Seewölfe Paket 20. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 20 - Roy Palmer


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Mannsvolk sind sie noch nicht gewohnt“, sagte Mary O’Flynn. „Und jetzt alle raus! Gotlinde und Thorfin sind schließlich kein Ehepaar zum Begaffen.“

      Jeder hatte Verständnis dafür, daß die beiden in ihrem Stolz auf den Stammhalter und das Schwesterchen jetzt allein sein wollten.

      Und nun hatte auch Old Donegals Miß Snugglemouse nichts mehr dagegen, daß in der „Rutsche“ ein rauschendes Fest gefeiert wurde. Old Donegal hatte sofort genügend Helfer bei der Hand, die bei den Vorbereitungen mit anpackten …

      ENDE

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       Roy Palmer

Entscheidung bei Morgengrauen

       1.

      Als das Heulen des Windes zunahm, die Rahen stöhnten und ächzten und die Dreimastgaleone „Almeria“ in den wogenden Fluten zu tanzen begann, setzte bei dem zehnjährigen Pablito und seiner drei Jahre älteren Schwester Sabina wieder das Zittern ein. Sie kämpften dagegen an, aber die Angst war stärker als jegliche Selbstkontrolle und Disziplin. Sie bebten am ganzen Leib und klammerten sich aneinander fest.

      Es war nicht der erste Sturm, den sie wie die anderen Passagiere der spanischen Galeone erlebten. Zweimal hatten die Urgewalten der Natur zugeschlagen, als die „Almeria“ mit der „San Sebastian“ – ebenfalls einer Dreimastgaleone – von Cadiz aus den Atlantik überquerte. Beide Male waren Sabina und Pablito vor Panik und Grauen fast gestorben.

      Da nutzte es ihnen auch nichts, daß ihr Vater, der Schmiedemeister Ramón Vega Venteja, sie schützend in seine Arme nahm und ihnen beschwichtigend zuredete. Grenzenlos war ihre Angst. Sie glaubten, dieser dritte Sturm, der sie in der Windward Passage zwischen Kuba und Hispaniola traf, bedeute ihr sicheres Ende.

      „Mama!“ klagte Pablito. „Mamita, warum bist du nicht bei uns?“

      „Sei ganz ruhig“, sagte sein Vater. Aber auch um seine Mundwinkel spielte ein tief trauriger, bitterer Zug. Vor zwei Jahren war seine Frau gestorben. Seither hatte er es nicht leicht gehabt, seine Kinder zu ernähren und zu versorgen. Aufopfernd hatte er sich um sie bemüht und versucht, es ihnen an nichts mangeln zu lassen.

      Aber die Zeiten wurden immer schwerer. Bald, so hatte Ramón Vega Venteja gewußt, würden sie am Hungertuch nagen, denn auch seine Arbeit war nicht mehr so gefragt wie früher. So kam das Angebot der Casa de Contratación, das spanische Mutterland zu verlassen und in die Neue Welt überzusiedeln, wie gerufen. Drüben, so hieß es, brauche man viele gute Handwerker, die bei der Besiedlung des Landes mithelfen sollten. Ein guter Lohn winkte, mehr als daheim in Spanien. So hatte Ramón wie viele andere zugegriffen und alles aufgegeben, um ein neues Leben zu beginnen. Und selbstverständlich hatte er seine beiden Kinder mitgenommen.

      Doch nicht alles, was glänzt, ist auch wirklich Gold. Der Vertreter der Casa, der ihn angesprochen und von dem Unternehmen überzeugt hatte, hatte in vielen Dingen übertrieben. So befanden sich nicht nur „ein paar“ Passagiere an Bord, sondern die Frachträume waren vollgestopft mit dieser menschlichen Ladung, mit Männern, Frauen und Kindern. Dabei handelte es sich nicht nur um „ordentliche Leute“, wie es geheißen hatte, sondern teilweise um die übelsten Huren und Galgenstricke.

      Da war zum Beispiel diese Marcela Buarcos. Als Ramón in Cadiz mit seinen Kindern an Bord der „Almeria“ gegangen und ihnen ihr Platz zugewiesen worden war, hatte ihm ein einziger Blick genügt, um diese Frau zu taxieren. Sie war ein ausgekochtes Luder, durchtrieben und skrupellos. Während der Überfahrt hatte sie sich schon mit vielen Kerlen eingelassen – schamlos und fast ohne jegliche Rücksicht auf die anderen Mitreisenden. Sie lockte jedem, der auf ein flüchtiges Liebesabenteuer aus war, das letzte Geld aus der Tasche.

      Auch bei Ramón hatte sie es versucht. Es kümmerte sie nicht, daß Sabina und der kleine Pablito dabei waren. Jetzt, im Heranorgeln des Sturmes, arbeitete sie sich wieder heran. Wie zufällig verlor sie ihren Halt und prallte auf den schwankenden Planken mit Ramón zusammen.

      „Es geht wieder los“, sagte sie mit ihrer rauhen, etwas kehlig klingenden Stimme. „Hast du eigentlich überhaupt keine Angst, mein Freund?“ fragte sie ihn und drängte sich provozierend gegen ihn.

      Er rückte etwas von ihr ab.

      „Nicht mehr als du“, erwiderte er.

      „Du scheinst eine Menge Mumm in den Knochen zu haben.“

      „Nicht mehr als jeder andere Mann“, sagte er.

      Die Öllampen und Talglichter waren wegen der hohen Brandgefahr gelöscht worden. Es war stockfinster, und das Rauschen des Wassers an den Bordwänden, das Jaulen des Sturmwindes und das Knarren der Verbände klangen unheimlich. Ramón konnte weder seine Kinder noch die Frau sehen, doch er spürte, wie sie nach ihm griff.

      Er schob sie von sich fort und zog seine Kinder dichter zu sich heran. Sie schmiegten sich zitternd an ihn. Pablito hatte leise zu weinen begonnen.

      „Narr“, sagte Marcela. „Du weißt ja nicht, was du verschenkst.“ Sie war ihm immer noch sehr nah. „Warum läßt du es uns nicht tun? Keiner sieht es in der Dunkelheit. Anschließend passe ich auf deine Kinder auf.“ Sie lachte leise und verächtlich. „Du suchst doch eine Ersatzmutter für sie, oder?“

      „Verschwinde!“ sagte Ramón. „Ich erlaube dir nicht, so zu reden. Noch ein Wort, und du kriegst eine Ohrfeige von mir.“

      Sie kroch weiter, zischte dabei aber noch: „Elender Bastard! Das wirst du noch bereuen.“

      Kinder hatten zu jammern begonnen, auch ein paar Frauen weinten und stöhnten vor Furcht. Die Männer fluchten. Ramón murmelte besänftigende Worte für seinen Sohn und seine Tochter. Mehr Sorgen als der Sturm bereitete ihm die Stimmung an Bord. Wieder schweres Wetter – und das Murren und Fluchen nahm zu. Die Unzufriedenheit konnte zur offenen Meuterei führen.

      Juan Alentejo, der Kapitän der „Almeria“, würde es nicht leicht haben, die aufkeimenden Aggressionen zu dämpfen, wenn die Reise länger, als ursprünglich vorgesehen, dauerte. Mußte er in einen Nothafen verholen, damit das Schiff im Sturm nicht sank oder auf gefährliche Riffs getrieben wurde, bestand die Möglichkeit, daß die Galgenstricke unter den Passagieren die Gelegenheit ergriffen, das Kommando an sich zu reißen.

      Was aber geschah, war die Entscheidung des Kapitäns Gomez Rascón an Bord der „San Sebastian“. Er hatte den Oberbefehl über beide Galeonen und trug damit die volle Verantwortung. Das Schicksal der Schiffe und ihrer Menschen lag in seinen Händen.

      Während er mit seinen Kindern betete, daß das Wetter bald wieder nachlassen möge, versuchte Ramón Vega Venteja sich vorzustellen, wie Gomez Rascón zumute war. Er hätte nicht in seiner Haut stecken mögen.

      Kapitän Gomez Rascón hatte die Logbucheintragungen soeben abgeschlossen und verstaute Buch, Federkiel und Tintenfäßchen in seinem Pult, ehe sie durch die Schlingerbewegungen abgeräumt werden konnten. Man schrieb den 27. April 1594, es ging auf Mitternacht zu. Rascón war nicht sicher, ob er den 28. April erleben würde, wenn er es sich in den Kopf setzte, den Sturm abzureiten.

      Deshalb rief er Solares, seinen Ersten Offizier, und den Steuermann Elcevira zu sich. Sie hielten eine kurze Besprechung ab, in der sie die Situation erörterten und Möglichkeiten abwägten, wie sie sich am besten verhalten sollten.

      Denn es war ein Sturm, der es in sich hatte: Vom Atlantik her fegte er westwärts in die Karibik und peitschte die See mit ungezügelter Macht. Die Handels-Galeonen „San Sebastian“ und „Almeria“ wurden von dem Toben der Urgewalten voll erfaßt, es gab kein Entweichen, obwohl sie bereits in der Windward Passage standen.

      Ihr Zielhafen war Santiago de Cuba. Vor zwei Monaten waren sie in Cadiz in See gegangen, und es war alles andere als eine leichte, problemlose Überfahrt gewesen. Die Stürme hatten


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