Frauenlob. Der Roman eines jungen Mannes. Rudolf Stratz

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Frauenlob. Der Roman eines jungen Mannes - Rudolf Stratz


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ist das Elsche auf der Welt! Das Elsche ist pfiffig!“

      „Die Krott hat’s fauschtdick hinter den Ohren!“ bestätigte ihr Bruder.

      „Das Elsche muss gesprungen kommen und sich atemlos stellen und recht hell freischen, mein Onkel Ottinka sei draussen in einer Zweispänner-Chais’ vorgefahren und brächte im letzten Moment noch ’nen halben Zigarrenladen als Liebesgaben für draussen mit — und du und ich — wir sollten nur rasch helfen, die Kisten voll Stinkadores an den Zug schleppen! . . Nun — und wir traben davon — bis hinten an den Zug“, der junge Millionär lächelte nachlässig, während er mit dem Pfälzer Bürgersohn auf den Paradeplatz hinaustrat, „und drücken uns auf französisch nach Frankreich! Voilà!“

      „Was dir alles beifällt . .“, sprach der Albert bewundernd.

      „Les affaires sont les affaires!“ Sascha zuckte etwas blasiert die Achseln. „Das muss man in den Fingerspitzen haben, wie man die grossen Geschäfte in einer leichten Manier abwickelt! Ich muss jetzt nur aufpassen, dass mein Onkel Ottinka nichts ahnt! Er ist beschränkt — aber nicht eigentlich dumm!“

      „Da hinten komme deine Leut’ schon anmarschiert! Alle drei!“

      „Vater, Mutter und Tochter!“ Sascha runzelte die Stirn. „Hat der liebe Vormund doch richtig meine Spur gefunden! In seiner Art ist der alte Knabe ganz gerissen! Pascholl, Albert — bis zum Abend! Ich werde jetzt meinen teurer Verwandten mit Liebreiz begegnen! Schade, dass ich morgen ihre Gesichter nicht sehen kann!“

      Er schlenderte der Familie Gebauer träumerisch, mit einem liebenswürdigen Lächeln, entgegen. Seine weichen Züge mit den dunklen, halb versonnenen, halb spöttischen Augen waren in diesem Moment sehr hübsch und gewinnend. Er lüftete die Mütze und frug teilnehmend:

      „Ist dir so heiss, Onkel Ottinka?“

      „Über dich erhitze ich mich, mein Lieber! Du hast die Manieren eines Tataren! Du vergisst, wer ich bin! Man läuft nicht aus dem Zimmer, während ich noch rede . .“

      „Aber wir sind ja schon ganz d’accord!“ sagte der junge Mann leise und schonend, als spräche er mit einem Kranken.

      „Wie denn? Du hast dich geweigert, in die Schweiz zu fahren!“ „Ich bin jetzt anderer Meinung!“ Sascha studierte über den Kopf des alten Herrn hinweg gedankenlos ein paar weisse Sommerwölkchen am blauen Himmel. „Also reisen wir denn! Winowát! Ich war schuldig! Verzeih!“

      „Ist das dein Ernst?“ frug Otto Gebauer zögernd und ging langsam mit den Seinen weiter. Sascha schien entrüstet. Er nahm die verwöhnt-sichere Haltung irgend eines der jungen Saxo-Borussen an, die er mit ihren weissen Stürmern alltäglich in den Anlagen, auf dem Weg zum Riesenstein, ihrer Kneipe oben im Bergwald, beobachtet hatte, bis das ganze Feudalkorps jetzt gen Paris gezogen war.

      „Ich darf bitten, nicht an meinem Wort zu zweifeln!“ zischte er zwischen den Zähnen mit einer unheimlichen und unrussischen Schneidigkeit, die ihm selber imponierte, und dachte sich dabei: Für die deutsche Sache darf man seinen Onkel mit gutem Gewissen düpieren! — Dann lenkte er mit einer flüchtigen Handbewegung, in einen leichten, weltmüden Ton ein. „Wenn Ihr im ,Prinz Karl‘ abgestiegen seid — hier — durch diese stänkerigen Gässchen ist es näher!“

      „Nun — das ist ja wunderschön, dass du dich besonnen hast!“ versetzte der Odessaer Kaufherr. Er verriet keine Spur von Misstrauen. Aber er schwieg dann auf dem kurzen Weg bis zu dem alten Gasthof am Markt. Am Eingang blieb er stehen und erklärte streng:

      „Ich möchte dein Ehrenwort, dass du bereit bist, Heidelberg zu verlassen!“

      „Mein Ehrenwort!“ sagte Sascha aus voller Überzeugung.

      „. . und zwar morgen!“

      „Wenn es sein soll, auch schon heute!“

      ,,Gut! dann bin ich beruhigt! . . . Auf Wiedersehen heute Abend. Nun kommt ins Hotel!“

      Otto Gebauer wandte sich zu seinen Damen. Die geborene Abajá suchte, sich fächelnd, mit zerfliessendem Puder auf dem Gesicht, den Schatten der Hotelhalle und erfüllte deren Kühle mit einer strömenden Wolke von Parfüm. Die Diamanten glitzerten ihr, in der Dämmerung des Inneren, an Ohren, Hals und Fingern. Sie schnappte nach Luft. Ihr Neffe Sascha bemerkte jetzt, dass sie allein diese Wohlgerüche Arabiens verbreitete. Katja draussen trug auch, nach russischer Sitte, viel zu vielen und zu reichen Schmuck für ein junges Mädchen. Aber um sie wehte jetzt nur reine Sommerwärme — ein Hauch von Jugend und Leben. Sie stand, schlank und elastisch mit der enggeschnürten Taille aus den violett gestreiften, weissduftig weit um sie geblähten Stoffmassen des Rocks wachsend, und beschattete das schöne, längliche, bräunliche Gesicht mit dem langgefranzten Schirm. Zwischen den losen, windbewegten Schäferlocken dunkelten weltschmerzlich, fremdartig wie ein Widerschein von fernen Meeren und Ländern die grossen Mädchenaugen.

      „Katja . . wir warten auf dich . .“

      „Bei Euch ist es ja langweilig hier im Hotel!“ sagte die junge Dame mit einer lauten und hellen Stimme offen zu ihren Eltern. „Ich werde mit Sascha etwas spazieren gehen!“

      Sie frug nicht erst um sein Einverständnis. Sie war gewohnt, dass ihre Umgebung ihr gehorchte. Sie verabschiedete mit einem Kopfnicken Vater und Mutter und schritt an der Seite des Vetters an den Neckar hinunter und über die Brücke weiter auf das Neuenheimer Ufer.

      Jetzt, wo die Sonne mählich am Himmel sank, begann die mächtige Schlossruine über der Stadt lebend zu leuchten. Ihr roter Sandstein sog die blutigen Strahlen von Westen in sich. Das zerschellte Pfalzgrafenschloss glühte wie im Grimm gegen die, die es vor zweihundert Jahren mit der Mordbrenner-Fackel zerstört — flammte an diesem heissen 2. September von 1870. hinüber — über den Rhein — nach Frankreich . . . . .

      Die Beiden unten am Neckar — die junge Weltdame und der Gymnasiast — schlenderten und betrachteten das ewig heitere Landschaftsbild Alt-Heidelbergs im Abendfrieden. Katja Gebauer frug:

      „Du fühlst dich also wirklich ganz in Deutschland daheim?“

      „Wie sollte ich?“ widersprach der junge Deutsch-Russe schroff. „Es gibt ja gar kein Deutschland! Du sindest auf der Landkarte Öfferreich! Du findest Preussen mit dem Norddeutschen Bund. Du findest dazwischen noch einige Königreiche und Grossherzogtümer, die ratlos herumirren, wie in Russland Menschen, die ihren Pass verloren haben! Kann man eine Rumpelkammer lieben? Einen Rattenkönig? Eine allgemeine Konfusion? Was ist denn zum Beispiel dies ganze Baden? Ein Gouvernement bei uns in Russland ist grösser! Es ist ja lächerlich!“

      „Nun also . . .“

      „Nein! Man liebt die Zukunft. Die Zukunft wird die Einigung Deutschlands bringen! In diesem künftigen Vaterland — beliebe, das zu begreifen, Katja — da bin ich daheim!“

      „Papa meint, die Einigung Deutschlands: c’est une fantaisie!“

      „Was weiss denn Onkel Ottinka davon? Von der Devise kurz Paris versteht er ’was und von Diskontierung von Rimessen durch den Crédit Lyonnais. Von heiligen Dingen soll solch ein alter Geldschrank wie er die Finger lassen! Sieh’ mal: Wir sind doch deutsch! Wir reden doch deutsch! Wir stammen von Deutschen!“

      „Aber wir leben in Russland!“

      „Wer ist denn Russland? Russland ist für uns eine Einrichtung, Geld zu verdienen — tun wir ja auch — und ist es immer gewesen! Nie werden die Russen uns für ihresgleichen halten! Sie lachen manchmal über uns Deutsche. Sie bewundern uns sehr oft. Sie hassen uns zuweilen. Aber immer sind wir für sie von fremdem Blut!“

      „Du hast’s noch gut!“ sagte Katja. „Du stammst noch einfach und ehrlich allerseits von Deutschen. Aber in mir spukt so ein Tataren-Khan, der bei der Verjagung der Goldenen Horde aus Verzweiflung orthodox wurde — und als Pendant ein zweiter Urgrossvater, der wie es scheint, eine Art besserer griechischer Seeräuber war! Man hat schon eine tolle Ahnenreihe!“

      „Dafür bist du von Vaterseite gut deutsch!“

      ,,Schon


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