhr, führte ich ein etwas bizarres Gespräch mit Trump. Er redete fast die ganze Zeit über alles mögliche, angefangen mit »Rex war schrecklich«, und erklärte dann, warum, wobei er sich auf die Entscheidung konzentrierte, 200 Millionen Dollar für den syrischen Wiederaufbau