Seewölfe Paket 13. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.See achteraus absuchten.
Da der Handel nicht so viel einbrachte wie die Piraterie, hatte sich Henk Kruger darauf verlegt, kleinere Städte zu überfallen und rigoros auszuplündern. Bisher war das auch meist gutgegangen, doch gestern hatte ihn das Pech verfolgt, und wenn er jetzt seine Viermastgaleone „Goekoop“ ansah, dann stand ihm die nächtliche Szene deutlich vor Augen, und die Erinnerung kehrte zurück.
In der Nacht vor Weihnachten schob sich die „Goekoop“ abgedunkelt und fast lautlos auf Karatus zu, die kleine Stadt im Golf von Iskenderun, nordöstlich von der Insel Zypern.
Das Städtchen schlief in tiefer Ruhe, und auch auf den paar türkischen Schiffen rührte sich nichts.
„Die haben nicht einmal Wachen aufgestellt“, flüsterte Henk seinem kampferprobten Steuermann van Hall zu. „Verdammt, die fühlen sich wohl absolut sicher. Wir gehen nach der alten Taktik vor. Boote in den Hafen, Häuser stürmen und anzünden, mitnehmen, was mitzunehmen ist, und dann ein paar. Breitseiten hinein.“
Vorsichtig tastete sich die „Goekoop“ weiter zum Land hin, ging an den Wind und begann etwas später zu kreuzen.
Zwei große Boote wurden abgefiert bei einem Kreuzschlag, der sie nicht von der Stelle brachte. Henk und seine rauhen Gesellen gingen in die Boote, schnappten ihre Waffen und pullten auf das schlafende Städtchen in stockfinsterer Nacht zu.
An dem schmalen Strandstreifen war kein Mensch zu sehen. Die Häuser waren kaum zu erkennen, im Hafen selbst herrschte unnatürliche Ruhe.
Kein Wort wurde gesprochen. Jeder wußte, was er zu tun hatte, denn es war nicht die erste Stadt, die sie überfielen.
Kurz vor den Häusern stieß Henk Kruger seinen Kumpan Zantkuyl unsanft an und deutete nach rechts. Zantkuyl verstand und zog seine Schnapphähne nach rechts hinüber, während Henk und seine Spießgesellen die linke Seite übernahmen.
Dann ging es blitzartig los. Dem ersten Haus wurde der Rote Hahn aufs Dach gesetzt, im zweiten wurden die Türen eingerannt. Pistolen krachten, Musketenfeuer ertönte.
Innerhalb weniger Lidschläge war der Teufel los, und Menschen stürzten schreiend, verängstigt und voller Panik aus den Häusern.
Henks Leute stürmten in die Häuser und begannen sie zu plündern. Anschließend wollten sie das Haus ebenfalls in Brand stecken.
Da erklang ein überlautes Donnern und Wummern, das sie verstört zusammenfahren ließ.
„Das waren nicht unsere Culverinen!“ brüllte der Holländer. „Verflucht, da ist was passiert!“
Er rannte aus dem Haus und sah die Bescherung. Einen Augenblick wirkten er und seine Kumpane wie erstarrt.
Die Türken feuerten. Die scheinbar schlafenden Mannschaften standen auf ihren Stationen und jagten der „Goekoop“ eine Breitseite nach der anderen hinüber.
Gerade als Henk Kruger zum Strand laufen wollte, schlug es zweimal hintereinander auf der „Goekoop“ ein. Splitter flogen nach allen Seiten, vor dem Schiff stiegen Fontänen aus dem Wasser, und zu allem Übel hauten die paar Mann, die an Bord geblieben waren, auch noch mit der Galeone ab.
Kruger warf seine Muskete weg. Sein Gesicht war vor Wut, Überraschung und Enttäuschung zur Fratze verzerrt.
„In die Boote!“ brüllte er mit überschlagender Stimme. „Wer nicht schnell genug in den Booten ist, bleibt hier.“
Jetzt waren es Krugers Leute, die von blinder Panik erfaßt wurden und um ihr Leben rannten.
Wer zurückblieb oder es nicht mehr schaffte, der fiel den Türken in die Hände, und was dann mit ihnen geschah, konnte sich jeder an den Fingern einer Hand abzählen. Nicht nur, daß man sie ohnehin hängte, sie hatten vorher noch einiges durchzustehen, denn der Haß der Türken auf die Piraten würde übermächtig sein.
Wieder erhielt die Galeone einen Treffer. Sie lief jetzt fast raumschots vor den Türken davon, die Segel gesetzt hatten und die Verfolgung aufnahmen.
Am Strand herrschte das Chaos. Jetzt brannten zwei Häuser, in ihrem Widerschein hasteten Leute durcheinander. Dadurch, daß die türkischen Schiffe das Feuer eröffnet hatten, faßten die Bewohner auch wieder den Mut, sich gegen die Piraten zu wehren.
Laut brüllend vor Angst, der Meute in die Hände zu fallen, stürmten Krugers Kumpane ins Wasser, warfen sich in die Boote und rissen das Segel hoch. Die anderen griffen zu den Riemen und stießen das Boot ab.
Aber nicht allen gelang die Flucht.
Die Türken holten sie ein. Sie stachen und schlugen mit allem, was sie gerade zur Hand hatten, auf Krugers Leute ein, und gleich darauf gab es die ersten Toten.
Immer noch stürzten welche herbei, wurden aber am Strand von der aufgebrachten Menge erschlagen oder so verletzt, daß sie nicht mehr weiterlaufen konnten.
Kruger fiel es nicht im Traum ein, sich um die Verletzten zu kümmern, wenn er nicht selber erschlagen werden wollte. Jeder trug das Risiko selbst, denn jeder erhielt ja auch einen angemessenen Teil der Beute.
Aber ihm selbst segelte die „Goekoop“ weg, wenn er sich nicht höllisch beeilte.
Er fluchte lange und ausdauernd, half noch einem Kerl ins Boot, der es gerade noch geschafft hatte, und segelte dann mit dem Boot um sein Leben.
Das zweite Boot jagte ebenfalls der Galeone nach.
Diesmal saß ihnen die Angst im Nacken, denn die Türken waren schnell und wendig und verstanden es auch, die Galeone bei der Flucht systematisch zusammenzuschießen.
Kruger knirschte mit den Zähnen, als ein weiterer Treffer erfolgte und wiederum Splitter über die voraussegelnde Galeone prasselten.
Auf dem Schiff, das Hals über Kopf vor den aufrückenden Türken flüchtete, konnte nicht gebraßt werden, denn niemand war da, um die Segel zu bedienen.
Sie konnten nur von Glück reden, daß sie achterlichen Wind hatten, sonst wäre ein Auskneifen unmöglich gewesen. Leider aber hatten auch die Türken achterlichen Wind, und sie feuerten aus allen Rohren, die sie hatten, drehten ihre Schiffe immer wieder so, daß sie Schußposition hatten, oder feuerten mit Kettenkugeln aus den Drehbassen.
Die „Goekoop“ war nur ein finsterer Schatten, der durch die Nacht jagte. Die Türken waren hell in blendende Blitze getaucht und holten langsam auf.
Dann hatten sie offenbar auch die beiden flüchtenden Boote bemerkt, denn dicht neben Krugers Boot heulte etwas pfeifend und orgelnd ins Wasser. Eine Fontäne spritzte auf und überschüttete sie mit Wasser.
„Schneller, ihr Säcke!“ brüllte der holländische Riese. „Pullt, bis ihr verreckt, gebt euer Bestes, sonst geben es euch die Türken. Und dann verreckt ihr erst recht!“
Zantkuyl und van Hall hatten jeder längst selbst schon zu den Riemen gegriffen und pullten, was sie konnten. Schweiß lief ihnen über die Gesichter, die Riemen tauchten so schnell ein, daß man sie kaum noch sah, und angefeuert wurden sie von Kruger, der ihnen in den schrecklichsten Farben ausmalte, was geschehen würde, wenn die Türken sie erwischten.
Einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, die „Goekoop“ einfach sich selbst zu überlassen, und mit dem Beiboot allein weiterzusegeln. Irgendwo und irgendwie würden sie schon wieder ein Schiffchen ergattern. Doch dann überlegte er, daß sie hier nicht weit gelangten, denn die Türken würden sie auch in den Beibooten jagen. Daher ließ er den Gedanken wieder fallen.
Weiter trieb er mit lauter Stimme seine Leute an. Das Boot wurde noch schneller, denn diesmal beschrieb Kruger seinen Kumpanen, was die Türken ihnen alles abschneiden würden, angefangen bei den Ohren bis zur Nase und weiter südlich.
„Die Beiboote lassen wir sausen!“ schrie er. „Sobald wir an der Bordwand sind, wird aufgeentert. Kanonen besetzen, den Türken Feuer geben und die Segel nachtrimmen.“
Nur noch ein paar Yards trennten sie jetzt von der rasch dahinsegelnden Galeone. Die drei Türken lagen höchstens noch