Seewölfe Paket 13. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.Andrews und Blacky waren es satt, ständig auf die Feluke zu starren, und so gingen sie zur anderen Seite hinüber und sahen dem seltsamen Delphin zu, der pfeilschnell durch das Wasser pflügte.
„Wenn man dem so zusieht“, meinte Blacky, „dann kriegt man direkt auch Lust zum Schwimmen.“
„Tu’s doch“, riet Gary. „Der wird schon auf dich losgehn, wenn du im Bach bist. Und wenn er dir mit seinen scharfen Zähnen die Knochen anfrißt, vergeht dir die Lust aufs Schwimmen.“
„Delphine gehen nicht auf Menschen los“, erklärte Blacky. „Ich habe jedenfalls noch nichts Derartiges gehört.“
„Darauf würde ich mich nicht verlassen.“
Die Motzerei ging hin und her, und jeder wollte mit seiner Meinung recht behalten, bis der Kutscher erschien und ebenfalls ins Wasser blickte.
„Du weißt doch immer alles, Kutscher“, sagte Gary. „Blacky will nicht glauben, daß Delphine auch Menschen angreifen. Was meinst du dazu?“
„Glaub ich auch nicht, aber genau weiß ich es nicht. Probiert es doch aus, dann wißt ihr es.“
„Und wenn der Delphin wirklich angreift?“
„Dann wißt ihr es endgültig“, sagte der Kutscher trocken, „und könnt eure Weisheit an andere weitergeben.“
Blacky zog sich grinsend das Hemd über den Schädel, während Gary Andrews ihn fassungslos anstarrte.
„Du willst wirklich?“ fragte er entsetzt. „Der ist vielleicht so verfressen wie ein Hai.“
„Ich bin jedenfalls kein Feigling“, erklärte Blacky.
„Aha, das soll wohl heißen, daß ich einer bin, was?“
„Was du bist, ist mir gleichgültig, jedenfalls hast du vor dem kleinen Sardinenfresser Angst, das steht fest.“
Gary trat drohend einen Schritt vor.
„Sag noch einmal, daß ich Angst habe“, knurrte er. „Dann reiße ich dich Pfeffersack in Fetzen.“
Blacky grinste verwegen und sah Gary abschätzend an.
„Es steht doch fest, daß du nicht in den Bach willst, solange dieser Piepmatz da rumschwimmt. Oder täusche ich mich?“
„Das hat doch mit dem Piepmatz nichts zu tun!“ brüllte Gary empört. „Mir ist das Wasser viel zu kalt, das ist es.“
Blacky grinste so infam, daß Gary rot anlief. Auch er riß sich jetzt mit einem Ruck das Hemd vom Körper.
„Angst vor einem Delphin? Pah!“ sagte er verächtlich, und dann sprang er noch eher als Blacky.
Das Wasser war nicht kalt und auch nicht sonderlich warm, es hatte eine angenehme Temperatur, und dazu war die See so glatt wie ein Spiegel.
Die beiden Männer schwammen ein Stück vom Schiff weg. Ein paar andere Seewölfe wechselten ebenfalls die Seiten und fragten sich, was sie beiden wohl wieder ausheckten, daß sie gerade jetzt ein Bad nahmen.
Sie waren noch keine zwei Minuten im Wasser, als der Delphin unter ihnen entlangglitt. Aus der Tiefe heraus sah er aus wie ein sich schnell nähernder Hai, und Gary warf einen entsetzten Blick nach unten, denn er war der felsenfesten Überzeugung, das Biest würde jetzt sofort angreifen. Dann erkannte er, daß es doch der Delphin war, nur verringerte das seine Scheu keineswegs, denn man konnte ja nie wissen!
In diesem Augenblick tauchte der Körper unmittelbar neben den beiden auf. Gary verfluchte seinen Heldenmut und Blacky gleichzeitig mit, der ihn dazu animiert hatte.
Aber das Tier zeigte sich sehr gesellig, und es war keinesfalls scheu. Ganz langsam und sehr dicht schwamm es neben ihnen her und stieß hin und wieder dieses keckernde Geräusch aus, das sich anhörte, als wolle das Tier ihnen etwas mitteilen.
Es umkreiste sie und schien zu lachen. jedenfalls sah es so aus.
Blacky tastete vorsichtig mit der Hand zu dem geschmeidigen glatten Leib hinüber und erwartete, daß der Delphin jetzt erschreckt auf die Berührung reagieren würde. Doch das Tier störte sich nicht im mindesten daran, es empfand die Berührung eher als angenehm.
„Der hat schon öfter mit Menschen zu tun gehabt“, sagte Blacky überzeugt. „Los, wir reiten mal auf dem Kollegen.“
Ohne Garys Antwort abzuwarten, griff Blacky nach der gebogenen Rückenflosse und hielt sich fest. Gary packte die Schwanzflosse. Der Delphin hielt still, es schien ihm zu gefallen, und er ließ zu, daß sich Blacky auf seinen Rükken schwang.
Vom Schanzkleid aus wurde das von den Seewölfen mit lautem Beifall quittiert.
Auch Gary Andrews verlor nun seine letzte Scheu vor dem Tier, das wieder laute gluckernde Geräusche von sich gab und sich dann in Bewegung setzte. Zuerst langsam, dann schneller, glitt der Delphin los, auf dem Rücken den grinsenden Blacky, an der Schwanzflosse Gary Andrews, der in seinem ganzen Leben noch nie so schnell geschwommen war wie jetzt, da der Delphin ihn zog.
Erst als sie drei, vier Kabellängen von der „Isabella“ entfernt waren, wurde es Gary mulmig.
„Wenn der noch weiter schwimmt“, rief Gary, „dann wird es riskant für uns. Der Bursche setzt uns weit draußen ab, und dann können wir zurückschwimmen.“
Seltsam – als hätte der Delphin die Worte verstanden, drehte er langsam um und nahm wieder Kurs auf die „Isabella“. Erst dicht vor der Bordwand stoppte er und ging dann langsam in die Tiefe.
„Mann, das gibt’s doch gar nicht“, sagte der Profos oben vom Schanzkleid und schüttelte verwundert den Kopf. „Der ist ja zutraulicher als unser Arwenack.“
Jetzt, nachdem sich ihnen dieses Schauspiel geboten hatte, wollten auch Hasards Söhne nicht länger zurückstehen. Noch ehe Carberry sie hindern konnte, sprangen sie über Bord, um an dem Spielchen teilzuhaben. Des Profoses Fluch verhallte ungehört. Er warf eine Leine über die Bordwand und ließ Gary und Blacky aufentern.
„Und ihr auch!“ rief Ed den Zwillingen zu, doch die schienen ihn nicht zu hören.
„Laß sie doch“, meinte Blacky, „das Tier ist wirklich ganz zahm. Es tut ihnen nichts.“
Die Zwillinge tollten schon herum, als der Delphin sich spielerisch vor ihnen tummelte. So, wie sie es bei Blacky und Gary gesehen hatten, ließen auch sie sich von dem gutmütigen Tier durchs Wasser schleifen und brüllten begeistert, als der Delphin sie in einem weiten Bogen wieder zurückbrachte.
„Los, unter der ‚Isabella‘ durch“, sagte Hasard junior. „Das schaffen wir spielend.“
„Einverstanden!“ rief Philip begeistert.
Vor ihnen glitt der Delphin in fünf, sechs Yards Tiefe als grünlicher Schatten dahin, als wolle er sie führen.
Die Zwillinge tauchten noch tiefer, über sich den Rumpfboden der „Isabella“ wie ein drohender Schatten.
Die zehn Yards schafften sie spielend, erst dicht bei der Feluke wurde ihnen die Luft knapp, und sie tauchten auf. Niemand sah sie, außer den Männern, die noch immer oben am Schanzkleid standen und auf das Händlerschiff blickten.
Ibrahim und seine bunten Gesellen waren damit beschäftigt, den Seewölfen Lampenöl zu verkaufen und andere Sachen zu verschachern.
Der Delphin kehrte wieder zurück, umkreiste sie einmal und glitt dann weiter an der Feluke entlang.
Die Zwillinge verstanden sich auch ohne Worte, blickten sich nur an und tauchten am Heck der Feluke erneut. Dort entdeckten sie etwas, das sie in Staunen versetzte.
Unter Wasser, neben dem Ruderblatt, befand sich ein halbschräg nach oben führender dunkler Schacht, für den Hasard und sein Bruder keine Erklärung fanden. Abwechselnd spähten sie hinein, aber es ließ sich nur erahnen, daß dieser eingebaute Schacht irgendwo wieder, vielleicht durch einen Senkkasten, an Deck der Feluke führen mußte.