Die Leihmutter. Marie Louise Fischer

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Die Leihmutter - Marie Louise Fischer


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könnte jedenfalls zu einer Verletzung geführt haben, und daraus entsteht dann eine Art Narbenbildung, in der sich dann allerhand ablagert. Dadurch verhärtet sich dann logischerweise der betreffende Gefäßabschnitt.«

      »Scheiße«, sagte er.

      »Bei dir muß es nichts Ernsthaftes sein. Ich glaube das auch gar nicht. Aber ich bin jetzt nachträglich ganz froh über deinen Anfall. Morgen werden wir wissen, wie es wirklich um dich steht.« Sie umarmte ihn und legte ihren Kopf an seine Brust. »Ach, Liebling, ich wäre ja so froh, wenn alles bloß falscher Alarm gewesen wäre!«

      Er beugte sich zu ihr und küßte sie zärtlich auf den Mund. »Ich bin ganz sicher.«

      Beate rang sich ein Lächeln ab. »Um so besser. Sag mal, wann kommt der Professor heute nachmittag zur Visite?«

      »Ich weiß es nicht.«

      Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Wahrscheinlich gegen vier. Das ist so üblich. Ich werde mal versuchen, ihn abzufangen.«

      »Wozu?«

      »Weil ich dabei sein will, wenn er dir das Ergebnis der Untersuchung mitteilt.« Plötzlich hatte sie das Gefühl, zu besitzergreifend zu sein. »Das ist dir doch recht?«

      »Unbedingt.« Lächelnd fügte er hinzu: »Außerdem – auch wenn ich es nicht wäre – bin ich überzeugt, du würdest deinen Willen durchsetzen.«

      »Bin ich wirklich so eine Xanthippe?«

      »Du bist überbesorgt.«

      »Ich will dir doch nur helfen.«

      Wieder umarmten sie sich, als könnten sie so einander Kraft geben.

      Sie lösten sich erst voneinander, ein wenig beschämt, als Professor Meyser, gefolgt von einem Troß junger Ärzte und der Oberschwester um die Ecke bog.

      Entschlossen bekämpfte Beate ihre Verlegenheit und lief auf ihn zu, bevor er noch das nächste Krankenzimmer betreten konnte.

      »Herr Professor!« sagte sie, ein wenig atemlos.

      »Ja?« Er war ein sehr großer, schlanker Mann, mit leicht vornüber gebeugten Schultern und einem gänzlich kahlen Kopf.

      Sie kannte ihn nur vom Sehen. »Mein Mann hatte heute früh einen Angina-Pectoris-Anfall.«

      »Sie scheinen sich ja auszukennen.«

      »Ich möchte dabei sein, wenn er das Ergebnis der Untersuchung erfährt.«

      »Na, bitte.«

      »Wann wird das sein?«

      Der Professor wechselte einige Worte mit einem anderen Arzt. »Morgen nachmittag um drei. In meiner Ordination.«

      »Danke, Herr Professor.«

      Er ließ sich die Tür zu dem Krankenzimmer öffnen, vor dem sie standen, und verschwand darin samt seinem Troß.«

      »Ich muß jetzt laufen«, sagte Beate, »du weißt, Vater wird nervös, wenn er zu lange auf Florian aufpassen muß.«

      »Grüß die beiden von mir.«

      »Wird gemacht. Dann also bis morgen.« Sie küßte ihn noch einmal zärtlich und eilte dann mit ihren weit ausholenden, elastischen Schritten davon. Aber als sie die Treppe erreicht hatte, drehte sie sich noch einmal zu ihm um.

      Er stand immer noch da, wo sie ihn verlassen hatte.

      Sie warf ihm eine Kußhand zu, und er winkte, ein wenig müde, zurück.

      II

      Als Beate ihre Wohnung betrat, hatte sie sofort das Gefühl, daß niemand da war. Tatsächlich waren Kinderzimmer und Küche leer. Sie klopfte an die Tür des alten Herrn, aber erhielt keine Antwort.

      Sie dachte kurz nach und machte sich dann daran, das Spülbecken zu säubern und das Geschirr fortzuräumen. Danach ging sie in das Schlafzimmer und riß das Fenster zum Hof auf. Werders Wohnung lag im Erdgeschoß. Das hatte den Nachteil, daß sie recht laut war, dagegen den Vorteil, daß Beate sich mit dem Kinderwagen leichtgetan hatte und der Garten mit wenigen Schritten zu erreichen war.

      Auch jetzt ging es lebhaft dort zu. Ein Baby schrie und Hunde bellten. Frauen saßen in der Sonne, ließen ihre Stricknadeln klappern und unterhielten sich. Kinder spielten, lachten, lärmten.

      Florian und sein Großvater waren nicht zu sehen. Beate seufzte erleichtert auf. Wahrscheinlich, dachte sie, waren sie spazierengegangen. Sie streifte die Schuhe von den Füßen, zog den Rock aus und legte sich, die Hände unter dem Kopf verschränkt, auf ihr Bett. Sie hatte sich angewöhnt, jede Gelegenheit zu nutzen, die sich ihr zum Ausspannen bot.

      Sie dachte an Frank und daran, wie sonderbar klein er gewirkt hatte, als er da in seinem rotseidenen Hausmantel allein in dem hohen Gang gestanden hatte. Dabei war er tatsächlich groß, über 1,80.

      Als sie ihn kennengelernt hatte, auf einem Faschingsball im Deutchen Theater, sie erinnerte sich noch genau daran, war er ihr wegen seiner Größe unter den anderen jungen Leuten aufgefallen. Er war als Pirat erschienen, ein Tuch, das aus demselben Material hätte sein können wie sein Hausmantel, um den Kopf geschlungen. Vor dem einen Auge hatte er eine schwarze Klappe getragen, aber das andere hatte vor Unternehmungslust und Heiterkeit gefunkelt.

      Wie kam es, daß er in den wenigen Jahren, die sie sich kannten, seinen Schwung so gänzlich verloren hatte? War es die Ehe, die ihm nicht bekam? Bedrückte ihn die Verantwortung der Vaterschaft? Waren es die Sorgen um sein Geschäft, die ihn erstickten? Oder war die Tatsache, daß sein Herz nicht mehr genügend durchblutet war, die Ursache seiner Veränderung?

      Er war nicht mehr der Mann, den sie geheiratet hatte, aber sie fühlte, daß sie ihn, nachdem sie das Stadium blinder Verliebtheit überwunden hatte, nur um so tiefer und inniger liebte.

      Nein, es war kein Fehler gewesen, ihr Leben mit dem seinen zu verbinden. Vielleicht hätte sie vorsichtiger sein sollen, die ungewollte Schwangerschaft vermeiden müssen. Aber sie war immer schlecht mit der Pille ausgekommen, hatte die Präparate immer wieder ändern müssen, weil sie sie nicht vertrug. Ihr Gynäkologe war überzeugt, daß die Nebenwirkungen, unter denen sie litt – Übelkeit, Erbrechen, Schwindelanfälle und Gewichtszunahme – einen psychologischen Grund haben müßten. Sie stemmte sich, meinte er, innerlich dagegen, sich chemisch unfruchtbar machen zu lassen. Aber diese Erklärung nutzte ihr auch nichts. Sie hatte sich Mühe gegeben, sich an das jeweilige Präparat zu gewöhnen, aber immer wieder vergeblich.

      Als dann Florian unterwegs gewesen war, hatte sie nicht das Herz gehabt, die Schwangerschaft abzubrechen. Frank war auch nicht dafür gewesen. Natürlich wäre das kein Grund gewesen zu heiraten. Es war heutzutage ja gar nicht einmal mehr unüblich, daß junge Paare ohne Trauschein zusammen lebten. Aber sie hatten beide gewollt, daß alles seine Ordnung haben sollte. Da er damals gerade sein Studium der Betriebswirtschaft abgeschlossen, sie das Physikum hinter sich hatte, schien auch der Zeitpunkt durchaus günstig. Sie waren damals so voller Hoffnung gewesen.

      Beates Gedanken glitten in die erste wunderbare Zeit ihrer Liebe zurück. Der Lärm hinter dem geschlossenen Fenster wurde zu einem gleichmäßigen, an- und abschwellenden Geräusch. Ohne es zu merken, versank Beate aus ihrem Traum vom Glück in einen tiefen Schlaf. –

      Sie wachte erst auf, als Florian sie an den Fußsohlen kitzelte.

      »Mami«, rief er, »Mami! Du hast im Schlaf gelacht!«

      »Ja, wenn du mich auch kitzelst!« Sie nahm ihn liebevoll in die Arme und zog ihn zu sich auf das Bett. »Wie spät ist es?«

      »Weiß nicht.«

      Sie nahm ihren Wecker vom Nachttisch und hielt ihn sich vor die Augen. »Sechs Uhr vorbei!« rief sie erschrokken. »Ich muß das Abendbrot richten.«

      »Mußt du nicht!« erklärte Florian strahlend. »Haben Opa und ich ganz alleine gemacht.«

      »Dann verdienst du ein ganz dickes Bussi.« Sie küßte ihn auf die Wange.

      »Opa


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