Verbotene Liebe - Liebesroman. Marie Louise Fischer
Читать онлайн книгу.Der Hausmeister entgegnete wütend: „Das können Sie alles der Polizei erzählen!“
In seine Worte hinein drang aus dem Fahrstuhlschacht Sabines ängstliche Stimme. „Peter! Peter, wo sind Sie?“
Der Hausmeister lauschte verblüfft, strich sich verlegen über die Glatze und murmelte: „Scheinen ja tatsächlich recht zu haben . . .“
„Beeilen Sie sich, Mann!“ drängte Peter Hartmann.
Kurze Zeit später schon fand der Hausmeister den Grund der Panne, und zwei Minuten danach hielt der Fahrstuhl im Erdgeschoß, wo Peter Hartmann sehnsüchtig wartete. Er riß die äußere Gittertür auf, und Sabine flog ihm entgegen. Er legte seine Arme um sie, und Sabine drückte ihren Kopf gegen seine Brust.
Eine noch nie gefühlte Seligkeit erfüllte Peter, als ihr schmaler, warmer Körper sich an ihn schmiegte. Er hoffte, daß dieser Zustand nie enden möge.
„Danke“, hauchte Sabine und drückte ihre weichen Lippen gegen seine Wange, dann löste sie sich schnell.
Verlegen schaute sie jetzt zu Boden, wandte sich um und holte ihre Handtasche, ihren blauen Regenmantel, Peters Jacke und Aktentasche aus der Fahrstuhlkabine.
„Ach, Sie sind es, Fräulein Kortner“, machte sich der Hausmeister bemerkbar.
Sabine sah ihn an und begann zu lachen. „Gut beobachtet, Herr Mühlau!“ Sie wunderte sich, daß sie keinen Groll gegen ihn empfand. „Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, säße ich noch immer in dem Käfig.“
„Tut mir leid, aber ich wußte doch nicht . . .“
„Schon gut“, unterbrach Peter ihn. „Kann ich mir bei Ihnen die Hände waschen?“
In der Wohnung des Hausmeisters bürstete er sich auch die Hose sauber, aber die breiten schwarzen Ölspuren auf dem weißen Hemd ließen sich nicht beseitigen.
„Sabine, geben Sie mir bitte meine Jacke und die Krawatte.“ sagte er.
Sabine schüttelte schelmisch den Kopf. „Die Krawatte behalte ich!“ Sie wickelte sie sich übermütig um den Hals.
Peter mußte lachen. „Ich gebe zu, sie steht Ihnen besser als mir. Außerdem haben Sie sie wirklich verdient.“
Er zog sich die Jacke über und blickte dann prüfend an sich herunter. Die Schmutzflecken am Hemd waren verdeckt. Sabine reichte ihm seine schmale Aktentasche.
„Und was machen wir mit dem angebrochenen Abend?“ fragte er gutgelaunt, als sie sich von dem Hausmeister verabschiedet hatten und vor einem roten Porsche standen. Es war Peters Wagen.
„Ich weiß nicht . . .“ erwiderte Sabine unsicher.
„Aber ich weiß!“ bestimmte Peter lachend. Er öffnete die Tür zum Beifahrersitz.
Da verwarf Sabine alle Bedenken. Sie dachte zum ersten Male nicht an ihre Mutter, die zu Hause auf sie wartete, voller Angst, der Tochter könnte etwas passiert sein. Sabine ließ sich auf den niedrigen Ledersitz gleiten und steckte Peters Krawatte in ihre Manteltasche.
„Was haben Sie denn vor, Peter?“ fragte sie bescheiden, aber doch voller Erwartung.
„Wir fahren in einen Biergarten“, erklärte er und ließ den Motor des offenen Sportwagens an. „Da läßt man mich auch ohne Krawatte hinein . . .“
Sabine lachte leise auf. Ich glaube, ich bin verliebt, zum erstenmal in meinem Leben richtig verliebt, dachte sie selig.
Sie fuhren in dem offenen roten Porsche durch den dichten Münchener Abendverkehr, über den Stachus, am Hauptbahnhof vorbei, bogen ab in die Arnulfstraße. Es war ein herrliches Gefühl für Sabine. Sie sah Peters kräftige Hände am Lenkrad, sein beherrschtes männliches Gesicht, und sie fühlte sich sicher in seiner Nähe.
Für einen Augenblick keimte die Hoffnung in ihrem Herzen, Peter möge sie das ganze Leben lang begleiten und beschützen. Aber sofort wischte sie diesen Hoffnungsschimmer weg. Ich darf nicht träumen, ermahnte sie sich.
Peter stellte den Sportwagen auf dem Parkplatz des Biergartens ab. „Vielleicht finden wir einen etwas ruhigen Platz“, sagte er, während sie sich zwischen den ersten vollbesetzten Tischen hindurchschlängelten.
An diesem warmen Spätsommerabend war hier Hochbetrieb. Man war fröhlich und laut, aß goldbraune Brathähnchen, danach einen Rettich, genannt „Radi“, und trank Bier.
Vollbusige Serviererinnen in Dirndlkleidern transportierten in jeder Hand vier Tonkrüge und schafften sich mit Kommandostimme Platz.
Peter und Sabine fanden am Rand einer Hecke einen kleineren Tisch, der leer war. „Wie für uns geschaffen!“ meinte Peter, legte seine Aktentasche mit den Unterlagen des Rechtsanwalts auf einen Stuhl, nahm Sabine den blauen Regenmantel ab und legte ihn darüber. „Bitte, setzen Sie sich, Sabine.“
Er winkte einer Serviererin und bestellte zwei Maß Bier und zwei halbe Brathähnchen.
„Ist doch recht?“ fragte er Sabine. Sie nickte.
Die Serviererin ging. Sabine und Peter saßen sich gegenüber. Die unbekümmerte Fröhlichkeit war verflogen. Eine merkwürdige Beklemmung herrschte zwischen ihnen. Die Beklemmung zweier Menschen, die sich noch scheuen, ihre Gefühle zu zeigen. Gefühle, die noch so jung und verletzbar . . .
„Mit dem Wetter haben wir aber Glück“, sagte Peter, als er spürte, daß die wortlose Pause unerträglich lang wurde.
„Ja“, antwortete Sabine. „Der Sommer ist uns ja auch noch einiges schuldig.“
Peter nickte. Dann war wieder eine Pause. Sabines schöne lange Hände lagen in einer nervösen Spannung auf der Tischplatte, fast verkrampft. Ihre Augen waren gesenkt.
Peter fühlte, daß sie das gleiche empfand wie er. Aber auch sie fand die richtigen erlösenden Worte nicht.
„Sie sind Chefsekretärin bei Brettschneider?“ begann er das Gespräch wieder.
„Wir sind zu viert in der Kanzlei . . .“
„Aber unter den vieren sind Sie die Erste?“
„Ich weiß nicht . . .“
„Sabine, seien Sie doch nicht so bescheiden!“ Peter sah das zarte Lächeln, das sich um ihren schön gezeichneten Mund legte. „Macht Ihnen die Arbeit denn Spaß?“
„Ja, sehr. Ich wollte mal selbst Anwältin werden. Aber da war ich noch sehr jung.“ Ihre Augen wanderten über seine Hände. Er ist nicht verheiratet oder verlobt, dachte sie.
„Warum sind Sie denn nicht Anwältin geworden?“ Peter biß sich auf die Unterlippe. Er hätte die Frage am liebsten wieder ausgewischt.
Aber Sabine antwortete sofort. „Mein Vater kam damals ums Leben. Bei einem Unfall. Da hat meine Mutter mich vom Lyzeum genommen und bei einer privaten Handelsschule angemeldet. Nach einem Jahr habe ich dann die Stellung bei Dr. Brettschneider bekommen.“
„Sie mußten Geld verdienen?“
„Ja, meine Mutter bezieht nur eine kleine Pension. Und sie hatte auch Angst, ihr könnte etwas passieren, und ich wäre dann ganz allein und ohne Beruf.“
„Sie sind das einzige Kind, Sabine?“
„Ja.“
Peter lachte plötzlich auf. „Das ist ja das reinste Verhör!“ Er sah die Serviererin kommen. „Na, dann wollen wir uns erst mal stärken.“ Peter spürte, daß seine Worte zu laut waren. Verflucht, dachte er, was ist denn los mit mir? Ich benehme mich wie ein Primaner.
Er bezahlte und hob dann den Bierkrug. Sabine nahm den ihren in beide Hände.
„Auf unsere wundersame Rettung aus dem Fahrstuhl“, sagte er leise.
„Auf meinen Helden“, entgegnete Sabine, und ein leuchtendes Lächeln glitt über ihr Gesicht.
Für