Frauenstation. Marie Louise Fischer

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Frauenstation - Marie Louise Fischer


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      »Becken hochlagern«, ordnete er an. »Sauerstoff …«

      Mit geübten Griffen lagerten Fräulein Mager und Schwester Edith das Becken hoch, die Schwester hielt der Patientin die Sauerstoffmaske vor.

      »Einen Handschuh, bitte!«

      Die Hebamme hat den sterilen Gummihandschuh schon bereitgehalten. Sehr vorsichtig begann Dr. Schumann mit der vaginalen Untersuchung. Der Muttermund war jetzt nahezu vollständig geöffnet. Der Kopf des Kindes stand etwa in Beckenmitte. Es handelte sich um eine zweite Lage. Der Rücken des Kindes lag auf der rechten Seite.

      Dr. Schumann streifte den Handschuh ab, richtete sich auf.

      »Vorbereiten zur Zange!«

      Schwester Edith verließ eilig das Entbindungszimmer. Noch einmal hörte Dr. Schumann die kindlichen Herztöne ab. Sie waren noch langsamer geworden.

      »Du mußt jetzt atmen«, erläuterte die Hebamme, »tief atmen, Evelyn! Dein Kindchen braucht Sauerstoff!«

      Der Körper der Patientin krampfte sich unter einer heftigen Wehe zusammen. Sie schrie auf. »Ich kann nicht … kann nicht mehr! O Gott, ich halte es nicht mehr aus!«

      Dr. Schumann trat an das Kopfende. »Es geht um Ihr Kind, Evelyn«, sagte er, »um das Kind Ihrer Liebe! Sie dürfen es jetzt doch nicht im Stich lassen. Helfen Sie ihm!«

      Zwei-, dreimal gelang es der Patientin, tief durchzuatmen; dann aber, bei der nächsten Schmerzwelle, schrie sie wieder: »Nein, nein, nein! Ich kann nicht mehr!«

      Dr. Schumann und die Hebamme atmeten auf, als Schwester Edith mit einer Trage zurückkam. »Im OP ist alles bereit«, meldete sie.

      »Gott sei Dank«, flüsterte Fräulein Liselotte erleichtert.

      Die beiden Frauen betteten die Patientin auf die Trage um. Vom Eintreten des Oberarztes in das Entbindungszimmer bis zu diesem Augenblick waren knapp vier Minuten vergangen. Dr. Schumanns Indikation stand fest: Zange aus Beckenmitte wegen Verschlechterung der kindlichen Herztöne in der Austreibungsperiode.

      Er eilte über den Gang in den gekachelten Waschraum, zog Jacke und Kittel aus, reinigte sich rasch unter fließendem Wasser die Hände. Schwester Edith kam aus dem OP, reichte ihm einen frischen hellgrünen Kittel, Handschuhe.

      Als er in den Operationssaal trat, lag die Patientin im hellen schattenlosen Licht der Operationslampen. Ihr Stöhnen war leiser geworden, denn Dr. Leopold hatte ihr schon die erste Spritze gegeben.

      »Narkose«, befahl Dr. Schumann.

      Der Anästhesist begann mit der Einleitung – keinen Moment zu früh, denn das noch ungeborene Kind durfte auf keinen Fall geschädigt werden. Sekunden später war die Patientin eingeschlafen.

      Mit sicheren Händen führte Dr. Schumann den ersten, dann den zweiten Zangenlöffel ein.

      Schwester Bertha reichte ihm das Skalpell.

      Dr. Schumann legte im Bereich des Dammes einen Schnitt an, eine sogenannte rechtslaterale Episiotomie. Dann begann er mit äußerster Behutsamkeit, rhythmisch an der Zange zu ziehen.

      Es schien heiß im Operationssaal. Er spürte, wie ihm Schweiß auf die Stirn trat. In diesen Minuten war er Herr über Leben und Tod eines Menschen, und er war sich dessen bewußt. Ohne die Lippen zu bewegen, schickte er ein Stoßgebet zum Himmel.

      Dann, ganz langsam, begann der Kopf des Babys sichtbar zu werden, das schwarze Haar, die kleine Fontanelle vorn.

      Der Kopf schnitt durch, war geboren.

      Dr. Schumann nahm die Zangenlöffel ab, begann mit beiden Händen erst die Schultern, dann den ganzen kleinen Körper zu entwickeln und hielt das Kind, einen kräftigen kleinen Jungen, während die Hebamme die Nabelschnur abklemmte und durchschnitt. Das Neugeborene war blau verfärbt, tat aber sofort seinen ersten Schnapper. Noch in den Händen des Arztes begann es kräftig zu schreien – ein jämmerliches, mißtönendes Babygeschrei, das dennoch Musik in den Ohren Dr. Schumanns war. Der Kopf des Kindes zeigte keine Quetschungen durch die Zange.

      Die Hebamme strahlte, als sie es entgegennahm.

      Dr. Schumann richtete sich hoch auf, reckte die Schultern, kostete eine Sekunde lang ein Siegesgefühl aus, beugte sich dann wieder über den Leib der Patientin, um die Plazenta herauszuziehen und den Uterus auf eventuelle Verletzungen zu überprüfen. Es war alles glatt gegangen.

      Die Episiotomie mußte genäht werden. Während die eigentliche Extraktion des Kindes nur Minuten gedauert hatte, brauchte Dr. Schumann für diese Arbeit viel mehr Zeit.

      Endlich war alles getan. Dr. Schumann dankte seinen Assistenten, ging hinaus, wusch sich die Hände und wechselte den Kittel. Dann trat er noch einmal in den Operationssaal.

      Die junge Mutter war erwacht und betrachtete mit glücklichen Augen ihren kleinen Sohn, den ihr die Hebamme – gebadet und gewickelt – in die Arme gelegt hatte.

      »Was für ein goldiges Kerlchen«, stammelte sie fassungslos; »mein Kind, unser Kind, ein Junge! Und ich habe gedacht, ich schaffe es nicht … ich hab’ wirklich gedacht …«

      Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

      Dr. Schumann blickte auf sie herab. »Gratuliere!« sagte er herzlich. »Jetzt können Sie stolz sein …«

      Sie sah zu ihm auf. »Stolz? Aber ich … ich habe mich doch schrecklich angestellt, nicht wahr? Entschuldigen Sie bitte, ich …«

      »Ach was! Denken Sie doch so etwas nicht! Sie waren sehr tapfer.«

      Schwester Edith trat von hinten an Dr. Schumann heran.

      »Herr Oberarzt«, sagte sie; »bitte … wie lange dauert es noch?«

      Er drehte sich um. »Ich bin hier fertig. Warum?«

      »Ihre Gattin wartet auf Sie.«

      »Meine Frau?« fragte Dr. Schumann. »Hat sie angerufen?«

      Er konnte es nicht verhindern, daß seine Stimme ungläubig klang.

      »Nein, sie ist hier. In der Klinik. Die Oberschwester hat sich erlaubt, sie in Ihr Arbeitszimmer zu führen.«

      Oberarzt Dr. Rainer Schumann konnte sich nicht erinnern, daß seine Frau Astrid ihn jemals in der Klinik besucht hatte. Nun aber war sie zu ihm gekommen, wartete auf ihn, obwohl sie ihn in der Nacht zuvor Mörder genannt hatte und vor seiner Umarmung zurückgezuckt war. »Rühr mich nicht an, rühr mich nie wieder an!« hatte sie ihn angeschrien.

      Er lief über den langen Klinikgang, bemerkte nicht den Gruß der Schwestern, Hebammen und Kollegen, die an ihm vorüberhasteten, dachte darüber nach, was dieser Besuch seiner Frau wohl zu bedeuten hatte. Wartete sie auf ihn, um sich zu versöhnen? War sie gekommen, um ihm zu sagen: „Es ist das beste, wenn wir uns trennen, unsere Ehe ist doch nur Quälerei?«

      Dann stand er vor seinem Arbeitszimmer. Schon wollte er die Tür öffnen, zögerte aber noch einmal, zündete sich erst eine Zigarette an und nahm einige tiefe Züge, um sich zu beruhigen. Endlich trat er ein.

      Astrid saß hinter seinem Schreibtisch. Sie blickte auf, mit einem seltsamen Ausdruck in den schönen tiefblauen Augen, den er nicht zu deuten wußte. Sie trug ein eng tailliertes schwarzes Kostüm, dessen tiefer spitzer Ausschnitt den Ansatz ihres Busens ahnen ließ. Er glaubte den Duft des kostbaren exotischen Parfüms, das sie zu benutzen pflegte, deutlich zu spüren.

      »Du scheinst nicht sehr erfreut«, sagte sie, den Blick unverwandt auf ihn gerichtet.

      Er trat näher zum Schreibtisch und streifte die Asche seiner Zigarette ab. »Warum bist du gekommen?« fragte er.

      »Ich wollte dich sehen«, erwiderte sie einfach.

      Sie erhob sich und kam hinter dem Schreibtisch hervor. Ganz nahe stand sie vor ihrem Mann. Er brauchte nur die Hand auszustrecken, um sie zu berühren. Er tat es nicht.

      »Rainer«, sagte sie leise, und in ihrer


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