Die Liebe, die uns rettet. Walther von Hollander

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Die Liebe, die uns rettet - Walther von Hollander


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ab. Beginnt von neuem zu klingeln. Denn Rauthammer hat abgehängt und aufs neue angerufen.

      „Wir werden einfach nicht hinhören“, sagt Sophie, „der Mann kann uns doch schliesslich nicht zwingen zuzuhören.“

      Die drei andern, die jungen Frauen, kommen wieder herein. Sie umstehen zu fünfen den klingelnden Apparat wie ein ungezogenes Baby. Sie lachen, sie schieben ein Stück Papier in die Klingel. Sie bewundern die Hartnäckigkeit des Klinglers und bewundern Barbaras Nerven, die das Klingeln aushält, ohne abzuheben. Sie können schliesslich nicht das Ende der ganzen Sache abwarten. Unter grossem Gelächter und bei gleichbleibendem Läuten verabschieden sich alle und gehen.

      Sie kommen aus dem Haus, vier lachende, gut angezogene, nette Frauen. Die Sonne scheint noch immer. Es ist sehr heiss. Von einer Spätlinde kommt ein betäubender Duft. Adieu, adieu! Sie umarmen sich. Alles Gute!

      Ach, man braucht Barbara gar nicht „alles Gute“ zu wünschen. Sie funkelt ja förmlich vor Glück. Ihre Augen leuchten, und sie hat Farben ... herrlich ...

      „Mach, dass du nach Hause kommst“, sagt die eine.

      Und die andere: „Er läutet immer noch. Hört mal!“

      Wirklich: man hört den Apparat bis auf die Strasse schrillen. Dann hört man Sophie sprechen. Was sie sagt, ist nicht zu verstehen. Sie horchen. Sie lachen. Barbara winkt den andern und fährt im Autobus ab. Oben aber sagt Sophie in den Apparat: „Barbara ist fort, Herr Rauthammer. Es wird auch alles umsonst sein, was Sie anstellen. Glauben Sie mir. Sie machen höchstens sich und ihr das Leben schwer. Mehr kann nicht herauskommen.“

      „Sehr freundlich“, antwortet Rauthammer, „sehr nett von Ihnen, mir einen Rat zu geben. Vielleicht können wir die ganze Sache noch einmal miteinander bereden. Ganz so einfach ist es vielleicht doch nicht. Wie meinen Sie? Ach jetzt haben Sie keine Zeit? Nachher auch nicht? Morgen, wie bitte, morgen ... da muss sich doch irgendeine Zeit finden lassen. Oder doch besser jetzt gleich? Nein? Also wir werden sehen? Ja, wir werden sehen. Vielen Dank.“

      Er geht endlich von seinem Apparat weg, aus seinem Zimmer. Er fährt im Fahrstuhl herunter, geht eilig aus dem Hotel. Es scheint, er hat sehr wichtige Dinge zu erledigen.

      5

      Alfred Meimberg kommt mit dem Kollegen und Sozius Dr. Weppen aus der letzten Konferenz. Die Sonne brennt, als wollte sie die Steine kochen. Aber es gelingt ihr nur, den Asphalt zu schmelzen. Der Spitzstock, den Dr. Weppen stets bei sich trägt – als sei der Gang auf die Gerichte ein Spaziergang – sticht kleine Löcher ins Pflaster.

      „Es ist eine Schweinerei“, seufzt Dr. Weppen, indem er in Meimbergs Auto einsteigt, „dass Sie nun mit Ihrem Auto einfach davonfahren. Jetzt kann man sich wieder in die Taxis setzen. Jeden Tag einen andern Chauffeur.“

      „Entschuldigen Sie nur, dass ich heirate ...“, lacht Meimberg, „es tut mir aufrichtig leid ...“

      „Natürlich tut es Ihnen leid“, murrt Weppen, indes der Wagen langsam anfährt, „selbstverständlich ist Ihnen jetzt kolossal mulmig zumut’. Trotzdem werden Sie heiraten und werden Kleesand und mich als ein geköpftes Trio, als verlassene Junggesellen in Berlin zurücklassen ...“

      „Sie können ja auch heiraten“, antwortet Meimberg, „ich sage Ihnen, es ist überraschend einfach.“

      Der Wagen hält mit einem Ruck. Denn das rote Licht sperrt die Durchfahrt. Weppen sieht missmutig zum Bürgersteig hinüber, über den die einkaufenden Frauen scharenweise flanieren, elegante und halbelegante, eilige und langsame, hübsche und hässliche Frauen. „Bitte“, sagt Weppen und zeigt auf die Frauen, „da ist so eine Auswahl. So etwas soll man heiraten. Natürlich: Sie haben Ihre Barbara Schreiner. Das ist etwas anderes. Sagen Sie selbst ...“

      Der Wagen fährt von neuem an. „Ich sage es selbst“, antwortet Meimberg. „Ich bin auch in meinem ganzen Leben nie auf die Idee gekommen zu heiraten, bis ich eben Barbara Schreiner kennengelernt habe ... das ist Tatsache ...“

      Der Wagen biegt nun in eine stillere Seitenstrasse ein. Meimberg prescht los. Der Fahrwind beginnt zu heulen. Weppen muss seinen Hut festhalten, und die Worte werden ihm vom Munde gerissen. Trotzdem spricht er weiter, etwas bellend wie immer und ein bisschen anklagend: „Ist das wirklich wahr? Nie auf die Idee gekommen, eine andere zu heiraten? Wie ist das nur möglich! Ich komme jeden Monat einmal auf die Idee zu heiraten. Aber dann packt mich immer rechtzeitig der natürliche Schreck. Immer eine Frau in der Wohnung. Wenn man nach Hause kommt. Wenn man von Hause weggeht ... immer eine Frau. Vielleicht mag sie auch nicht, dass ich Zigarren rauche, oder ist böse, wenn ich einen Kognak trinke – das bekommt dir nicht, mein Lieber – weiss ich doch allein – oder sie mag nicht, wenn ich arbeite, oder sie findet es nicht richtig, wenn ich mal nicht arbeite. Vielleicht liebt sie Konzerte. Mit Symphonien von Brahms ... denken Sie, wie entsetzlich! Oder gar mit Liedern von Grieg ... noch schrecklicher! Oder ...“

      „Sie nehmen immer gleich das Schlimmste an“, tröstet Meimberg, „manche lieben ja auch Mozart. Oder einen Jazz oder einen Zigeunergeiger ...“

      „Zigeunergeiger“, nickt Weppen, „da haben wir es. Nein, nein, man kann nicht heiraten. Jawohl, manche lieben die Zigeunergeiger. Zu sehr sogar. Viel zu sehr ...“

      Der Wagen hält. Denn dies moderne Apartmenthaus mit glatter Front und hohen Fenstern, dieser appetitliche, langweilige Bau enthält auch Weppens appetitliche, langweilige, winzige Junggesellenwohnung mit allem Komfort.

      „Mein Himmel“, fragt Meimberg, „was regt Sie denn der Zigeunergeiger so auf? ... Ich habe das nur so hin gesagt ...“

      Weppen holt sich umständlich eine grosse Zigarre aus der Tasche, schneidet sie ab und brennt sie an. Alfred Meimberg sieht der heiligen Handlung etwas ungeduldig zu. Eigentlich hat er ja anderes zu tun, als mit Weppen über die Ehe zu philosophieren. Aber er kennt Weppens Hartnäckigkeit, er liebt sie bei der Arbeit, also muss er sie auch im übrigen Leben ertragen.

      „Der Zigeunergeiger hat mir die Augen endgültig geöffnet“, sagt Weppen und schwingt drohend seine Zigarre, „eine Ehe ist entweder Brahms und Grieg und Langeweile oder aber Mozart und Zigeunergeiger und ... na das Übrige ist ja ganz klar ...“

      Meimberg schüttelt den Kopf. Ihm ist es durchaus nicht klar.

      „Entweder also würde ich mich langweilen“, fährt Weppen fort, „und dazu brauchte ich ja nicht erst zu heiraten. Das kann man allein billiger und kürzer haben. Oder aber ich würde mich nicht langweilen. Ich würde im Gegenteil die Frau ganz famos finden. Aber dann ... ja dann würde eben der Zigeunergeiger auftauchen. Sowas Flottes, Abenteuerliches, sowas Dunkles, sowas – wie sagen die Damen in solchen Fällen – sowas Elementares, Leidenschaftliches. Kurzum, irgendwas Unzuverlässiges, Unerwartetes von Mann würde kommen und mir die Frau stehlen. Jawohl, ich sage es offen. Ich bin nicht sehr schön und nicht sehr besonders, also muss ich sehr ängstlich und sehr eifersüchtig sein ...“

      Er sieht den Kollegen erwartungsvoll von der Seite an. „Na, denn auf Wiedersehen“, sagt Meimberg, „heute abend. Smoking. Zehn, höchstens zwanzig Leute ...“

      „Nein!“ ruft Weppen, während er aus dem Auto klettert. „So entkommen Sie mir nicht. Ich halte Ihren Wagen fest, bis Sie mir geantwortet haben. Waren Sie nie eifersüchtig? Und wenn nein, werden Sie nie eifersüchtig sein?“

      Meimberg fährt langsam an. Er schüttelt den Kopf. „Ich käme nicht auf die Idee. Eifersucht ist was für Kinder, die nicht wissen, wen sie heiraten.“

      „Halt, halt“, sagt Weppen, „das müssen Sie noch zu Ende sagen.“ Er ist auf das Trittbrett gestiegen. Er fährt auf dem langsam rollenden Wagen ein Stück mit ... „Zu Ende sagen ... Interessiert mich. Wenn Sie zum Beispiel eine weniger erwachsene Frau heiraten würden. Sowas kann ja passieren, nicht wahr ... so eine Art von Kind ... sowas schrecklich Weibliches und Unverantwortliches ... gibt es ja schliesslich auch ...“

      Meimberg hält scharf an.

      „Da Sie mich fragen, Weppen“, sagt er ziemlich ernst, „will ich Ihnen auch


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