Seewölfe Paket 13. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.Sprache nicht. Verständnislos zuckte er mit den Schultern und vollführte einige hilflose Gesten.
Da versuchte Edwin Carberry sein Glück mit der spanischen Sprache.
Jetzt reagierte Sobocan. Er sprach neben seiner türkischen Muttersprache auch einigermaßen Arabisch, Griechisch und Spanisch. Er begriff zwar nicht alles, aber er konnte sich gut verständigen. So antwortete er auch jetzt in spanischer Sprache und fühlte sich erleichtert, als er verstanden wurde.
„Steig rüber in unseren Kahn, Amigo!“ rief der Narbige mit rauher Stimme. „Wir bringen dich an Bord der ‚Isabella‘, und wenn wir dich ein wenig aufgepäppelt haben, werden wir sehen, inwieweit wir dir eine Hilfe sein können.“
„Gracias, muchos gracias“, murmelte Sobocan, und dabei überfiel ihn ein Gefühl der Erleichterung. Irgend etwas in seinem Inneren sagte ihm, daß er es hier nicht mit Schnapphähnen und Schlagetots zu tun hatte. Er befolgte die Aufforderung Edwin Carberrys und wechselte in das Boot der Seewölfe über. Sein Fluchtfahrzeug wurde in Schlepp genommen.
Kurze Zeit später hatte sich Sobocan mit der Hilfe Carberrys die Jakobsleiter auf der Leeseite der „Isabella“ hochgehangelt und betrat die Kuhl. Seine Augen tasteten etwas scheu über die Decks und streiften jeden einzelnen Mann und auch die beiden Jungen, die einen Halbkreis um ihn zu bilden begannen.
Nun gut, einige sahen recht verwegen aus, aber irgendwie waren die Blicke dieser harten Männer freundlich und strahlten auch eine gewisse Hilfsbereitschaft aus. Das galt auch für die eisblauen Augen des mehr als sechs Fuß großen, schwarzhaarigen Mannes, der über den Backbordniedergang vom Achterdeck zur Kuhl abenterte.
Sobocans Atem ging rasch, seine Knie waren kraftlos geworden. Die Strapazen des gestrigen Tages und der vergangenen Nacht waren eben doch nicht spurlos an ihm vorübergegangen.
„Er spricht ein wenig spanisch“, sagte Ed Carberry zu Hasard gewandt. „Ich glaube, wir können auf die Zwillinge als Dolmetscher verzichten. Sollten wir nicht weiterkommen, können sie ihre türkischen Sprachkenntnisse immer noch aus der Mottenkiste kramen.“
„Willkommen an Bord der ‚Isabella‘“, sagte der Seewolf und bediente sich ebenfalls der spanischen Sprache.
„Danke, Señor“, gab Sobocan zurück, und in sein Gesicht quälte sich ein müdes Lächeln. „Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mich aus dem Wasser gefischt haben, wer weiß, was sonst aus mir geworden wäre. Entschuldigen Sie, daß ich mich noch nicht vorgestellt habe: Mein Name ist Sobocan …“
„Und dieser Mann hier“, unterbrach Edwin Carberry mit einer stolzen Geste, „ist Philip Hasard Killigrew. Er wird Sir Hasard genannt, denn Lissy I., Königin von England, hat ihn zum Ritter geschlagen. Auf den Weltmeeren nennt man ihn den Seewolf.“ Der Profos schluckte, dann fügte er eifrig hinzu: „Und uns die Seewölfe.“
„El Lobo del Mar – der Seewolf!“ stieß Sobocan mit einem bewundernden Blick auf Hasard hervor. „Bei Allah“, fuhr er fort, „ich habe schon viel von Ihnen gehört. Vor allem die Spanier, die zur Besatzung der ‚El Jawhara‘ gehören, wußten einiges über Sie und Ihre Männer zu berichten. Und ich muß gestehen, daß ich Sie immer bewundert habe. Nicht nur wegen Ihrer Erfolge für die englische Krone, sondern auch wegen der Fairneß und Menschlichkeit, die man Ihnen nachsagt, Señor.“
Sobocan fühlte sich plötzlich von vielen Sorgen befreit. Wenn er sich tatsächlich an Bord des Schiffes jenes beinahe legendären Seewolfs befand, dann hatte er auch Barabin nicht mehr zu fürchten. Und noch weniger Ibrahim Salih und seine tanzenden Kumpane.
Hasard ging nicht näher auf die Worte Sobocans ein. Ihn interessierte weit mehr, wen er sich da an Bord geholt hatte. Deshalb fragte er auch ohne Umschweife: „Nun, Sobocan, was hat dich bewogen, allein in einer winzigen Nußschale aufs Meer hinauszupullen? Daß du Schwierigkeiten hattest, sieht man dir an.“
„Und ob ich Schwierigkeiten hatte, Señor, ich bin in der vergangenen Nacht Ibrahim Salih, dem Scheich eines Ordens der Mewlewija-Derwische mit knapper Not entgangen. Er wollte mich auspeitschen und hinrichten lassen, und zwar im ersten Morgengrauen. Doch im letzten Augenblick ist es mir gelungen, mich aus dem Verlies der Felsenmoschee zu befreien und zu fliehen.“
Sobocan erzählte seine Geschichte. Er verschwieg auch nicht, daß er von Barabin und seinen Schnapphähnen an Bord der „El Jawhara“ gepreßt worden war, daß er sich in Slobodanka, die Tochter des Piratenkapitäns, verliebt hatte, und daß er aus diesem Grund und zum anderen auch wegen seiner Zurückhaltung bei dem hinterhältigen Überfall auf das venezianische Handelsschiff und dessen Versenkung von den Derwischen umgebracht werden sollte – im Auftrage Barabins. Er berichtete auch von dem Tanz der Derwische in der alten Festung aus der Zeit der Seldschuken und von den ungerechtfertigten Anklagen, die man gegen ihn erhoben hatte.
Der Seewolf und seine Crew hörten ihm schweigend zu. Erst als er eine kurze Verschnaufpause einlegte, unterbrach ihn Philip Hasard Killigrew.
„Du siehst ziemlich mitgenommen aus“, sagte er. „Es wird besser sein, wenn du dich zunächst etwas ausruhst. Nachdem du gegessen hast und der Kutscher, unser Feldscher, deine Wunden verarztet hat, können wir uns weiter unterhalten.“
„Oh, danke, Señor.“ Sobocan lächelte. „Ich bin nicht zimperlich und schaffe es schon noch, meinen Bericht zu vollenden. Danach werde ich Ihr freundliches Angebot gern annehmen.“
Hastig trank er einige Schlucke aus der Muck mit Wasser, die ihm der Kutscher gereicht hatte. Dann straffte sich sein Körper, und er fuhr fort, von der fetten Beute zu berichten, die Barabin in der Felsenmoschee der Derwische versteckt hatte. Ebenso schilderte er, auf welche brutale Weise Barabin das venezianische Schiff samt seiner Besatzung vernichtet hatte.
Einen Augenblick herrschte Totenstille an Bord der „Isabella“. Nur das Knarren und Ächzen des stehenden und laufenden Gutes drang an die Ohren der Männer.
„Wie könnten wir dir eine Hilfe sein?“ unterbrach der Seewolf das Schweigen. Sein Blick ruhte prüfend auf Sobocan.
„Ich wäre schon zufrieden, Señor“, erwiderte der junge Bursche, „wenn Sie mich irgendwo weiter östlich in Küstennähe absetzen könnten. Ich komme dann schon zurecht und schaffe es, mich zu meinem Heimatdorf durchzuschlagen.“
Sobocan sah ehrlich aus, wie der Seewolf feststellte, und er war durchaus geneigt, dem Bericht des jungen Mannes zu glauben, obwohl ihn die schlimmen Erfahrungen, die er in der Karibik mit Pablo, dem Handlanger des habgierigen Don Bosco, gesammelt hatte, ein ganzes Stück vorsichtiger hatten werden lassen.
„Um was handelt es sich bei der Beute, die Barabin den Venezianern abgejagt hat?“ fragte der Seewolf.
„Es war eine volle Schiffsladung“, antwortete Sobocan. „Darunter viele Kisten, Fässer, Truhen und Pakete, die in Segeltuch eingenäht waren. Alles wurde in der Festung der Derwische versteckt. Es waren außer Münzen, Gold- und Silberbarren auch Stoffballen, Gewürze, Werkzeuge und Waffen dabei. Das habe ich selbst gesehen.“
„Nun gut“, sagte Hasard und blickte seine Männer herausfordernd an. „Schließlich sind wir im Auftrag Ihrer Majestät, der Königin von England, unterwegs. Wir sollten uns des Kaperbriefes, den wir erhalten haben, auch würdig erweisen. Was meint ihr, Männer?“
Es gab sofort lautstarke Zustimmung.
„Das nenne ich einen vernünftigen Plan“, stellte Old Donegal Daniel O’Flynn fest. „Nachdem wir heute bereits einiges über die Schlafgewohnheiten der Haie gelernt haben, sollten wir ruhig auch mal wieder was für die alte Lissy tun. Zeigen wir diesem Bilgengespenst namens Barabin doch mal, was wir auf Lager haben. Er wird froh sein, wenn er uns seine gesammelten Schätze überreichen darf.“
„Donegal hat recht“, ließ sich Edwin Carberry vernehmen und rieb sich die mächtigen Pranken. „Den rechtmäßigen Eigentümern kann das Zeug sowieso nicht mehr zurückgegeben werden, weil sie nicht mehr am Leben sind. Da ist es in unseren Händen besser aufgehoben als bei diesem Schnapphahn und seinen Derwischen. Ho. auf was warten wir eigentlich noch? Ziehen wir diesem Kerl doch fein