Die Leihmutter. Marie Louise Fischer

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Die Leihmutter - Marie Louise Fischer


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aus dem Bett. »Sag Opa, ich komme.« Mit einem kleinen Klaps auf den Allerwertesten entließ sie ihn.

      Sie zog sich wieder an, ging ins Bad, wusch sich das Gesicht und Augen mit kaltem Wasser und bürstete sich ihr vom Schlaf zerzaustes rotblondes Haar.

      In der Küche war der Tisch tatsächlich schon mit allem, was dazu gehört, gedeckt. Florian stand daneben, strahlend vor Selbstzufriedenheit, der Schwiegervater mit verlegenem Stolz.

      »Wie lieb von euch!« rief Beate und gab dem alten Herrn den versprochenen Kuß.

      »Wir dachten, du könntest eine kleine Verschnaufpause brauchen. Hast du wenigstens etwas geschlafen?«

      »Und wie!« rief Florian. »Ich habe sie kaum wach gekriegt!«

      »Ich bin tatsächlich eingepennt«, sagte Beate, »womit ich gar nicht gerechnet hatte. Jetzt geht es mir viel besser. Ich habe sogar Hunger.«

      Sie setzten sich.

      »Du siehst auch viel besser aus. Wie geht es Frank?«

      »Er fühlt sich schon wieder putzmunter. Morgen wird er geröntgt.«

      »Und dann?«

      »Werden sie ihn wohl auf jeden Fall nach Hause schikken.«

      »Wieso bist du da so sicher?«

      »Er ist ja noch jung, und es war sein erster Herzanfall. Wenn er seine Gewohnheiten ändert und auf sich aufpaßt, muß es keinen zweiten geben. Für den Notfall werden sie ihm Nitrotabletten verschreiben.«

      »Bist du wirklich so optimistisch?«

      Sie lächelte ihren Schwiegervater an. »Ich will es sein. Ich will mich nicht verrückt machen, bevor das Untersuchungsergebnis da ist.«

      »Da hast du ganz schön recht. Du warst schon immer ein vernünftiges Mädchen.« Er wechselte das Thema und begann, von Florian lebhaft unterstützt, von ihren Unternehmungen an diesem Nachmittag zu erzählen.

      Nach dem Essen, als Beate die Küche mit Florians ungeschickter Hilfe aufgeräumt hatte, badete sie ihn und steckte ihn ins Bett. Sie blieb noch bei ihm und erzählte ihm eine Geschichte. Der ereignisreiche Tag hatte ihn müde gemacht, und er schlief sehr schnell ein, so daß ihr diesmal ein herzzerreißender Abschied erspart blieb.

      Inzwischen war es Zeit für sie geworden, in die Klinik zu fahren. Sie mußte ihre Arbeit um acht Uhr abends antreten. Aber vorher verabschiedete sie sich noch von ihrem Schwiegervater.

      »Ich wollte dir nur sagen, daß Frank dir sehr dankbar ist.«

      »Cum grano salis«, erwiderte der alte Herr trocken.

      »Wie meinst du das?«

      »Es wird ihm wohl alles andere als angenehm sein, sich von mir helfen lassen zu müssen. Er hatte immer schon seinen dummen Stolz.«

      »Von ›dumm‹ würde ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen. Aber ich weiß schon, wie du es meinst. Also dann, bis morgen.«

      »Rackere dich nicht zu sehr ab!«

      Sie lächelte ihm zu. »Werd’ ich schon nicht! Gute Nacht, Vater!«

      Kurz vor acht betrat Beate die »Privatklinik Dr. Scheuringer«. Sie trug schon ihre Schwesterntracht, ein blauweiß gestreiftes Kleid mit weißer Schürze, in der sie sich immer noch wie verkleidet fühlte. Ein weißer Kittel wäre ihr lieber und auch praktischer erschienen. Aber darin hätte man sie für eine Ärztin halten können, und das wollte die Krankenhausleitung verhindern. Die breiten gläsernen Vordertüren waren längst geschlossen, und sie benutzte, wie die anderen Angestellten, den Hintereingang, der von dem Nachtpförtner, einem kräftigen jungen Mann, Student der Philologie, bewacht wurde. Ohne sich von ihm aufhalten zu lassen, eilte sie weiter. Durch einen schwach beleuchteten Flur gelangte sie zum Lift und fuhr in das 4. Stockwerk hinauf, ihre Etage. In dem großen, fast quadratischen Zimmer, das den Schwestern tagsüber als Aufenthaltsraum diente, legte sie den Regenmantel ab, den sie über ihre Tracht gezogen hatte. Sie schloß ihren Spind auf, hängte den Mantel hinein und holte ihr Häubchen heraus. Vor dem Spiegel kämmte sie sich ihren weichen Pony aus der Stirn zurück und setzte ihr Häubchen auf. Sie tuschte sich die Wimpern nach und legte Lippenstift auf, nicht aus Eitelkeit, sondern weil sie wußte, daß eine blasse und müde Schwester auf die Patienten deprimierend wirkte.

      Als Sybille hereinkam, schlank, sportlich, mit einem harten, fast männlichen Gesicht, war Beate gerade fertig geworden. Im Gegensatz zu Beate war Sybille gelernte Schwester, und sie hatte Beate im Lauf der Zeit einiges beigebracht.

      »Gut siehst du aus!« sagte Sybille.

      »Danke! Ich habe sehr schön geschlafen.«

      »Freut mich für dich.« Sybille übergab Beate die Patientenliste, auf der auch die Medikamente vermerkt waren, die sie zur Nacht bekommen hatten, und berichtete ihr über die Neuzugänge. Zu einem privaten Wortwechsel kam es nicht. Sybille, die den Tag über Dienst gehabt hatte, drängte es nach Hause, und Beate mochte sie nicht aufhalten.

      »Wenn es irgendwelche Schwierigkeiten gibt«, agte Sybille, »im Dritten arbeitet Otti. Auf die kannst du dich verlassen.«

      »Gut zu wissen.«

      Sybille hatte ihr Häubchen abgelegt und ihren Mantel angezogen. »Aber ich nehme nicht an,daß es Schwierigkeiten geben wird. Ich hab’ es dir nur auf alle Fälle gesagt.«

      Beate lächelte sie an. »Danke.«

      »Na, dann will ich mich mal auf die Socken machen.«

      »Ich wünsche dir einen schönen Abend!«

      »Hat sich was! Ich hau’ mich gleich in die Federn. Will morgen früh zum Tennis raus.«

      »Wie ich dich beneide!«

      »Hättest du dir keine Familie zugelegt, könntest du es dir auch leisten.«

      »Wie recht du hast!«

      Beate nahm die kleine Stichelei nicht übel. Sybille hatte sie gewarnt, so früh zu heiraten, und sie war immer noch überzeugt, daß sie damit recht gehabt hatte. Aber Beate war sicher, daß sie es nur gut meinte. Natürlich war ihre Ehe für Sybille auch ein echter Verlust gewesen. Obwohl sie nicht eigentlich Freundinnen waren, hatten sie früher doch hin und wieder einen Teil der Freizeit zusammen verbracht, waren zusammen ins Kino gegangen oder zum Tennisspielen. Es war nie darüber gesprochen worden, aber Beate glaubte im stillen, daß sie Sybille ihre Stellung in der Klinik verdankte oder doch zumindest mitverdankte.

      Nach dem Abitur hatte Beate, wie so viele andere, nicht gleich einen Studienplatz bekommen. Deshalb hatte sie erst einmal unentgeltlich, ein Pflegepraktikum gemacht, eine Voraussetzung dafür, im Krankenhaus arbeiten zu können. Das Praktikum hatte zwei Monate gedauert. Danach hatte sie, auf ein Angebot der Klinik hin, als bezahlte Kraft weitergemacht. Als sie dann endlich studieren durfte, hatte sie sich auf die Liste der Nachtwachen setzen lassen. Man hatte ihr die halbe Personalstelle angeboten, was für sie ein großes Glück bedeutete, weil es ihr ein sicheres, wenn auch kleines Einkommen garantierte.

      Normalerweise wurden Studenten, die sich für die Nachtwache aufschreiben ließen, nur bei Bedarf kurzfristig angerufen. Das war natürlich, wenn man das Geld brauchte, ein ewiges Hängen und Würgen. Außerdem hatte es den Nachteil, daß man alle Pläne umwerfen mußte, wenn dann der ersehnte, aber oft nicht erwartete Anruf der Klinik kam. Beate teilte sich ihre Planstelle mit einem Medizinstudenten namens Günther Schmidt, einem jungen Mann, den sie sehr mochte. Sie konnten untereinander ausmachen, wer wann Nachtwache halten wollte. Zusammen hatten sie vierzehn Nächte im Monat zu arbeiten, und wenn Günther einmal verreisen wollte, kam es vor, daß Beate mehr als ihre sieben Wachen übernahm. Dafür entlastete Günther sie dann im nächsten Monat. Dieser Job war für Beate die ideale Lösung, zumindest ihrer finanziellen Probleme.

      Darüber hinaus liebte sie ihn aber auch noch auf andere Weise. Sie freute sich immer wieder auf den Antritt ihrer Nachtwache, den sie mit einem Rundgang durch die Krankenzimmer begann. Dabei begrüßte sie jeden Patienten einzeln, fragte nach dem Befinden


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