Seewölfe Paket 13. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.undeutliche Stimmen, zu sehen war absolut nichts. Dann verschwammen auch diese Töne, das Rauschen wurde leiser und verstummte schließlich.
Henk Kruger grinste.
„Die sind alle an uns vorbeigelaufen, und das war vermutlich der letzte von ihnen, wenn ich die Zeit ausrechne, die wir bis jetzt gebraucht haben. Der war verdammt dicht dran, dieser Gülgül.“
Er lachte laut und ließ sich von Zantkuyl eine große Muck Genever geben, die er ansetzte und gierig in einem Zug schluckte. Dann wischte er zufrieden mit dem Handrücken über die Lippen.
„Jetzt können wir ihnen unbesorgt hinterhertrotteln“, sagte er. „Das werden sie erst recht nicht vermuten. Also rum mit dem Bock. Solange wir in dieser Brühe stecken, können mich die Gülgüls mal.“
„Ist das nicht noch ein bißchen zu früh?“ fragte Zantkuyl.
„Am liebsten würde ich in dem Geschwader mitsegeln“, sagte Henk verwegen, „und die Burschen ordentlich zum Narren halten. Aber man soll den Teufel nicht versuchen und sein Glück nicht mit Gewalt herausfordern. Hinterher jetzt, los! Ab mit euch, dreht den Arsch nach Norden, ich habe es mir anders überlegt.“
Die „Goekoop“ wechselte wieder den Kurs, bis sie auf Süd lag und den Türken langsam auswanderte, wie es schien.
Jetzt, als nicht mehr viel zu befürchten war, begannen die Piraten damit, Trinksprüche auf Henk Kruger auszubringen. Sie ließen ihn hochleben, denn nur seiner Schläue und Gewitztheit hatten sie es zu verdanken, daß ihnen die Türken diesmal nichts abschnitten. Und so soffen sie auf ihren verwegenen Kapitän, und stießen immer wieder Hochrufe aus, und es erklang: „Alles van die beste!“
Das heißt soviel wie Prost auf Holländisch.
Aber noch waren sie nicht ganz in Sicherheit.
Kurz vor dem ersten Morgendämmer wurde der Nebel dünner und trieb in langen Schleiern auseinander. Als die Sonne aufging, sah Henk Kruger zum erstenmal die Schäden, die die Türken ihnen zugefügt hatten.
Die „Goekoop“ sah aus wie nach einem Enterkampf. Der Besan war nur noch ein zersplitterter Stumpf, in den meisten Segeln gähnten Löcher, das Achterdeck war aufgerissen, in den Fockmast war eine Kugel gedonnert und hatte große Brocken herausgefetzt, und die anderen Decks sahen aus, als hätten hier die Vandalen gehaust.
Auch das Schanzkleid war auf beiden Seiten beschädigt. Die Beiboote waren sie ebenfalls los.
Unrasiert und leicht übernächtigt, inspizierte Henk sein Schiff und fluchte von vorn bis achtern, als er die Bescherung sah.
Ein paar seiner rauhen Kumpane sahen ähnlich aus wie das Schiff. Sie waren ziemlich lädiert, und als er die Kerle durchzählte, da fehlten acht Mann, die entweder gleich von den Türken erschlagen worden waren, oder die sie lebend erwischt hatten.
„Fangt gleich mit der Arbeit an“, sagte er. „Bessert die Schäden aus, so gut es geht. Wo ist der Zimmermann?“
„Bei den Türken“, antwortete einer, „der sägt jetzt die Bretter für die Särge.“
„Dann geht es auch ohne. Den Mast können wir nicht ersetzen, aber Planken haben wir. Strengt euch an, so wie wir jetzt aussehen, sind wir nicht mal gefechtsfähig.“
Um sie herum war das Wasser „sauber“. Von der Türkenflotte war kein einziges Schiff mehr zu sehen, und so gingen die Kerle auch willig an die Arbeit. Sie schufteten mit verbissenem Eifer, um die Galeone wieder herzurichten.
Zwei neue Segel, die sie einem anderen Handelsfahrer abgenommen hatten, wurden angeschlagen. Die durchlöcherten verschwanden in der Last und sollten gelegentlich mal geflickt werden. Einer der Piraten, der sich ein wenig auf die ärztliche Kunst zu verstehen glaubte, nahm sich die Verwundeten vor, aber seine Künste waren so gefürchtet, daß die meisten freiwillig darauf verzichteten, sich behandeln zu lassen. Lieber wuschen sie ihre Wunden mit Seewasser aus und verbanden sie mit alten Lappen.
So war jeder beschäftigt, auch die Verwundeten packten mit an und schufteten, während die „Goekoop“ langsam weiter nach Süden segelte.
Bis zum Mittag ging alles gut. Dann alarmierte Henk Kruger ein Ruf aus dem Mars, und der klang nun wirklich nicht streng vorschriftsmäßig.
„He, ihr Torfköppe! Backbord achteraus krebst ein Türke. Steht schon halb unter der Kimm!“
Henk Kruger zuckte zusammen. Der vermeintliche Türke versetzte ihn augenblicklich in Aufregung, und so klemmte er das Spektiv in den Hosenbund und enterte in den Großmars auf, wo der Ausguck stand.
„Türke?“ fragte er gallig. „Woher willst du Windelnässer wissen, daß es ein Türke ist?“
„Nehm ich an, weil wir ja vor ihnen ausgerückt sind.“
„Quatsch, das ist kein Türke“, sagte Kruger, nachdem er lange durch das Spektiv geblickt hatte. „Nein, das ist kein Gülgül“, wiederholte er nachdenklich. „Das ist ein Dreimaster, und der Teufel soll mich am Spieß braten, wenn das nicht dieser wahnwitzige Kerl ist, den sie hier den verrückten Giaur aus England nennen.“
Aufgeregt versuchte er, Einzelheiten zu erkennen, bis er seiner Sache ganz sicher war.
„Was ist nun?“ fragte der Ausguck.
Aber Kruger gab ihm eine so ordinäre Antwort, daß der rauhbeinige Pirat zusammenzuckte und dem abenteuernden Kapitän verdutzt nachblickte.
„Zantkuyl, van Hall!“ brüllte Kruger, als er wieder an Deck stand. „Laßt augenblicklich die Arbeiten einstellen. Da segelt dieser Kerl, von dem wir schon so oft gehört haben.“
„Welcher Kerl?“ fragte van Hall.
„Der ist uns doch an der Südküste der Türkei schon ein paarmal genau beschrieben worden. Ein schwarzhaariger Riese, der furchtlos zwischen dem Golf von Antalya und Adana die tanzenden Derwische des Barabin auseinandergenommen hat. Dieser höllische Engländer hat Schätze an Bord, das weiß ich genau, jeder behauptet es. Und diese Burschen werden wir uns jetzt kaufen.“
„Wie willst du denn mit diesem wracken Schiff ein Gefecht durchstehen?“ fragte Zantkuyl höhnisch. „Der schießt uns doch zusammen, bis uns kein Stiefel mehr paßt. Laß es bleiben, Henk, den Burschen sind wir nicht gewachsen. Du hast doch gehört und selbst gesagt, wie sie den Derwischen zugesetzt haben.“
Kruger sah den breitschultrigen Mann mit den weizenblonden Haaren fast verächtlich an.
„Glaubst du Dummkopf eigentlich, ich wüßte nicht, in welcher Lage wir uns befinden, he? Die schnappen wir mit einer List und nicht mit unseren Kanonen. Nur so kriegen wir sie.“
„Und wie wollen wir das anstellen?“
Statt einer Antwort blickte Kruger wieder durch das Spektiv.
„Kein Zweifel, das ist die englische Galeone“, murmelte er zufrieden. Erst dann wandte er sich wieder den beiden zu. „Wie wir das anstellen? Ganz einfach. Wir spielen die Überfallenen, und so ähnlich sehen wir ja auch aus. Du selbst siehst aus wie ein dreckiges blutverschmiertes Schwein, und ich habe auch etwas abgekriegt. Unser Schiffchen sieht ebenfalls schlimm aus, und so geben wir vor, von den Türken ausgeplündert worden zu sein. Wir bitten sie um ein wenig Proviant und ärztliche Hilfe, und wenn sie an Bord erscheinen, hauen wir sie zusammen. Vorher werden wir noch ein paar scheinbar Verletzte und Tote auf den Decks postieren, und die springen dann auf und greifen an.“
„Alle werden wohl kaum bei uns an Bord erscheinen“, gab Zantkuyl zu bedenken.
„Natürlich nicht, du Strohkopf. Es langt doch, wenn es nur ein paar sind. Sie haben ohnehin nicht viele Leute, das weiß ich. Aber wenn wir ein paar von ihnen haben, sind die anderen geschwächt. Wir könnten sie entweder als Geiseln gegen die Schätze tauschen oder das Feuer auf den Engländer eröffnen. Das muß erst die Situation selbst ergeben, denn wir wissen ja nicht genau, wie sie reagieren werden.“
„Hm, dein Plan ist gut, Henk. Hoffentlich segeln die Kerle nicht