Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.bat Gunter in die Küche. Sie stellte Flaschen mit süßem Tee, Flaschen mit klarem Quellwasser, Brote, Käse, Obst und Süßigkeiten zusammen. Währenddessen hörte sie Gunter zu, wie er von früher erzählte. Damals, als er mit Helen zum ersten Mal auf die Berghütte gekommen war, bewirtschaftete der alte Alois noch die Berghütte mit seiner Frau. Ihnen war Gunter und Helen bekannt. Daß aus den beiden ein Paar wurde, daran hatten Alois und seine Frau großen Anteil genommen.
»Ihr seid eine gute Seilschaft, sagte der alte Alois damals zu mir und Helen. Eine gute Seilschaft in den Bergen und das wird euch auch im Leben helfen.«
Wehmut lag in Gunters Stimme.
»Doch es hat nicht gereicht. Jetzt habe ich Frauke. Frauke findet keine Freude an den Bergen. Vielleicht werde ich mit ihr im Leben glücklicher. Schade ist es schon, daß sie den Bergen so gar nichts abgewinnen kann.«
»Das wird vielleicht noch, Gunter. Toni und ich erleben viele, die erst mal einige Tage zum Eingewöhnen brauchen. Die Höhe und die dünnere Luft, die macht ihnen zu schaffen. Weißt du, Gunter, ich wollte auch nie in die Berge. Doch dann habe ich mich nicht nur in Toni verliebt, sondern auch in seine Heimat. Heute möchte ich nicht mehr fort. Vielleicht wird es Frauke auch so gehen. Laß sie sich erst einmal ausschlafen und eingewöhnen. Das wird schon! Die Schönheit der Berge, die Weite, diese Stille, die hat noch niemals jemanden unberührt gelassen. Der Macht der Berge kann sich niemand entziehen. Sie zwingen jeden, die Hektik des Alltags abzuschütteln und die neue Ruhe und den Frieden ins Herz aufzunehmen. Das wird mit deiner Frauke auch geschehen. So ein Sonnenuntergang auf der Terrasse oder die Sterne am Nachthimmel lassen niemanden unberührt. Auch deine Frauke wird dem Zauber der Berge erliegen, Gunter.«
»Das klingt gut, Anna! Das hört sich ungeheuer tröstlich und hoffnungsvoll an.«
Anna lächelte Gunter an. Sie bot ihm an, sich etwas um Frauke zu kümmern, sollte sie aufstehen, während Gunter mit den Kindern noch unterwegs war. Gunter war ihr dafür dankbar. Er hatte Frauke gegenüber nämlich ein bißchen ein schlechtes Gewissen. Er bedankte sich bei Anna für den Proviant.
Er holte auf leisen Sohlen den Rucksack aus der Kammer. Frauke schlief tief und fest.
Bald war Gunter mit seinen Zwillingen unterwegs.
*
Nachdem Gunter mit den Kinder gegangen war, versorgte Anna weiter die anderen Hüttengäste, die noch beim Frühstück auf der Terrasse der Berghütte saßen. Nach und nach beendeten alle ihr Frühstück und machten sich zu Bergwanderungen auf. Anna und Toni hatten viel zu tun.
Endlich wurde es ruhiger. Bis zum Mittag waren noch gut zwei Stunden Zeit. Bevor sich Toni und Anna an die Vorbereitungen für das Mittagessen machten, legten sie jeden Morgen eine kleine Pause ein. Dann saßen sie nebeneinander auf der Terrasse ihrer Berghütte und tranken einen Kaffee.
Toni legte den Arm um Anna.
»Des haben wir alles gut gemacht, Anna! Findest nicht auch?«
»O ja, Toni! Welch ein herrliches Leben!«
Anna legte ihren Kopf an Tonis Schulter. Toni drückte ihr einen Kuß auf das Haar.
»Wir tun auch schön aufeinander aufpassen und geben acht, daß unsere Liebe bei der Arbeit nicht unter die Räder kommt.«
»Das ist richtig, Toni! Diese kleinen Pausen und seien sie auch nur so lange, wie es dauert einen Kaffee auszutrinken, sind wichtig.«
»Richtig, aber man muß sie auch zelebrieren! Ich nehme dich in den Arm. Du spürst, daß ich dich liebe. Ich spüre deine Liebe. Wir denken nur an uns und freuen uns, daß wir zusammen sind und glücklich sind.«
»Ja, Toni! Das sind wir! Es tut gut, es sich einmal am Tag bewußt zu machen!«
Anna schaute Toni tief in die Augen. Sie lächelten sich an und küßten sich.
»Gunter ist nicht so glücklich, Toni! Der alte Alois hat mir gestern Abend noch von Helen erzählt. Gunter und Helen waren wirklich ein besonderes Paar. Alois findet es sehr schade, daß sie sich getrennt haben. Ihnen ist ihre Liebe verloren gegangen.«
»Ja, das ist wirklich schade. Ich habe mir Frauke angesehen. Sie sieht auch nicht so glücklich aus. Das kann nicht nur daran liegen, daß sie sich in den Bergen nicht wohl fühlt. Ihr fehlt das Funkeln in den Augen.«
»Meinst du, Frauke liebt Gunter nicht, Toni?«
»Das will ich nicht sagen! Sicherlich ist das Liebe zwischen den beiden. Doch es gibt da nicht diese tiefe Verbundenheit, wie man sie wirklich Liebenden ansieht. Bestimmt sind sie auf die eine oder andere Art und Weise glücklich miteinander. Aber es fehlt nach meiner Meinung die wirkliche Hingabe eines tief liebenden Herzens.«
Anna kuschelte sich an Toni.
»Vielleicht sind beide überarbeitet, Gunter, wie auch Frauke. Der Alltagsstreß muß erst von ihnen abfallen. Sie wollen zwei Wochen bleiben. Die Ruhe wird ihnen gut tun. Vielleicht hat Frauke auch Angst vor den Kindern. Immerhin wird sie durch die Kinder immer daran erinnert, daß es Helen gibt.«
Anna gab ihrem Toni einen Kuß auf die Wange.
»Wir werden es erleben. Es ist nicht das erste Mal, daß ein Paar auf die Berghütte kommt und Spannungen zwischen ihnen bestehen. Dann finden sie inmitten der schönen Berge doch zur wahren Liebe.«
Toni schaute Anna an.
»Ja, die Berge zwingen Menschen dazu, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, alles so zu sehen, wie es ist. Alles ist so klar in den Bergen oder wird so klar. Es kann auch vorkommen, daß sie erkennen, daß sie doch nicht so zusammenpassen, wie sie es sich vorgestellt hatten. Sie mögen sich sicher, haben die gleichen Interessen, aber Liebe – Liebe ist mehr als nur Gemeinsamkeiten! Liebe verlangt bedingungslose Hingabe! Wahre Liebe ist endlos und ewig. Sie ist selbstlos. Sie rechnet nicht auf und nicht an. Das einzig wahre Glück in der Liebe liegt darin, den anderen glücklich zu machen.«
Toni und Annas Lippen berührten sich zärtlich und doch voller Hingabe. Sie hatten die wahre Liebe gefunden.
Toni und Anna tranken ihren Kaffee aus. Sie gingen wieder an die Arbeit.
*
Gunter und die Kinder waren den schmalen Bergpfad entlanggelaufen, der am ›Erkerchen‹ vorbeiführte. Die Kinder waren von der Aussicht begeistert.
»Wollen wir hier rasten?« fragte Polly.
Ihr Vater schüttelte den Kopf. Er schaute auf die Uhr. Sie waren noch nicht einmal eine halbe Stunde unterwegs. Für eine Rast war es noch zu früh. Außerdem wollte Gunter auf keinen Fall beim ›Erkerchen‹ eine Rast einlegen. Die Erinnerungen an Nächte unter dem Sternenhimmel mit Helen waren ihm plötzlich wieder ganz bewußt. Hier beim ›Erkerchen‹ hatten sie sich zum ersten Mal ihre Liebe gestanden und geküßt. Hier beim ›Erkerchen‹ hatte Gunter seiner Helen den Heiratsantrag gemacht. Hier erzählte ihm im Jahr nach der Hochzeit Helen, daß sie Eltern werden würden und einige Monate später sagte sie ihm, daß sie Zwillinge erwartete.
»Laßt uns weitergehen!« sagte Gunter leise.
Die Zwillinge blieben stehen.
Polly schaute ihren Vater an.
»Denkst du jetzt an Mama? Stimmt es?«
Gunter wurde rot. Sein Herz schlug kräftiger und schneller in seiner Brust.
»Ja, ich habe einen Augenblick an Helen gedacht. Mit diesem Ort sind sehr schöne Erinnerungen verbunden. Auch ihr seid ein wunderbarer Teil dieser Erinnerungen.«
»Papa! Wirst du mit Frauke auch hierher gehen?«
Patrick schaute seinem Vater in die Augen.
»Würde es dich stören, Patrick?«
»Ja!«
Gunter atmete tief durch.
»Gut, ich verspreche dir, ich verspreche euch, daß ich mit Frauke nicht hierher gehen werde! Zufrieden?«