Seewölfe Paket 34. Fred McMason
Читать онлайн книгу.geflüchtet. Ich schlage vor, wir suchen sie erst mal.“
„Die Leute im Wasser sind tot“, erwiderte Ruthland kalt. „Wer mit dem Gesicht nach unten schwimmt, ist längst abgenippelt. Mit toten Männern können wir nichts anfangen.“
„Aber mit den anderen im Dschungel“, sagte Molina schluckend. „Außerdem haben Sie etliche Schiffbrüchige abgewiesen.“
„Falls das ein Vorwurf sein soll, kann ich nicht mal darüber lachen, Señor. Sie sehen ja, wie beengt es auf der Karavelle zugeht. Ich habe mit Ihnen zusammen zehn Mann mehr an Bord, das sind zehn Mann zuviel. Sie werden daher Verständnis aufbringen, daß ich mich nicht auch noch um die anderen kümmern kann. Sie werden nach Surat finden und sich durchschlagen. Davon bin ich überzeugt. Ich kann Ihnen leider nicht helfen.“
Garcia entgegnete nichts darauf. Er überlegte nur, wie er an Ruthlands Stelle gehandelt hätte. Er war ebenfalls skrupellos, und ein Leben galt ihm nur dann etwas, wenn es Profit brachte. Brachte aber ein Schiffbrüchiger Profit? dachte er zynisch. Nein, er hätte vermutlich ebenso gehandelt und die anderen Kerle ihrem Schicksal überlassen.
Der umherirrende Rest seiner Mannschaft berührte ihn daher auch nicht weiter. Die Kerle waren von Bord desertiert, indem sie einfach vor dem Feuer kapitulierten. Sie waren fahnenflüchtige Halunken, über die er sich nicht länger den Kopf zerbrechen wollte.
Jetzt galt es, sich nicht weiter mit Ruthland anzulegen, denn das brachte nur Ärger ein. Er konnte noch froh sein, daß der Engländer ihn aufgenommen hatte, sonst würde er jetzt auch im Dschungel umherirren und nicht wissen, wie es weitergehen sollte.
Scheinbar versöhnlich streckte er Ruthland die Hand hin, der sie auch etwas erstaunt nahm. Garcia belustigte der Gedanke, daß er Ruthland nach erfolgreichem Gefecht abserviert hätte. Der Teufel sollte den verdammten Engländer holen.
„Vertragen wir uns“, sagte er, wobei er sich zu einem Lächeln zwang. „Wir haben einen gemeinsamen Gegner, den wir erledigen wollen. Wir sollten uns überlegen, wie wir das am besten anpacken können.“
Ruthland war etwas mißtrauisch, weil der Sinneswandel so überraschend schnell erfolgt war.
„Einverstanden“, sagte er. „Es ist auch besser so. Allerdings sehe ich vorerst keine Möglichkeit, den Seewolf anzugreifen. Durch die Bresche geht die Karavelle nicht, und ich habe auch nicht die Absicht, mich ihm offen im Kampf zu stellen, sonst ergeht es mir wie Ihnen.“
„Wir haben andere Möglichkeiten, ihm zu schaden“, sagte Garcia eifrig. „Wir könnten ihm beispielsweise die Miliz von Surat auf den Hals hetzen, indem wir seinen Liegeplatz verraten. Der Padischah hat noch eine Rechnung mit ihm offen und würde sich freuen, die Kerle hängen oder köpfen zu lassen, wie er es vorhatte.“
„Das wäre eine Idee“, erwiderte Ruthland nachdenklich. „Die Bastarde sind ja ausgekniffen und haben alles durcheinandergebracht. Was haben Sie noch für Vorschläge?“
„Wir könnten ihn aushungern“, schlug der Spanier vor. „Nach der Reparatur muß er die Bucht verlassen, und das wird sehr schwierig. Ich habe die Galeone so auf Grund gesetzt, daß er praktisch nicht mehr heraus kann. Beim Verlassen können wir ihn angreifen.“
Der schwergebaute Mann schüttelte abweisend den Kopf. „Das halte ich für keine gute Idee. Wir würden ihm dann wieder gegenüberstehen, und er ist stärker als die ‚Ghost‘. Für ihn wäre es leicht, uns zusammenzuschießen. Möglicherweise läßt er auch dieses höllische Feuer über uns abregnen. Was ist das überhaupt für ein Zeug?“
„Ich weiß es nicht. Es muß mit dem Teufel …“
„Hören Sie doch mit dem Teufel auf!“ fuhr Ruthland ihn an. „Dahinter steckt etwas ganz anderes. Ich beobachtete, daß Ihre Männer versuchten, die überall aufflackernden Brände zu löschen, sofern sie es nicht vorzogen, von Bord zu verschwinden. Aber niemand schaffte es, das Feuer zu löschen. Ist das nicht merkwürdig? Lefray hat behauptet, es müsse sich um eine Art Griechisches Feuer handeln, das sogar auf dem Wasser brennt.“
„Ich weiß nicht, was es ist. Es scheint sich um Schwefel zu handeln. Es frißt sich blitzschnell ins Holz und ist tatsächlich nicht mehr zu löschen.“
Garcia drückte mit den Händen seine nassen Klamotten aus und fuhr sich auch über das Gesicht. Aber davon wurde er nur noch schwärzer und schmieriger. Er bemerkte auch, daß ihm keiner von Ruthlands Kerlen mit Respekt oder Achtung begegnete. Wahrscheinlich lag es an seinem völlig verdreckten Aufzug.
Daß sich die Halunken insgeheim über ihn amüsierten, entging ihm. Sie nahmen ihn einfach nicht so wichtig wie er sich selbst. Außerdem hatte er eine verheerende Niederlage erlitten. Ausgerechnet er, der vorher noch so groß herumgetönt und alles besser gewußt hatte. Jetzt war er in ihren Augen bis auf die Knochen blamiert, und keiner nahm ihn ernst.
Ruthland ließ das Thema mit dem Griechischen Feuer fallen und überdachte Garcias Vorschlag, die Seewölfe dem Padischah, auszuliefern. Vielleicht war das die eleganteste Lösung.
Andererseits war der Padischah ein unberechenbarer und zum Jähzorn neigender Mann, der es nicht gern sah, wenn Fremde sich in etwas einmischten, was sie gar nichts anging. Es würde endlose Fragereien geben, und gerade das wollte Ruthland vermeiden. Er hatte in Surat Kontakte geknüpft, die er sich nicht verderben wollte.
Garcia trat näher ans Schanzkleid und blickte durch die Bresche im Dschungel. Zwischen den Mangrovenwurzeln war die Schebecke in der Nähe einer Landzunge zu erkennen. Sie lag mit dem Heck dicht an einem sandigen Uferstreifen. Auch zwei Jollen waren zu erkennen.
Die Kerle taten so, als ginge sie das Geschehen in der anderen Bucht nichts mehr an. Sie beschäftigten sich mit der Reparatur ihres Schiffes und glaubten sich in Sicherheit.
In dem Spanier wallte der Zorn wieder hoch, als er das sah. Nur ein paar hundert Yards entfernt lag sein Todfeind, und er konnte absolut nichts gegen ihn ausrichten.
„Meine Vorschläge scheinen Ihnen nicht zu gefallen“, sagte er unmutig. „Warum nicht?“
„Der Vorschlag mit dem Aushungern gefällt mir überhaupt nicht“, erwiderte Ruthland achselzuckend. „Er verspricht keinen Erfolg.“
„Ich hatte noch einen anderen unterbreitet.“
„Der hört sich nicht schlecht an, behagt mir aber ebenfalls nicht so richtig. Mit dem Padischah halte ich geschäftliche Kontakte, und er könnte mir übelnehmen, wenn ich mich in Dinge einmische, die er lieber selbst in die Hand nimmt. Er ist ein sehr launischer Mann.“
„Aber er wollte die Kerle doch hinrichten lassen. Er war schließlich ganz versessen darauf, und jetzt kriegt er sie praktisch serviert.“
„Das verstehen Sie nicht“, sagte Ruthland. „Es wird ohnehin Ärger geben, wenn er erfährt, was hier vorgefallen ist. Wir brauchen zu allem seine Einwilligung. Ich möchte es nicht mit ihm verderben, die Handelsbeziehungen haben sich zu gut angelassen. Wir sollten hier besser verschwinden.“
„Und wohin?“
„Was bleibt Killigrew noch anderes übrig, als nach Bombay zu segeln, nachdem er hier nichts mehr zu suchen hat? Dorthin wird ihn sein nächster Weg führen. Wenn wir nach Bombay segeln, können wir dort eine Kampagne gegen ihn betreiben, die den gleichen Erfolg hat wie jene in Surat. Ich habe bereits Erfahrungen darin.“
„Was sollte er in Bombay?“
„Er hat den Auftrag, Handelsbeziehungen anzuknüpfen. Nachdem ihm das hier mißlungen ist, wird er es weiter südlich versuchen, und da bleibt nur Bombay. In Goa kann er nichts erreichen, da sitzen die Portugiesen mit ihrer Monopolstellung. Dort könnten wir ihn ganz überraschend stellen, denn er muß nach erfolgter Reparatur hier so schnell wie möglich verschwinden. Er kann sich in Surat nicht mal mit Proviant eindecken, ohne Gefahr zu laufen, sofort gefangengenommen zu werden.“
„Sie sind sich Ihrer Sache ziemlich sicher, wie?“
„Ganz sicher. Sie mögen sich im Kriegswesen auskennen, ich bin mehr