Pferdeglück. Lise Gast

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Pferdeglück - Lise Gast


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lachte Brigge, „Henner ist ein sehr großer Waidmann mit viel Erfahrung und noch mehr Passion –“

      „Bitte entschuldige mich für eine Weile. Ich habe Gisela und Schimmel noch nicht gute Nacht gesagt“, sagte Henner nach einer kleinen Zeit und stand auf. Mochte der andere nur merken, daß er kein Fremdling war. Er ging. Brigge sah ihm nach. Wußte er, wo die Mädchen noch wohnten?

      Er wußte es nicht, traf aber Omme. Sie sagte ihm gutmütig Bescheid.

      „Vati!“ schrie Schimmel selig, als er, nach kurzem Klopfen, den Kopf durch den Türspalt steckte. Sie lag schon im Bett, Gisela auch. Die aber kam sofort herübergerannt, im bunten, kurzhosigen Schlafanzug, und kroch zu Schimmel hinein. Henner zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.

      „Na, ihr beiden?“ fragte er zärtlich.

      „Das ist aber lieb, daß du noch kommst, Vati. Wir haben nur von dir gesprochen.“

      „Und ich nur an euch gedacht. Unten ist Besuch, ein Baron –“, er verzog ein wenig das Gesicht, das sah so komisch aus, daß beide lachen mußten. „Da hab’ ich mich lieber verzogen. Zu euch.“

      „Fein, Vati. Der Baron – ja, der ist ganz nett. Sonst sitzt er meistens bei Omme. Er hat einen Dunkelfuchs, führt ihn im Dogcart. Reiten tut er nicht mehr. Blöd, nicht mehr zu reiten. Aber – – er wohnt beim Forstmeister, der hat einen Stall am Haus …“

      „Den Fuchs möchte ich mal reiten“, sagte Schimmel verträumt, „er ist zu schade für den Wagen. Hoch im Blut, Araber drin, bestimmt, aber keine Papiere. Ich finde, wenn man fährt, braucht man keine Papiere. Aber wenn man reitet –“

      „Hat die Mausi Papiere?“ fragte Henner etwas unüberlegt. Beide sahen ihn mitleidig an.

      „Klar. Denkst du, Brigge kauft ein Zufallspferd? Und wir wollen sie ja auch decken lassen, nur müssen wir da erst ein drittes haben, weil sie doch dann eine Weile ausfällt und nicht geritten werden kann. Brigge hat schon eins in Aussicht – – –“

      Sie nahmen einander das Wort vom Mund vor Eifer. Henner saß dabei, hörte zu und dachte an anderes. Schließlich stand er auf.

      „Nun schlaft schön. Morgen reiten wir wieder –“

      „Vati ist klasse“, seufzte Schimmel, als er gegangen war, „nun schieb ab, los! Ich will schlafen –“

      ,Ja, klasse‘, dachte auch Gisela, während sie aus Schimmels Bett kroch und hinüber in ihr Zimmer ging. ,Morgen abend muß er aber zu mir kommen. Er müßte immer hier sein …‘

      Der Baron verabschiedete sich gerade, als Henner herunterkam. Brigge ging mit ihm bis zur Haustür. Es dauerte reichlich lange, bis sie wiederkam, fand Henner.

      „Na?“ fragte sie lächelnd. Dieses ,Na‘ brachte Henner um den Rest seiner erzwungenen Fassung.

      „Brigge, erlaube. Meine Meinung ist zwar für dich nicht maßgebend, aber als – nun, als alter Freund des Hauses, wie du mich zu betiteln beliebtest, kann ich nur sagen, ich finde dein Benehmen doch sehr – merkwürdig. Läßt dir hier den Hof machen von solch einem alten Knacker – milde gesprochen –“

      „Er ist nicht viel älter als du“, sagte Brigge und gähnte, „Aussehen kann sehr täuschen. Ich habe ihn nie nach seinem Geburtsschein gefragt. Ich mag ihn eben, eigentlich kommt er Ommes wegen. Wie ich mich benommen habe? Gar nicht. Geredet habt ihr.“

      „Bitte nenne mich nicht mit diesem – diesem Herrn in einem Atemzug. Was sagt übrigens dein Mann dazu?“

      „Wozu?“

      „Daß solche – solche Existenzen, will ich mal sagen, dir hier den Hof machen und um dich balzen –“

      „Mein Mann? Der sitzt dabei“, sagte Brigge lakonisch. Sie hatte die Stehlampe ein wenig gedreht, so daß ihr Gesicht außerhalb des Lichtkreises war. „Trink noch einen, Henner, komm.“

      „Aber keinen Jägermeister“, sagte er grantig.

      Sie lachte. „Ich habe auch Vollblut da. Erinnerst du dich?“

      Sie hatte eine Flasche geholt und goß ein. Blutrot floß es in die Gläser. Henner schwieg.

      Sein aggressiver Ärger war einer plötzlichen Schwermut gewichen. Vollblut hatten sie getrunken, damals, in Sankt Peter, am ersten Abend ihrer Bekanntschaft, Es war nett von ihr, das nicht vergessen zu haben, aber es tat doch weh.

      „Geh schlafen, Henner“, sagte Brigge sanft und ganz ohne Ironie, „du mußt viel nachholen – an Schlaf. Ich werde dafür sorgen, daß niemand dich stört.“

      *

      Sie sorgte dafür. Henners Zimmer lag abseits der anderen, er konnte seinen Morgenschlaf genießen, so lange er wollte. Und da man ihm am ersten Morgen seines Hierseins das Frühstück ans Bett gebracht hatte, war es logisch und zu verantworten, daß er nicht abschloß. Wozu auch – nein, er versperrte seine Tür nicht. Es war doch möglich – –

      Es war nicht möglich, sondern wurde Tatsache. Henner, früh erwacht, hatte sich gewaschen und rasiert und dann noch für einen kleinen Nachschlaf – oder auch nicht dafür – ins Bett gelegt. Das Fenster stand offen, und die schönste Morgenluft, schon herbstlich herb und hellgolden, strömte herein. Henner hatte seinen besten, mattblauen Schlafanzug an und wachte auf, als Brigge am späten Vormittag zu ihm hereinschlüpfte, heute ohne Gisela.

      Sie lächelte ihm zu, frisch wie der junge Morgen, und setzte sich auf seinen Bettrand. Und sie war warm und gut und kein bißchen spitz und streitbar, sondern in einer weichen und freundlichen, man konne fast sagen: zärtlichen Laune. Henner fühlte ihre kräftige, breite kleine Hand in der seinen und schloß die Augen.

      Gerade da brüllte es „Brigge!“ draußen auf dem Flur. Sie seufzte resigniert und übersah seine ägerlichen Stirnfalten.

      „Die Jungen“, sagte sie, „einen Augenblick.“

      Peter hatte sich den Fuß aufgerissen. Ja, an einem rostigen Nagel, und da mußte man wohl –

      Man mußte, leider. Brigge brachte Henner zwar noch das Frühstückstablett, war aber mit ihren Gedanken schon beim Doktor und der nun fälligen Tetanusspritze.

      „Obwohl du nicht zu denken brauchst, der Junge machte Theater. O nein, da kennst du meine Söhne nicht. Sind ja lausefrech, aber bei so was tadellos, sag’ ich dir. Er muckt nicht, darauf kannst du dich verlassen.“

      Henner widersprach nicht, aber seine Teilnahme an dem Unfall blieb lau. Mußte der Bengel gerade diese Morgenstunde so blutig unterbrechen? Selbstverständlich hatte er das nicht mit Absicht getan, aber der Zeitpunkt war wenig erfreulich gewählt.

      „Nun bin ich mittags nicht da“, sagte Brigge, „aber das macht nichts.“

      Das macht nichts. Immer hatte sie so gesagt, bei tausend Gelegenheiten. Wenn statt eines Jungen ein Mädchen kam, wenn Henner geschäftlich Pech hatte, wenn sie selbst eine nötige Adresse verbummelte und dafür das Rezept eines englischen Kuchens eingesteckt hatte, der ihnen beiden nicht schmeckte und den sie nie backen würde. Das macht nichts. Ändern Frauen sich denn nie?

      „Wir essen dann zusammen nach, du und ich, schlaf noch mal rum, das ist das beste für dich.“

      Hinaus war sie. Was blieb ihm übrig, als seufzend zu tun, was sie sagte?

      Es wurde kein guter Schlaf. Und es wurde kein guter Tag. Obwohl Omme ihn fürstlich bewirtete, obwohl eine wundervolle, klare Herbstsonne über dem Garten lag, obwohl am Nachmittag die Mädchen auftauchten, schlank und braun und mit blanken Augen. Brigge hatte so wenig Zeit.

      Das war verständlich, sie war ja Hausherr und zur Hälfte auch noch Hausfrau hier. Zwar dachte sie wohl an Henner, brachte ihm einen Stapel Jagdzeitschriften, bedachte ihn mit einem extra guten Kaffee und sorgte noch mit anderen Kleinigkeiten immer wieder für sein Wohlbefinden. Aber er war eben Gast hier, und das tat weh. Gast in dem Hause, in dem er Hausherr und Vater hätte sein können.

      ,Ich


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