Geld und Leben. Ewald Nowotny
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Zu Beginn der 1970er-Jahre geriet Österreich auch verstärkt ins Visier internationaler Immobilieninvestoren. Aufgrund meiner Kontakte mit Wirtschaftstreuhändern und Beratungsunternehmen wurde ich auch unter diesen Aspekten und meiner – damals noch seltenen – Fähigkeit, Gutachten in englischer Sprache zu erstellen, eingeladen, für entsprechende Investitionsentscheidungen Studien zu erwartbaren, längerfristigen Entwicklungen zu erarbeiten. Ich erinnere mich zum Beispiel mit Vergnügen an Diskussionen, als es darum ging, in Wien ein Bürohochhaus jenseits des Donaukanals zu errichten. Für internationale Investoren war dies damals eine exotische und höchst riskante Gegend, und sie verlangten umfassende Gutachten über die längerfristigen wirtschaftlichen Perspektiven – letztlich wurde der „Galaxy-Tower“ gebaut.
Als Notenbank-Gouverneur hatte ich viele Jahre später das schöne Erlebnis, in diesem – inzwischen mehrfach erweiterten – Bürohaus an der Eröffnung der Weltbank-Niederlassung in Wien teilzunehmen. Die unmittelbare Erfahrung der großen Bedeutung einer langfristig ausgerichteten und sorgfältigen Raum- und Infrastrukturplanung für Bevölkerung und Wirtschaft war für mich auch sehr hilfreich bei meiner späteren Tätigkeit in der Europäischen Investitionsbank.
1978 hat mich die Einladung – oder eher Aufforderung – erreicht, ein Nationalratsmandat zu übernehmen, wovon ich später berichten werde. Ich habe dann 20 Jahre parallel meine Aufgaben als Professor und als Nationalrat ausgeführt. Es war mir extrem wichtig, meine Tätigkeit an der Universität – wenn auch mit reduzierter Lehrverpflichtung (und Gehalt) – gewissenhaft zu erfüllen. Ich wurde in dieser Hinsicht auch recht genau von der Kollegenschaft und den Studierenden beobachtet – ohne dass es ein einziges Mal zu Klagen über mangelnden Einsatz gekommen wäre. Diese Doppeltätigkeit hatte übrigens auch einen disziplinierenden Effekt auf meine politische Arbeit: Ich achtete genau darauf, in meinem „politischen Leben“ nie etwas zu sagen, wofür ich mich in meinem „wissenschaftlichen Leben“, speziell gegenüber meinen Studierenden, hätte schämen müssen.
Dieses, in jedem Bereich intensive, doppelte Engagement war allerdings ein organisatorischer, geistiger und letztlich auch physischer Kraftakt, den ich dann – aber erst nach 20 Jahren – wieder beendete. Ich meine aber, dass diese Doppeltätigkeit sowohl für meine Aufgabe als Professor wie für meine politische Aufgabe inhaltlich von Vorteil war. Es gab zu dieser Zeit einige Universitätsprofessoren im Parlament, wobei mich insbesondere mit dem von mir sehr geschätzten Juristen Prof. Felix Ermacora ein kollegiales, ja freundschaftliches Verhältnis verband – trotz unterschiedlicher Parteizugehörigkeit. Ich bin fest davon überzeugt, dass es jeweils zumindest einige Abgeordnete geben sollte, die Politik nicht hauptberuflich betreiben, sondern im stetigen persönlichen Kontakt mit einem „normalen“ Berufsleben bleiben – wobei dies zugegebenermaßen bei manchen Berufen einfacher ist als bei anderen.
1981 folgte ich dann einer Berufung auf den Lehrstuhl für Geld- und Finanzpolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Mein Amtsvorgänger Prof. Stephan Koren verließ anlässlich seiner Wiederbestellung zum Präsidenten der Oesterreichischen Nationalbank endgültig die WU und unterstützte massiv meine Berufung als seinen Nachfolger. Er war mit den Verhältnissen an der damaligen Wirtschaftsuniversität und speziell im Fachbereich Volkswirtschaftslehre sehr unzufrieden und erhoffte sich von mir Initiativen zu höherer wissenschaftlicher Qualität und größerer Internationalität. Gemeinsam mit einem anfangs noch kleinen Team ist uns das in der Tat gelungen, erleichtert auch durch die Möglichkeit, freigewordene Professuren durch qualifizierte, externe junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter – und nicht wie früher fast durchgehend durch Hausberufungen – zu besetzen.
Auch die Universität insgesamt hat durch eine Reihe aktiver, reformorientierter Rektoren einen deutlichen Modernisierungsschub erfahren. Als ich an die Wirtschaftsuniversität kam, war diese Institution zweifellos eine anerkannte, praxisorientierte Ausbildungseinrichtung, entsprach aber noch sehr dem alten Typus der Handelshochschule mit teilweise geringer wissenschaftlicher Fundierung. Im Laufe der Zeit ist es dann gelungen, wissenschaftliche Präsenz und Internationalität deutlich anzuheben, ohne dabei die für die WU spezifische, fundierte Praxisorientierung aufzugeben. Nach meiner Rückkehr aus Luxemburg, wo ich als Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank tätig war, wurde ich vom überaus aktiven „Reform-Rektor“ Christoph Badelt, einem Freund und Fachkollegen, gebeten, das Amt eines Vizerektors für Finanzen zu übernehmen.
Als Vizerektor war ich Teil eines starken, durch kluge Steuerung seitens des Rektors auch harmonischen Teams und habe die Herausforderungen kennengelernt, die sich für das Management einer großen Universität (ich vermeide den Begriff „Massenuniversität“), der größten Wirtschaftsuniversität Europas mit über 20.000 Studierenden, ergeben. Zu diesen Herausforderungen speziell für mein Ressort zählten auch grundlegende Änderungen der Hochschulgesetzgebung, die für die Universitäten die „Entlassung in die Unabhängigkeit“, einschließlich der wirtschaftlichen Selbstständigkeit brachten. Das machte etwa eine eigenständige Finanzplanung notwendig, aufbauend auf Leistungsvereinbarungen mit dem Wissenschaftsministerium, einem neu entwickelten Rechnungswesen und eigenverantwortlicher Personalplanung. Es war harte Arbeit „an der Front“, wobei ich aber darauf bestanden hatte, weiterhin, wenn auch wieder mit erleichterter Lehrverpflichtung, als Professor an meinem Institut zu arbeiten.
Wie bei meinem politischen Engagement half mir diese „Doppelgleisigkeit“ sehr, den Kontakt zum „Geschehen vor Ort“ und damit auch das Vertrauen der Kollegenschaft zu erhalten. Ich habe meine Lehrtätigkeit immer gerne ausgeübt und dafür auch relativ viel Zeit investiert. Auch den nach den damaligen Studienstrukturen recht großen Zeitaufwand für mündliche Prüfungen habe ich nicht nur als Belastung, sondern als Teil des pädagogischen Wirkens gesehen. Auch heute noch werde ich immer wieder von ehemaligen Studentinnen und Studenten darauf angesprochen, wie wichtig das Gespräch, das ich im Fall eines negativen Prüfungserfolges mit ihnen führte, für ihr weiteres Studien- und Arbeitsleben war. Ein System fast ausschließlich schriftlicher Prüfungen, noch dazu vielfach in Form mechanisch leicht auswertbarer „multiple choice“ Formulare, ist bei großen Studierendenzahlen leider oft unvermeidbar. Aber dieses System kann den wichtigen Rückkoppelungseffekt eines persönlichen Gesprächs natürlich nicht erfüllen.
Universitätsmanagement ist angesichts der Vielfalt von Interessen und der häufig sehr ausgeprägten Individualität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der verschiedenen Mitbestimmungsgremien oft nicht einfach. Aber die Gespräche und Verhandlungen in den ja recht zahlreichen Gremien waren doch stets von einer größeren Rationalität und Kollegialität gekennzeichnet, als ich es in anderen Lebensbereichen erfahren habe. Dies galt für Vertreter des wissenschaftlichen wie des nicht-wissenschaftlichen Personals, und auch für die Vertreter der Hochschülerschaft. Einem eloquenten und auch paktfähigen Vorsitzenden der WU-Hochschülerschaft namens Harald Mahrer bin ich dann später in seinen Funktionen als Wirtschafts- und Wissenschaftsminister und noch später als Präsident des Generalrates der Oesterreichischen Nationalbank wieder begegnet.
Eine so große Universität wie die WU hat ja in ihrer Professorenschaft eine Vielzahl von höchstrangigen Expertinnen und Experten, und ich war stets erfreut – und auch erleichtert –, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Kolleginnen und Kollegen ihr – sonst oft hoch bezahltes – Wissen für Aufgaben der Universität bereitstellten. Dies hat sich speziell auch bewährt, als die Universität das große Projekt eines neuen und architektonisch anspruchsvollen Campus begann. Nicht zuletzt durch hauseigene Expertise in Vertragsgestaltung, Projektmanagement, Steuerrecht etc. ist es gelungen, den eindrucksvollen neuen Campus voll im Zeit- und Kostenplan zu errichten. Dies entspricht meinem Bild der Universität als „Universitas“, als Vereinigung von qualifizierten Persönlichkeiten für eine gemeinsame Aufgabe, und ich freue mich, dass ich dies nach meinen guten Linzer Erfahrungen auch an einer großen Universität wie der WU-Wien erleben konnte. Ich selbst habe übrigens in meiner späteren Funktion als „Krisenmanager“ der Bawag-PSK ebenfalls von diesem Netzwerk profitieren können, wo ich von Kollegen vielfach wertvolle freundschaftliche Hinweise und Hilfen bekam.
Nach Ende meiner Tätigkeit als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank wurde ich eingeladen, wieder eine Vorlesung an „meiner“ Wirtschaftsuniversität zu halten. Ich bin dieser Einladung gerne nachgekommen, war aber leider von