Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.nicht ihr Mann! Noch nicht! Deshalb erzähle ich dir keine Einzelheiten. Ich sage dir nur, daß ich denke, es geht ihr von Tag zu Tag besser. Ich habe sie selbst schon eine Weile nicht gesehen. Aber man berichtet mir. Sie steht unter der besten Pflege, die du dir nur denken kannst. Fünf Leute kümmern sich um Heidi, fünf mindestens – oft auch sieben.«
Gerd schaute Martin an. Er wußte nicht, was er dazu sagen sollte. War es Heidi so schlecht gegangen oder machte sich Martin einen Spaß mit ihm?
Gerd reichte es. Er stand auf.
»Mit dir ist nicht vernünftig zu reden! Ich gehe jetzt!«
»Gerd! Nun werde nicht kindisch! Ich bin Arzt! Ich darf dir nichts sagen! Ich sagte dir, es geht ihr besser, von Tag zu Tag. Morgen wirst du sie sehen! Nun sei vernünftig!«
»Ich liebe Heidi! Das mußt du begreifen!«
»Das weiß ich! Trotzdem ist das mein letztes Wort. Ich rufe dich morgen an.«
Gerd seufzte tief. Er sah ein, daß ihm Martin jetzt nichts sagen würde. So gab er sich geschlagen.
»Wird so schon alles seine Richtigkeit haben, Martin! Dann vertraue ich dir mal. Etwas anderes bleibt mir nicht übrig!«
Sie verabschiedeten sich. Dr. Martin Engler atmete auf, als Gerd gegangen war. Er wartete, bis Gerd mit dem Auto davongefahren war. Dann griff Martin zum Telefon und rief auf der Berghütte an.
*
Gerd fuhr heim zu seinen Eltern. Sie saßen beim Abendessen in der schönen großen Wohnküche.
»Grüß dich! Bist wieder da, Gerd? Setz dich! Wir wollen essen!«
Gerd grüßte. Er legte seinen Hut auf das Hutbrett und zog seinen Lodenjanker aus. Er setzte sich. Durch die offenen Küchenfenster schien die Abendsonne. Der Klang des Angelusläuten war zu hören. Alle wurden still und senkten die Köpfe. Der Eichingerbauer sprach das Tischgebet. Sie bekreuzigten sich.
»Ich habe beim Martin gegessen! Beim Doktor!«
Seine Eltern sahen ihn an. Er sah die Neugierde in ihren Augen.
Wortlos griff Gerd in die Hosentasche und holte das rote Kästchen hervor. Er öffnete es und stellte es auf den Tisch. Er forderte seine Eltern auf, sich die Ringe näher zu betrachten.
Die Hände von Gerds Mutter zitterten, als sie den großen Ring herausnahm.
»Heidi? Welche Heidi?«
»Mutter! Vater! Des Madl, des ich liebe, ist die Heidi Fröhlich! Ich will ihr einen Antrag machen! Der Martin will mich morgen anrufen und dann kann ich zu ihr gehen!«
Nach und nach erzählte Gerd seinen Eltern alles. Sie hörten ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen. Er redete und redete. Berichtete, wie er Heidi vor Monaten zum ersten Mal im Wald getroffen hatte. Er erzählte, wie er es eingerichtet hatte, daß sie sich anfangs immer über den Weg liefen, so daß es wie ein Zufall aussah. Mit jedem Wort wurde es Gerd leichter ums Herz. Er beschrieb seine Liebe zu Heidi. Seine Eltern sahen seine strahlenden Augen, wenn er von ihr sprach.
Gerd erzählte alles. Er sprach davon, wie Heidi ihn fortgeschickt hatte, brutal rausgeworfen hatte. Jetzt verstanden sie, warum sich ihr Bub die letzte Zeit so gequält hatte. Sie waren voller Wut Dora gegenüber, als sie von den Hintergründen erfuhren.
»Ich glaube, der Toni weiß mehr, als er sagt«, bemerkte Gerds Mutter.
»Dann vermutest du, die Heidi könnte auf der Berghütte sein?«
Gerd warf einen Blick auf die Uhr.
»Bub, falls du jetzt noch da rauf willst, hindere ich dich daran! Vertrau’ dem Martin! Es hat schon genug Elend und Leid gegeben. Der Martin wird schon wissen, warum er es dir nicht sagt. Du vermutest, daß die Dora daran schuld sein kann. Sicherlich ist das möglich! Aber du hast auch Schuld! Vielleicht ist Dora nicht der einzige Grund. Vielleicht will die Heidi nichts mehr von dir wissen.«
»Vater, wie kommst jetzt auf solche Gedanken?«
»Weil du so ein Geheimnis aus der Liebe gemacht hast! Warum hast du des Madl nicht hergebracht? Hast du Angst gehabt, daß wir dagegen sind? So ein Schmarrn! Uns ist jedes Madl willkommen, das du liebst und das dich liebt!«
»Gerd, dein Vater hat recht! Die Heidi mußte denken, daß du ein doppeltes Spiel treibst. Warum hast du die Heidi nicht mal hergebracht?«
»Ja, warum eigentlich?«
Gerd überlegte. Das fragte er sich jetzt auch.
»Vielleicht, weil unsere Liebe sich ganz anders entwickelte, als ich mir das immer vorgestellt hatte. Ich dachte, ich sehe ein Madl und dann bin ich verliebt, weiß, das ist sie, fertig! Doch so war es nicht. Ich habe lange gebraucht, bis mir das richtig klargeworden ist. Zuerst fand ich es nur schön, mit ihr zu reden. Dann konnte ich kaum den Abend erwarten, sie zu sehen. Es ging so immer und immer weiter. Unsere Liebe ist unsagbar schön. Sie war ein Geheimnis, das nur Heidi und ich teilten. Außerdem war Heidi auch zögerlich. Wie oft mußte ich ihr versichern, daß ich sie liebe, nur sie liebe! Es gab schließlich nur noch sie und mich, sonst niemanden auf der Welt, der wichtig war. Ich kaufte die Ringe, wollte ihr einen Antrag machen und sie danach auf den Hof bringen!«
Gerds Eltern sahen sich an.
»Du bringst des Madl, so schnell wie es möglich ist her, Bub! Sie muß auch wissen, daß sie hier willkommen ist. Also, wenn dich der Martin anruft, dann triffst du dich mit Heidi. Du machst ihr sofort einen Antrag und bringst sie her! Die Heidi ist ein liebes Madl. Die wird dich glücklich machen.«
»Ja, Vater! Ich bringe sie her! Ich verspreche es!«
Der Eichingerbauer holte den Obstler aus dem Schrank und drei Gläser.
Er schenkte ein. Sie prosteten sich zu.
»Auf dich, mein Bub! Auf deine Braut, die Heidi! Und darauf, daß bald eine weitere Generation auf dem Eichinger Hof aufwächst!« sagte sein Vater mit einem Augenzwinkern.
Sie tranken. Den Rest des Abends saßen sie zusammen und redeten über Heidi und die Zukunft auf dem Eichinger Hof.
*
Dr. Martin Engler sprach am Telefon zuerst mit Toni. Dieser gab den Hörer an Almut weiter. Almut ging mit dem Handy ein Stück weit von der Berghütte fort. Sie setzte sich auf einen großen Stein, der auf dem Geröllfeld beim Gebirgsbach lag.
»Mit wem hast du solange geredet?« fragte Heidi die ältere Freundin.
»Mit einem Freund! Er will morgen kommen!« antwortete Almut knapp und fügte hinzu: »Ich will jetzt nicht darüber reden!«
Almut wollte Heidi nichts vom Besuch von Dr. Engler und Dora sagen. Sie hatte Angst, Heidi würde sich zu sehr aufregen und die ganze Nacht nicht schlafen. Schlaf war in Heidis Zustand wichtiger als bei jedem anderen Menschen. Darüber hatte sich Almut mit Dr. Engler verständigt. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen wäre immer noch genug Zeit, mit Heidi zu sprechen.
Die Hoffnung, daß Heidi in der Nacht gut schlafen würde, erfüllte sich nicht. Heidi wachte nach einigen Stunden auf. So war es auch in den vergangenen Nächten gewesen.
Leise schlich sie sich hinaus. Bello wartete schon. Er wußte, jetzt kam seine Bestechung, ein Zipfel Wurst, daß er keinen Lärm machte und bellte. Heidi legte sich in einen Liegestuhl auf der Terrasse der Berghütte und schaute hinauf in den Sternenhimmel.
Sie zog die Wolldecke enger um den Körper. Die Nacht war kühl, aber nicht kalt. Sie war frisch und klar. Heidi liebte diese ruhigen Stunden. Die Einsamkeit inmitten der nächtlichen Bergwelt gab ihr Kraft. Da fand Heidi die Ruhe, nach der sie sich so sehnte. Vielleicht war es auch nur die Erinnerung an Gerds Nähe unter dem gleichen nächtlichen Sternenhimmel. Es war noch nicht so lange her, daß sie mit ihm in den Nachthimmel hinaufschaute.
Das ist vorbei, seufzte Heidi lautlos. Es wird nie wieder so werden. Aber sie dachte nicht voller Bitternis an die Zeit zurück. Bewahre dir die schönen Augenblicke in deiner Erinnerung, hatte Almut sie ermahnt.