Der Raum, in dem alles geschah. John Bolton
Читать онлайн книгу.Gebiet der Gräueltaten ist abgeriegelt und von syrischer Armee umzingelt, damit für die Außenwelt völlig unzugänglich. Präsident Putin, Russland und Iran sind für die Unterstützung des Tiers Assad verantwortlich. Großer Preis …
… zu bezahlen. Bereich sofort für medizinische Hilfe und Überprüfung öffnen. Eine weitere humanitäre Katastrophe ohne jeglichen Grund. KRANK!
Minuten später twitterte er erneut:
Hätte Präsident Obama seine sogenannte Rote Linie im Sand überschritten, hätte die syrische Katastrophe längst ein Ende gehabt! Das Tier Assad wäre Geschichte gewesen!
Dies waren klare, eindringliche Aussagen, aber Trump twitterte, bevor er sein nationales Sicherheitsteam konsultierte. Generalleutnant H.R. McMaster, mein Vorgänger als Nationaler Sicherheitsberater, hatte am Freitagnachmittag das Weiße Haus verlassen, und ich fing erst am Montag an. Als ich versuchte, eine Besprechung am Sonntag zu organisieren, wurde dies von den Anwälten des Weißen Hauses blockiert, weil ich erst am Montag offizieller Regierungsmitarbeiter werden würde. Das gab dem Wort »Frustration« eine neue Bedeutung.
Trump rief mich Sonntagnachmittag an, und wir (hauptsächlich er) redeten zwanzig Minuten lang. Er sinnierte darüber, dass es schwierig sei, auf dem richtigen Weg aus dem Nahen Osten herauszukommen, ein Thema, das er während des Anrufs wiederholt zur Sprache brachte, durchsetzt mit Abschweifungen über Handelskriege und Zölle. Trump sagte, er habe gerade Jack Keane (Vier-Sterne-General und ehemaliger stellvertretender Stabschef der Armee) auf Fox News gesehen und ihm gefalle dessen Idee, die fünf wichtigsten Militärflugplätze Syriens zu zerstören und damit im Wesentlichen Assads gesamte Luftwaffe auszuschalten. Trump sagte: »Meine Ehre steht auf dem Spiel« und erinnerte mich an Thukydides’ berühmte Feststellung, dass »Furcht, Ehre und Interesse« die Haupttriebkräfte der internationalen Politik und letztlich des Krieges sind. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte bereits angerufen, um zu sagen, dass Frankreich eine Beteiligung an einer militärischen Reaktion unter Führung der USA stark in Erwägung ziehe.42 Zuvor hatte mir der Schwiegersohn des Präsidenten, Jared Kushner, erzählt, dass der britische Außenminister Boris Johnson ihn angerufen habe, um im Wesentlichen die gleiche Botschaft aus London zu überbringen. Diese prompten Zusicherungen der Unterstützung waren ermutigend. Warum ein Außenminister jedoch Kushner anrief, musste in den kommenden Tagen angesprochen werden.
Trump fragte nach einem NSC-Mitarbeiter, den ich zu entlassen gedachte und der seit den frühesten Tagen seines Präsidentschaftswahlkampfes zu seinen Anhängern gehört hatte. Er war nicht überrascht, als ich ihm sagte, diese Person sei Teil des »Informanten-Problems«, und er fuhr fort: »Zu viele Leute wissen zu viele Dinge.« Dies verdeutlichte mein drängendstes Managementproblem: Ich musste die Syrien-Krise bewältigen und gleichzeitig die NSC-Mitarbeiter auf eine gemeinsame Zielrichtung umorientieren, ein bisschen so, als würde man beim Eishockey spontan die Stürmer auswechseln. Dies war nicht die Zeit für beschauliches Nachdenken, sonst würden uns die Ereignisse überholen. Am Sonntag konnte ich den NSC-Mitarbeitern nur »vorschlagen«, nichts unversucht zu lassen, um alles über das Vorgehen des Assad-Regimes herauszufinden (und ob weitere Angriffe wahrscheinlich waren), und Optionen für mögliche Reaktionen der USA zu entwickeln. Ich berief für Montagmorgen um 6.45 Uhr eine Sitzung des NSC-Stabs ein, um zu sehen, wo wir standen und welche Rolle Russland und der Iran möglicherweise gespielt hatten. Wir brauchten Entscheidungen, die sich in ein größeres Bild der Region Syrien/Irak nach dem Ende des IS einfügten, anstatt als Reaktion einfach nur draufzuhauen.
Kurz vor sechs Uhr morgens verließ ich mit dem mir neu zugeteilten Schutztrupp des Secret Service das Haus, und wir fuhren in zwei silberfarbenen SUVs zum Weißen Haus. Als ich im West Wing ankam, sah ich, dass Stabschef John Kelly bereits in seinem Büro im ersten Stock an der südwestlichen Ecke war, auf demselben Korridor wie mein Büro, das sich an der nordwestlichen Ecke befand, also schaute ich kurz bei ihm hinein, um Hallo zu sagen. In den folgenden acht Monaten, vorausgesetzt, wir waren in der Stadt, kamen wir beide normalerweise gegen sechs Uhr morgens an, was eine ausgezeichnete Zeit war, um sich bei Tagesanbruch miteinander abzustimmen. Das Treffen der fünfundvierzig NSC-Mitarbeiter bestätigte meine – und offenbar auch Trumps – Überzeugung, dass der Angriff auf Douma eine starke, kurzfristige militärische Reaktion erforderte. Die USA lehnten den Einsatz von Massenvernichtungswaffen – nuklearer, chemischer und biologischer Art – generell ab, da dies gegen unser nationales Interesse verstieß. Ob in den Händen von strategischen Gegnern, Schurkenstaaten oder Terroristen, Massenvernichtungswaffen gefährdeten das amerikanische Volk und unsere Verbündeten.
Eine entscheidende Frage in der anschließenden Debatte war, ob die Wiederaufnahme von Abschreckungsmaßnahmen gegen den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zwangsläufig eine stärkere Beteiligung der USA am syrischen Bürgerkrieg bedeutete. Das tat sie nicht. Unser wesentliches Interesse gegen Chemiewaffen-Angriffe konnte gerechtfertigt werden, ohne Assad zu stürzen, trotz der Befürchtungen sowohl derjenigen, die ein energisches Vorgehen gegen sein Regime wollten, als auch derjenigen, die dies nicht wollten. Militärische Gewalt war gerechtfertigt, um Assad und viele andere davon abzuhalten, in Zukunft chemische (oder nukleare oder biologische) Waffen einzusetzen. Aus unserer Sicht war Syrien ein strategischer Nebenschauplatz, und wer dort regierte, sollte uns nicht vom Iran, der wahren Bedrohung, ablenken.
Um 8.05 Uhr rief ich Verteidigungsminister Jim Mattis an. Er hielt Russland für unser eigentliches Problem und verwies auf Obamas unkluge Vereinbarung mit Putin im Jahr 2014 darüber, Syriens Chemiewaffenkapazitäten zu »eliminieren«, was offensichtlich nicht geschehen war.43 Hier waren wir also wieder. Es überraschte nicht, dass Russland bereits Israel beschuldigte, hinter dem Angriff auf Douma zu stecken. Mattis und ich diskutierten mögliche Reaktionen auf den Angriff Syriens, und er sagte, er werde dem Präsidenten »leichte, mittlere und schwere« Optionen zur Prüfung vorlegen, was ich für den richtigen Ansatz hielt. Ich stellte fest, dass im Gegensatz zu 2017 sowohl Frankreich als auch Großbritannien erwogen, sich einer Gegenmaßnahme anzuschließen, was, wie wir uns einig waren, ein Pluspunkt war. Am Telefon hatte ich den Eindruck, dass Mattis aus einem vorbereiteten Text vorlas.
Später rief mich der Nationale Sicherheitsberater Großbritanniens, Sir Mark Sedwill, an, um an Johnsons Anruf bei Kushner anzuschließen.44 Es war mehr als symbolisch, dass Sedwill mein erster Anrufer aus dem Ausland war. Dass sich unsere Verbündeten stärker auf unsere wichtigsten außen- und verteidigungspolitischen Ziele ausrichteten, stärkte unsere Position in entscheidender Weise und war eines meiner wichtigsten politischen Ziele. Sedwill sagte, die Abschreckung sei offensichtlich fehlgeschlagen, und Assad sei »geschickter darin geworden, seinen Einsatz [von chemischen Waffen] zu verbergen«. Ich schlussfolgerte aus dem Gespräch mit Sedwill, dass Großbritannien wahrscheinlich die Position vertrat, sicherzustellen, dass unser nächster Einsatz von Gewalt sowohl militärisch als auch politisch wirksam war, folglich Assads Chemiewaffenkapazitäten zerschlug und eine Atmosphäre der Abschreckung wiederherstellte. Das erschien mir richtig. Ich nahm mir auch einen Moment Zeit, um das Atomabkommen mit dem Iran aus dem Jahr 2015 zur Sprache zu bringen, sogar inmitten der Syrienkrise, und betonte dabei die Wahrscheinlichkeit, dass sich Amerika aufgrund meiner vielen Gespräche mit Trump jetzt wirklich daraus zurückziehen würde. Ich betonte, dass Trump keine endgültige Entscheidung getroffen hatte, wir jedoch überlegen mussten, wie wir den Iran nach einem Rückzug der USA zügeln und die transatlantische Einheit bewahren konnten. Sedwill war zweifellos überrascht, das zu hören. Weder er noch andere Europäer hatten es zuvor von der Regierung gehört, da sich Trumps Berater vor meiner Ankunft fast einheitlich gegen einen Rückzug gesträubt hatten. Er nahm die Information stoisch auf und sagte, wir sollten dieses Gespräch fortsetzen, sobald die unmittelbare Krise gelöst sei.
Um zehn Uhr morgens ging ich hinunter in den Komplex des Situation Room zur geplanten Sitzung des Hauptausschusses des Nationalen Sicherheitsrats, eine Versammlung auf Kabinettsebene. (Alte Hasen nennen diesen Bereich »Sit Room«, aber Millennials nennen ihn »Whizzer«, wegen der Initialen »WHSR«, »White House Situation Room«.) Er war seit meiner letzten Sitzung dort im Jahr 2006 vollständig renoviert und deutlich verbessert worden. (Aus Gründen der Sicherheit wie auch der Effizienz habe ich später eine weitere umfangreiche Renovierung in Angriff genommen, die im September 2019 begann). Normalerweise führte ich den Vorsitz im Hauptausschuss,