Seewölfe Paket 34. Fred McMason
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Bisher hatte es Ruthland eine gewisse Freude bereitet, auf die Arwenacks zu feuern und sich selbst dabei in Sicherheit zu fühlen. „Scheibenschießen“ hatten sie veranstaltet, und er hatte die Worte des Seewolfs in seiner Selbstüberschätzung nicht ganz ernst genommen.
Jetzt sah das plötzlich alles ganz anders aus, als mit unheimlichem Getöse etwas in den Himmel schoß und sich dort farbenprächtig entfaltete. Das Getöse wurde noch lauter und wirkte beängstigend, als zerplatze der gesamte Himmel und stürze ein.
Schluckend und mit hervorquellenden Augen stierte Ruthland nach oben. Garcia, der neben ihm stand, bekreuzigte sich hastig.
„Das Licht!“ schrie ein Spanier wie von Sinnen. „Das fürchterliche Licht des Satans wird uns alle verschlingen! Wir sind verloren!“
„Gott steh uns bei!“ schrie ein anderer. „Ich war immer ein gläubiger Mensch.“
Die Dons, die auf der „Aguila“ die erste Berührung mit dem Feuer gehabt hatten, gerieten sofort in Panik, als sich schillernde und knatternde Schlangen durch den Himmel fraßen und mit tausend glühenden Armen nach ihnen griffen.
Mit Mühe und Not hatten sie sich vor dem Teufelszeug retten können, und jetzt stand ihnen die nächste Begegnung bevor.
Einer von ihnen, der bereits beim ersten Feuerregen in blinder Angst über Bord gesprungen war, hastete jetzt wieder kopflos hin und her und rannte alles um, was sich ihm in den Weg stellte. Dabei stieß er markerschütternde Schreie aus, die nichts Menschliches mehr an sich hatten.
Das Höllenfeuer wanderte über den Himmel, und niemand wußte, wohin es sich wenden würde, weil es alle Augenblicke mit höllischer Geschwindigkeit seine Richtung änderte.
Dabei erzeugte das Feuer eine Kakophonie von Geräuschen, die aus wildem Kreischen oder donnerndem Krachen bestanden. Stürmte einer der Dons oder Engländer in eine bestimmte Richtung, dann änderte er blitzartig seinen Kurs, denn das Feuer schien direkt auf ihn zu zielen. Wich er abermals aus, trat derselbe unheimliche Effekt auf. Das Feuer verfolgte jeden einzelnen von ihnen, das war jedenfalls ihr ganz persönlicher Eindruck.
Ruthland selbst war wie gelähmt, als winzige, brennende Kugeln dicht neben der „Ghost“ ins Wasser zischten. Ein paar fielen auch auf das Schiff und setzten sich in den Planken fest. Er sah, wie sie glimmten, qualmten und sich ins Holz fraßen. Auch auf das Wrack ging ein bunter Funkenregen nieder, und das Holz begann zu brennen.
„Sie müssen etwas tun!“ schrie Garcia außer sich vor Angst. „Tun Sie doch etwas, sonst verbrennt das Schiff!“
„Was denn?“ fragte Ruthland hilflos und starrte wieder auf die kleinen, brennenden Kugeln.
„Sand streuen!“ brüllte der Spanier.
Endlich regte sich der Engländer und rief seine Leute zur Ordnung. Es gelang ihm mit Mühe und Not, die Ruhe wiederherzustellen und eine Panik zu verhindern.
Sand wurde geholt und auf die qualmenden Stellen gestreut. Die Männer taten es in hektischer Eile.
Zu Ruthlands Glück war das Holz so naß, daß es kaum Feuer fing. Er sah aber auch, daß viele der kleinen Kugeln aufloderten und weiterbrannten, wenn sie auf die nassen Planken fielen. Zu seinem weiteren Glück trafen die meisten brennenden Kugeln das Wrack. Da war das Holz hoch warm von dem Feuer und fand schnell neue Nahrung. Überall loderte es schlagartig auf.
Garcia packte zwei seiner Leute, die fassungslos und verängstigt herumstanden, und stieß sie ans Schanzkleid der Kuhl.
„Drückt das Schiff ab!“ rief er. „Beeilt euch gefälligst, wir fangen sonst Feuer!“
Er und Molina griffen selbst mit zu, nahmen die Haken und hieben sie ins qualmende Holz der Galeone. Ein anderer Mann nahm sich nicht mehr die Zeit, erst umständlich die Leinen zu lösen. Er hieb mit einem Schiffshauer zu und kappte die Leinen.
Die anderen streuten wie wild Sand auf die Planken. Schon jetzt hing über den Decks der Karavelle der üble Geruch von angesengtem Holz.
In einem der Segel qualmte es jetzt ebenfalls. Ein Mann enterte auf und schlug mit bloßen Händen auf eine der im Segel haftenden Kugeln ein. Mit verbrannten Fingern enterte er wieder ab. In dem lose herabhängenden Segel klaffte ein schwarzes Loch mit ausgefransten Rändern.
Die Leute wurden von Ruthland und Lefray mit Schlägen und wüsten Beschimpfungen zur Eile angetrieben. Inzwischen löste sich die Karavelle von dem neu aufgeflammten Wrack und trieb auf die Einfahrt der Bucht zu.
Ruthland zitterte vor Wut. Er hob drohend die Faust und schüttelte sie in Richtung der Schebecke. Schaum stand in seinen Mundwinkeln, er konnte sich nur noch mühsam beherrschen.
„Ihr Schweinehunde, ihr verdammten!“ schrie er durch die Bucht. „Das zahle ich euch noch heim, das ist nicht vergessen! Ihr werdet mich noch von einer ganz anderen Seite kennenlernen!“
„Recht so“, hetzte Garcia. „Wir werden es ihm gemeinsam geben, ich weiß auch schon, wie wir das anstellen.“
„Lassen Sie mich jetzt in Ruhe!“ brauste Ruthland auf. „Zuerst müssen wir das Schiff retten. Alles andere überlegen wir uns später. Wir müssen so schnell wie möglich auf den Fluß hinaus, sonst nehmen uns die Hunde wieder unter Feuer.“
Sie schafften es mit Mühe und Not, die immer wieder aufflackernden kleinen Brände zu löschen. Mitunter gruben sie glühende Kugeln mit Messern aus dem Holz.
Die Decks waren verschmiert, dreckig und voller Sand. An einigen Stellen qualmte es noch unter dem Sand. Kleine Rauchwölkchen drangen mit zischenden Geräuschen hoch und bliesen den feuchten Sand weg.
Segel wurden in aller Eile gesetzt, dann zeigte der Bug der Karavelle bereits auf den Tapti. Die Strömung riß ihn herum, und das Heck des Schiffes streifte erneut das Ufer. Es gab einen dumpfen Schlag. Die Karavelle wurde kräftig durchgeschüttelt.
Alle Manöver und jeder Handschlag wurden in überhasteter Eile ausgeführt. Die Angst diktierte das Geschehen, und Ruthland mußte immer wieder hart und brutal durchgreifen, damit seine Kerle nicht in Panik gerieten.
Noch einmal schoren sie dicht am Ufer entlang, dann nahm der Tapti sie auf und trieb sie flußabwärts. Hinter ihnen wurde die Bucht unsichtbar, nur der beizende Qualm kündete noch vom Untergang der spanischen Galeone.
Der Schreck saß den meisten noch so in den Knochen, daß sie eingeschüchtert schwiegen.
Auch Ruthland hielt sich lange zurück. Vor diesem Teufelszeug, das so urplötzlich vom Himmel fiel, hatte er einen Heidenrespekt. Es dauerte lange, bis er den Spanier ansprach.
„Das zahlen wir den Halunken zurück“, sagte er voller Wut. „Beinahe hätte es mich das Schiff gekostet.“
„Viel fehlte nicht mehr, das stimmt. Wir haben es nur dem Regen zu verdanken, daß das Feuer wenig Nahrung fand. Aber wir sollten jetzt ernsthaft überlegen, wie wir diesen Kerlen alles heimzahlen können. Ich setzte jederzeit mein Leben dafür ein, daß El Lobo zur Hölle fährt – und seine verdammten Bastarde ebenfalls.“
„Aber wie? Sie hatten doch vorhin eine Idee. Ich gebe jetzt auch nicht eher Ruhe, bis wir die Schlappe ausgebügelt haben.“
Garcia lehnte am Schanzkleid des Achterdecks und blickte auf den Tapti, dessen Fluten immer lehmiger und dunkler wurden. Holzstücke, Palmenwedel und Unrat trieb dahin. An manchen Stellen rauschte der Fluß oder zeigte durch kleine schnelle Wirbel tückische Untiefen an.
„In der Bucht können wir uns nicht mehr sehen lassen, jedenfalls nicht mehr mit dem Schiff“, sagte er. „Wir können aber heute nacht einen Angriff wagen, und zwar zu einer Zeit, in der wirklich jeder schläft – bis auf die Wachen.“
„Wie stellen Sie sich das vor?“
„Wir nehmen eine Jolle und ein paar Fässer Schießpulver, die wir so präparieren, daß sie wie