Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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       VIII

       IX

       X

       XI

       XII

       XIII

       XIV

       XV

       XVI

       XVII

       XVIII

       XIX

       XX

       XXI

       XXII

       XXIII

       XXIV

       XXV

      I

       Inhaltsverzeichnis

      Ein leiser, sonderbarer unnachahmlicher Ton ... allenfalls wie wenn der Schnitter an dem Wetzstein seine Sense schärft – wie wenn zwei dünne Messer sich aneinander schleifen – und doch wieder ganz anders, rätselhaft in der nächtlichen Stille der Odenwaldberge, über denen fern im Osten der erste fahle Lichtstreifen des Morgengrauens emporwuchs und zwischen den eilig treibenden Regenwolken Mondsichel und Sterngeblinzel langsam verblaßten.

      Jetzt war das Wetzen verstummt. Ein anderes, schnalzendes, taktmäßig immer rascher werdendes Geräusch folgte ihm. Es endete mit einem Triller und einem kurzen »Klack!« und wieder schärfte irgendwo da oben in den Tannenwipfeln der unsichtbare Schnitter leise seine Sense.

      »Da owwe hockt er, Frau Gräfin!« flüsterte der Büchsenspanner, sich dicht an seine Herrin drängend. »Könne Se 'n sehe?«

      Sie verneinte. Beide liefen, das wenige Sekunden lange Balzen des Auerhahns benutzend, bis zu den Wurzeln der Tanne, auf die der Jäger gewiesen. Der Stamm des mannsdicken Baumes zitterte, wie sie ihn mit der Hand berührten, unter den Tänzen und Sprüngen des erregten, oben in seiner Krone hausenden Gastes.

      »Da owwe, Frau Gräfin! Besser links ... noch mehr ... so ... sell is er ...«

      Ja – jetzt erkannte sie den Vogel! Gerade über ihr, durch eine kahle Stelle im Gezweige sich undeutlich vom Himmel abzeichnend, trippelte mit vorgestrecktem Kopf und halbausgebreiteten Flügeln die dunkle, gesträubte Federmasse und drehte sich schußgerecht auf dem Aste herum. Sie hörte durch das Gebalze oben das Hämmern ihres Herzens, während sie langsam die Flinte hob und zielte. In das Sensenschleifen knallte kurz und scharf der Schuß. Es ward still. Ein schwerer Klumpen begann durch die splitternden Zweige herabzurauschen, er kam näher, er schlug mit einem dumpfen Klatsch am Boden auf und blieb krampfhaft zitternd liegen.

      »Alleweil hawwe m'r dich, Alterle!« sagte der Büchsenspanner trocken und beifällig zu dem verendenden Auerhahn, schnitt von der nächsten Hecke ein Tannenreis und überreichte feierlich auf dem Deckel seiner abgenommenen Mütze nach Weidmannsbrauch den Bruch seiner Herrin, deren Wangen die Aufregung gerötet hatte.

      Sie nahm lachend den Ehrenpreis von dem hübschen schwarzäugigen Burschen entgegen. »Diesmal hab' ich's doch recht gemacht, Wegmann?« forschte sie triumphierend.

      »Und ob, Frau Gräfin! Do kann sich jeder Wilderer dagege verschtecke! Do leuchte Sie dem Herrn Oberförschter selbst heim!«

      Sie lachte laut auf über das Kompliment des Waldläufers und breitete, die Flinte über die Schulter werfend, die Arme weit hinaus in den dämmernden Frühlingsmorgen. »Jetzt bin ich wirklich froh, Wegmann!« sagte sie mit einem Siegerblick auf das schwarzgrüne, metallisch glänzende Gefieder des stolzen Vogels, dessen rotumränderte Augen nun ganz erloschen waren. »Das war doch einmal ein Schuß! Sie haben mich ausgezeichnet herangebracht! Ich will Ihnen auch eine Freude machen! Wünschen Sie sich etwas von mir! Es ist bewilligt!«

      Der schwarze Jäger schaute, am Boden neben dem erlegten Auerhahn hingekniet, zögernd zu seiner Gebieterin empor, wie sie da schlank und hochgewachsen in dem knappen Jagdloden vor ihm stand. Trotz seines deutschen Mutternamens und seiner Odenwälder Sprache trug er in dem sehnig mageren Körperbau, dem dunklen Kraushaar und dem feurigen Blick unverkennbar die Zeichen seiner neapolitanischen Abstammung zur Schau, als ein lediges Kind aus jener Zeit, da beim ersten Eisenbahnbau durch den Odenwald viele Italiener als Erdarbeiter und Steinhauer in den Tunnels beschäftigt gewesen und später wieder in ihre Heimat zurückgekehrt waren.

      »Nun, Wegmann?« fragte sie etwas ungeduldig, und rüstete sich zum Gehen.

      Er zauderte noch immer, aus Angst, seine Herrin zu erzürnen. »Ja – Frau Gräfin!« murmelte er endlich. »Frau Gräfin wisse ja, wie's zwischen mir und der Elis' is!«

      »Das heißt: Ihr wollt euch heiraten!«

      »... ja ... wenn ich darf, Frau Gräfin ... und wenn die Elis' weg kann. Denn Frau Gräfin müsse doch erscht e anner Kindermädche hawwe ...«

      »Nun – ich will mich danach umsehen oder mich sonstwie behelfen. Meinetwegen können Sie die Elise schon nächsten Monat heiraten.«

      Der Jäger war aufgestanden. »Dees is mir awwer arg lieb, zu höre, Frau Gräfin!« sagte er, die Mütze in den Händen drehend, und lachte, daß die weißen Zähne unter dem dunklen Schnurrbart blitzten. »Do dank' ich untertänigscht un ...«

      Sie unterbrach ihn. »Keine Volksreden, Wegmann! Ich muß übrigens auch noch mit meinem Mann sprechen, ob er nichts dagegen hat! Und nun nehmen Sie den Auerhahn und kommen Sie!«

      Es war inzwischen schon ziemlich hell geworden. Das Dämmergrau eines stürmischen Frühlingsmorgens ließ weithin das einsame, mit Eichendickicht und einzelnen alten Fichten bestandene Hochtal überschauen. Das erste Leben regte sich in seiner Stille, je lichter es drüben zwischen den sanft gewellten Kuppen des Odenwalds am Wolkengetriebe des Osthimmels wurde. Die Schwarzamsel, die Frühaufsteherin der Wälder, flötete in ihren ersten verschlafenen Tönen aus dem Gestrüpp, ein Hase schnellte entsetzt aus seinem Lager hart an dem Rain, und in der Ferne zeichneten sich zarte lichtbraune Körper mit hochgespitzten Ohren von dem welken Winterlaub des Niederholzes ab – äsendes Rehwild, das jetzt bei Tagesanbruch sich, nach allen Seiten sichernd, in seine verborgensten Gründe zurückzog.

      Sie schritten rasch den schmalen Saum zwischen Gestrüpp und Tannenforst dahin – voraus der schwarze Jäger mit der Beute – hinter ihm, ihn wohl um Kopfhöhe überragend, die junge Herrin des weiten Waldgebiets, elastisch, mit federndem Gange, das mit dem grünen Ehrenreis geschmückte Haupt weit zurückgebogen, als wolle sie aus tiefster Brust den Hauch des Frühlings schlürfen.


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