Die Leihmutter. Marie Louise Fischer

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Die Leihmutter - Marie Louise Fischer


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Worte, zu denen sie Zeit fand, beruhigen, ermutigen und ermuntern ließen. Das war eine Fähigkeit, die nicht jeder Mensch – auch nicht jede Schwester und jeder Arzt – besaß. Sie tat sich nichts darauf zugute, aber sie sah darin eine Bestätigung, daß es richtig war, Medizin zu studieren. Auch wenn es, bedingt durch ihre Familie, nur langsam voranging, blieb das Ziel erstrebenswert und auch erreichbar.

      Nachdem sie alle Patienten besucht hatte, ging sie in das Schwesternzimmer zurück. Sie hatte sich gerade vor die Signaltafel gesetzt, als eine Kontrollampe aufleuchtete. Nummer 17. Beate wunderte sich. Nummer 17 war Ellen Klammer, eine junge Frau, die in zwei Tagen entlassen werden sollte. Es war unwahrscheinlich, daß sie einen Rückfall erlitten hatte. Dennoch eilte sie sofort in das entsprechende Zimmer.

      »Gut, daß Sie kommen, Schwester!« rief Frau Klammer halblaut.

      »Ja, was gibt’s denn?« Beate beugte sich über das Bett.

      »Schnüffeln Sie mal!«

      Beate verstand nicht sogleich, was die Patientin meinte. Flüsternd gab ihr Frau Klammer einen weiteren Hinweis. »Ich glaube, die Frau Grabowsky hat sich vollgemacht.«

      »Vielleicht hat sie nur ein Buffi gelassen«, sagte Beate, mehr um sich selber, als um Frau Klammer zu beruhigen.

      Aber Frau Klammer behielt recht. Das bedeutete, daß Beate die Patientin aus dem Bett heben, ihr das Nachthemd ausziehen und sie waschen mußte. Zum Glück war sie sehr leicht, eine alte Frau schon über achtzig, die kaum noch Fleisch auf den Knochen hatte. Sie wimmerte, als Beate sie behandelte.

      »Haben Sie Schmerzen, Frau Grabowsky?« fragte Beate.

      »Nein, nein.«

      »Aber dann müssen Sie doch auch nicht weinen.«

      »Ich kann nichts dafür, wirklich nicht.«

      »Aber das wissen wir doch alle.«

      »Es ist mir so peinlich.«

      »Braucht es nicht zu sein, wirklich nicht.« Beate zog ihr ein frisches Nachthemd über. »Glauben Sie, daß Sie da einen Augenblick im Sessel sitzen können?«

      »Daß ich Ihnen so viel Mühe machen muß!«

      »Aber, Frau Grabowsky! Das ist mein Beruf! Wenn ich ihn nicht lieben würde, hätte ich ihn mir nicht ausgesucht.«

      »Sie sind so gut, Schwester!«

      »Unsinn. Ich tue ja nur meine Pflicht.«

      Beate behandelte die alte Frau so vorsichtig, als wäre sie zerbrechlich, zog ihr einen Bademantel über und trug sie zu dem Korbsessel. Dann riß sie mit wenigen geschickten Griffen das Laken ab und säuberte die Gummiunterlage.

      »Soll ich Ihnen helfen?« erbot sich Frau Klammer.

      »Danke, nicht nötig. Das haben wir gleich.«

      »Aber ich könnte doch ... ich stehe ja tagsüber schon auf ...«

      »Nachts bleiben Sie ganz brav in Ihrem Bettchen! Sonst könnten wir beide Schwierigkeiten kriegen.« Sie hatte ein frisches Laken aus dem Schrank genommen und zog es über die Matratze. »Sehen Sie, da haben wir es schon.«

      Beate half der alten Frau aus dem Sessel und wollte ihr den Bademantel ausziehen.

      »Bitte, nicht!« wehrte sich die Patientin. »Mir ist so kalt.«

      »Dann lassen wir ihn halt an. Wenn er Ihnen in der Nacht lästig wird, dann klingeln Sie einfach nach mir!« Beate bettete die alte Frau. »Ich komme gleich zurück und bringe Ihnen was für Ihr Bäuchlein!« versprach sie. »Ich werde jetzt mal ganz kurz durchlüften.«

      Als sie mit dem Medikament zurückkam, schloß sie das Fenster wieder. Sie stützte Frau Grabowskys Kopf, damit sie die beiden Pillen besser schlucken konnte, und reichte ihr ein Glas Wasser.

      »Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, meine Damen!« sagte sie, als sie zur Tür ging.

      »Ihnen auch, Schwester Beate!« sagte Frau Klammer.

      Frau Grabowsky hatte die Augen geschlossen und bewegte die Lippen in einem unhörbaren Gebet.

      Zurück im Schwesternzimmer notierte Beate das Medikament, das sie der Patientin gegeben hatte und schrieb die Uhrzeit auf.

      Bis Mitternacht gab es noch einige Unruhe auf der Station. Beate hatte kaum Gelegenheit, sich im Schwesternzimmer aufzuhalten. Danach hoffte sie sich ein wenig ausruhen zu dürfen. Von zwölf Uhr nachts bis drei Uhr morgens war gewöhnlich die friedlichste Zeit. Aber sie wurde noch einmal gerufen, nach Nummer 20. Es war das einzige Einzelzimmer in ihrer Station und besonders anspruchsvollen Privatpatienten vorbehalten. Im Moment war es von einer Schauspielerin belegt, die mit einer Gallenkolik eingeliefert worden war. Beate stürzte sofort los.

      Trotzdem empfing Lilian Rotor sie unfreundlich: »Da sind Sie ja endlich!«

      Beate wußte, daß es sinnlos gewesen wäre, sich zu verteidigen, und sich zu entschuldigen sah sie keinen Anlaß. Sie trat an das Bett und blieb abwartend stehen.

      »Was starren Sie mich so an?« empörte sich die Patientin. »Ich weiß, daß ich entsetzlich aussehe.« Tatsächlich hatte sie kaum noch Ähnlichkeit mit der anziehenden Frau, die Beate vom Film und vom Fernsehen her kannte.

      »Wenn Sie erst wieder gesund sind, werden Sie so schön wie immer sein, Frau Rotor!«

      »Sie haben gut reden. Sie wissen ja nicht, wie mir zumute ist. Wegen dieser verdammten Kolik habe ich meine Rolle abgeben müssen.«

      »Es wird andere interessante Rollen für Sie geben.«

      »Sie haben keine Ahnung vom Theater!«

      »Das sicher nicht«, gab Beate friedfertig zu, »aber vom Leben. Es geht immer auf und ab. Nach einem Tief kommt auch immer ein Höhepunkt.«

      Die Patientin lachte auf. »Erst wird man älter, und dann wieder ein bißchen jünger! Ist es etwa das, was Sie behaupten wollen?«

      »Sie wissen genau, wie ich es meine. Mit dem Älterwerden muß man sich abfinden. Aber Sie sind besser daran als die meisten Frauen. Sie können für Ihr Aussehen etwas tun. Diät, Gymnastik, Kosmetik. Damit bleibt man lange jung, und wenn alle Stricke reißen, gibt es immer noch eine Schönheitsoperation.«

      »Sehr, sehr tröstlich.«

      »Es ist für Ihren Gesundheitszustand bestimmt nicht günstig, wenn Sie grübeln und düstere Vorstellungen heraufbeschwören. Sie sollten den Klinikaufenthalt lieber nützen, sich zu entspannen. Sie haben es hier ja so schön wie in einem Sanatorium.«

      »Nur daß ich krank bin und Schmerzen habe!«

      »Sie würden sich besser fühlen, wenn Sie sich freundlicheren Gedanken hingeben würden, glauben Sie mir!«

      »Ich will aber nicht denken, und schon gar nicht mitten in der Nacht! Ich will endlich schlafen.«

      »Man hat Ihnen ein sehr starkes Schlafmittel gegeben.« Beate hatte sich darüber vergewissert, bevor sie zu der Patientin geeilt war.

      »Das überhaupt nichts genutzt hat. Bitte, bitte, Schwester, helfen Sie mir! Bringen Sie mir noch etwas! Morphium!«

      Das war eine jener Situationen, die Beate haßte. »Aber das darf ich nicht!« Es war ihr sehr unangenehm, einem Patienten eine Bitte abschlagen zu müssen.

      »Ich glaube Ihnen nicht. Sie haben bestimmt Zugang zum Medikamentenschrank.«

      »Ich muß mich an die Anweisungen der Ärzte halten.«

      »Was sind Sie nur für ein Mensch! Sie können einfach mitansehen, wie ich hier vor Schmerzen und vor Elend verrückt werde!« Lilian Rotor wechselte den Ton. »Bitte, bitte, liebe Schwester ... wie heißen Sie doch gleich?«

      »Beate.«

      »Bitte, liebe Schwester Beate, Sie sollen es ja auch nicht umsonst tun! Ich gebe Ihnen Geld. Hundert Mark? Genügt das?«

      »Ich


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