Seewölfe Paket 34. Fred McMason

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Seewölfe Paket 34 - Fred McMason


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Tag abfeuern lassen, doch ihm fehlte ein brauchbares Ziel, an dem er seinen Ärger austoben konnte.

      Der Unfall, der sich am 12. Dezember, also nach beinahe zwei Wochen schier unmenschlicher Anstrengungen ereignete, mochte sinnbildlich für den Zustand aller Männer an Bord des Kriegsschiffs sein.

      Beim Abschlagen der Segel und Fieren der Rahen löste sich die Großmarsrah aus dem Rack. Zwei Kerle wurden von der Rah, die ein beachtliches Loch in die Decksplanken schlug, mit in die Tiefe gerissen. Drei weitere Decksleute konnten nicht mehr ausweichen und wurden zerschmettert.

      Eine Untersuchungskommission gelangte vier Tage später zu der Erkenntnis, daß den Kommandanten keine Schuld träfe, er hätte schließlich versucht, die Fähigkeiten der Mannschaft auf den höchstmöglichen Stand zu bringen. Aber gegen die Dummheit einzelner wäre eben kein Kraut gewachsen.

      Der Vormann am Großmast wurde für unschuldig befunden, durch zu lasche Aufsicht den Tod von fünf Männern herbeigeführt zu haben. Da jedoch nicht ganz auszuschließen war, daß einige dieser Männer infolge zu hohen Alkoholgenusses in ihren Reaktionen beeinträchtigt waren, lautete das Urteil lediglich auf siebzig Peitschenhiebe. Es wurde am nächsten Tag auf dem Platz vor den Hafenanlagen vollstreckt.

      Capitán Garcia stand in der vordersten Reihe der Zuschauer. Obwohl es ihm äußerlich nicht anzusehen war, genoß er die Bestrafung, die Disziplin und Kampfmoral an Bord bestimmt heben würde.

      Der Vormann war längst ohne Besinnung, als er nach den siebzig Hieben losgebunden wurde. Er starb eine Stunde später.

      Für Garcia war das Grund genug, den Drill noch härter fortzusetzen. Seine Mannschaft schwitzte Blut und Wasser.

      Am 16. Dezember kehrte endlich der berittene Bote vom Hof Philipps III. zurück. Er überbrachte ein Schreiben mit königlichem Siegel, dessen Inhalt César Garcias schlimmste Befürchtungen bestätigte.

      Der Konvoi von elf Schatzschiffen aus der Neuen Welt hatte vom Sonderbeauftragten Seiner Majestät, Don Julio de Vilches, in Santa Cruz de Tenerife übernommen und nach Spanien geleitet werden sollen. Der Zielhafen wurde auch jetzt nicht genannt. Philipp III. verlieh jedoch seiner übergroßen Besorgnis Ausdruck, die aus dem Fehlen jeglicher Nachricht erwuchs. Die Schiffe waren überfällig.

      „Verdammt!“ sagte Capitán César Garcia, als er das Schreiben an Admiral Mendez zurückreichte.

      „Das kann nicht alles sein, Capitán, was Sie zu sagen haben.“

      „Natürlich nicht.“ Garcia hatte Mühe, sein Temperament zu zügeln. „Wenn man auf mich gehört hätte, wäre bereits vor Wochen eine Suchflotte in See gegangen. Ich wiederhole hier nochmals, was ich stets deutlich zu verstehen gegeben habe: Der Konvoi wurde von Schnapphähnen aufgebracht und ist für die Krone verloren, wenn wir nicht schnell handeln.“

      Mendez lächelte mitleidig. Inzwischen mischte sich aber ein Zug von Nachdenklichkeit in dieses Lächeln.

      „Es geschieht zwar gelegentlich, daß eine oder zwei Galeonen von Piraten gekapert werden – aber gleich elf Schiffe? Das ist lächerlich.“

      „Wie erklären Sie sich dann den falschen Don Julio de Vilches an Bord eines Schiffes, wie es in aller Regel von Mittelmeerpiraten gesegelt wird?“

      „Vorerst gar nicht. Sie selbst, Capitán, haben ausgesagt, daß Sie mit Ihrem Freund, Don Ricardo de Mauro y Avila, an Bord des Flaggschiffs ‚Salvador‘ gesprochen haben. Ich nehme an, an seiner Loyalität hegen Sie keinerlei Zweifel.“

      „Natürlich nicht, Admiral.“

      „Don Ricardo hat Ihnen gegenüber nichts von Schnapphähnen erwähnt?“

      „Er war über die angebliche geheime Order Don Julios verärgert.“

      „Die drei Geleitschiffe, die Sie an Stelle der ‚Casco de la Cruz‘ angetroffen haben …“

      „… waren natürlich Spanier, Admiral. Wenngleich – auf der ‚Isabella‘ schien einiges im argen zu liegen. Kapitän und Offiziere hatten offenbar ein besonders vertrauensvolles Verhältnis zur Mannschaft.“

      „Solange die Disziplin nicht darunter leidet, erscheint mir ein solches Verhalten nicht verwerflich.“

      „Admiral.“ Garcia sprang aus dem Sessel auf, in dem er Mendez gegenüber Platz genommen hatte. „Eine Verbrüderung des einfachen Schiffsvolks mit den Offizieren würde untragbare Zustände heraufbeschwören.“

      „Bitte, Capitán, nehmen Sie wieder Platz. Ich verstehe Ihre Erregung, wenn ich sie in dieser Hinsicht auch nicht in vollem Umfang teile. Wir schweifen lediglich vom Thema ab. Die Möglichkeit besteht, daß Don Julio de Vilches den Konvoi zu einer unserer nördlichen Hafenstädte geleitet hat. Vigo, La Coruña oder Santander bieten sich dafür an. Nein, Capitán, zügeln Sie Ihr Temperament und lassen Sie mich ausreden.“ Mit einer heftigen Handbewegung schnitt der Admiral Garcia das Wort ab, ehe er überhaupt etwas sagen konnte. Verhaltener fuhr er fort: „Ich kenne und schätze Ihre Leistungen. Deshalb, und nur deshalb, habe ich mir erlaubt, weitere Boten zu unseren Hafenstädten zu schicken. Ich bin überzeugt, wir werden in Kürze endgültig Gewißheit erlangen.“

      „Nur Stunden nach der Unterredung mit Admiral Mendez trifft die Schaluppe aus Vigo ein. Statthalter Don Jaime La Roda hat nie etwas von einem Konvoi gehört und gar gesehen. Dummerweise gibt es jedoch die Aussagen eines Teniente und zweier Kapitäne, daß eine Flotte verproviantiert wurde. Irgend jemand will sogar vernommen haben, daß die Schiffe Santander als Ziel hatten.

      An Santander glaube ich nicht. Die Übernahme von Proviant weist darauf hin, daß die Schatzschiffe noch eine längere Distanz zurückzulegen hatten.

      Also doch Kurs Irland? Aber das Schreiben Seiner Majestät spricht dagegen.

      Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr gelange ich zu der Überzeugung, daß Verrat im Spiel und der Konvoi für Spanien verloren ist. Franzosen, Holländer oder Engländer haben den größten Fischzug der Geschichte durchgeführt. Es ist unglaublich.

       Ich werde zu retten versuchen, was noch zu retten ist.“

      Logbucheintragung vom 16. Dezember 1598.

      „Gibt es eine schlimmere Demütigung, als hinter vorgehaltener Hand ausgelacht zu werden? Ich erhalte keine Flotte von Kriegsschiffen, mit der ich der Spur des Konvois folgen könnte. Solange der königliche Befehl ausbleibt, gibt es keine verschwundenen Schatzschiffe.

      Allerdings wurde mir bedeutet, ich könnte meinen Aufenthalt und den der ‚Aguila‘ frei bestimmen.

      Genau das werde ich tun. Morgen, Schlag sechs Uhr, beginnt das Bunkern von Proviant und Munition. Ich hoffe, daß die Arbeiten bis zum Einbruch der Nacht beendet sein werden.

       Die ‚Aguila‘ geht wieder in See. Ich habe el Lobo del Mar aufgespürt und besiegt, ich werde nicht ruhen, bevor mir das Schicksal der Schatzschiffe klar ist. Und wenn es eine verdammt lange Reise wird …“

      Logbucheintragung vom 18. Dezember 1598.

      Der 20. Dezember war ein kühler und regnerischer Tag, an dem ein steifer Westwind den Atlantik aufpeitschte. Trotzdem verließ die „Aguila“ beim ersten Morgengrauen den sicheren Schutz der Bucht von Cádiz. Capitán César Garcia wollte keine Stunde länger als unbedingt nötig warten.

      Das Wetter blieb trist und stürmisch. Erst am Mittag des dritten Tages rundete das Kriegsschiff Kap São Vicente in weniger als zwei Seemeilen Entfernung. Nicht ein portugiesisches Schiff war zu sehen.

      In der Folge gewann der Sturm noch an Heftigkeit. Dem Kapitän blieb nur die Wahl, entweder umzukehren und einen sicheren Hafen anzulaufen oder weiter auf die offene See hinaus zu kreuzen, um zu vermeiden, daß das Schiff auf Legerwall getrieben wurde. Garcia entschied sich für letzteres.

      Selbst die Sturmsegel hielten dem peitschenden Regen und den Sturmböen nicht stand. Das Tuch zerfetzte, kaum daß es angeschlagen war.

      Mannshohe


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